Das Bundesgericht klärte in diesem Urteil insbesondere, dass einem Bankkunden, der Opfer eines Fehlverhaltens eines Bankangestellten geworden ist, eine Haftungsklage im Sinne von Art. 398 Abs. 2 OR in Verbindung mit Art. 101 OR (und nicht eine Klage auf Erfüllung) zur Verfügung steht.
Hintergrund war eine “execution only”-Beziehung, welche ein Bankkunde mit einer Genfer Bank eingegangen war. Es wurde mithin weder ein Vermögensverwaltungs- noch ein Anlageberatungsmandat erteilt. Der Bankangestellte führte zahlreiche Transaktionen auf dem Konto des Bankkunden ohne dessen Zustimmung durch. Strittig blieben elf Transaktionen in Euro und eine Transaktion in Pfund Sterling. Bei diesen zwölf Transaktionen handelte es sich um Überweisungen an Dritte ohne Gegenleistung, Überweisungen mit Gegenleistung in Aktien, Aktienkäufe und Forex-Transaktionen. Mit einer einzigen Ausnahme führten diese Transaktionen zu Verlusten für den Kunden. In der internen Untersuchung wurde festgestellt, dass es zu illegalen Aktivitäten und Betrügereien gekommen war, wie z.B. die Verwendung von Kundengeldern für persönliche Zwecke des Bankmitarbeiters.
Der Bankkunde klagte daraufhin vor den Genfer Gerichten gegen die Bank. In erster Linie klagte er auf Vertragserfüllung und forderte die Rückgabe seiner Guthaben, und in zweiter Linie machte er eine Haftung für die Nichterfüllung des Vertrags geltend und verlangte Schadenersatz. Die Genfer Gerichte hiessen die Klage teilweise gut, unterschieden sich indessen in der Beurteilung: Während das erstinstanzliche Gericht den Fall anhand der Regeln der Haftung der Bank prüfte, da ein Fehlverhalten des Bankangestellten vorlag, beurteilte die Berufungsinstanz den Fall als Klage auf Vertragserfüllung, d.h. auf Rückgabe der vom Bankkunden bei der Bank deponierten Vermögenswerte, da es keinen Grund sah, Transaktionen, die ohne Anweisungen von einem Bankangestellten ausgeführt werden, anders zu behandeln als Transaktionen, die ohne Anweisungen von einem unbefugten Dritten ausgeführt werden.
Vor Bundesgericht erhob die Beschwerde führende Bank folgende drei Rügen:
Irrtümliche Feststellung einer Leistungsklage (Verstoss gegen Art. 97 OR): Das Bundesgericht erinnerte zunächst an seine hinsichtlich der Qualifikation der Bankbeziehung ergangene Rechtsprechung (E. 4.1) sowie daran, dass eine Bank, die Bankgeschäfte ohne Weisung oder Zustimmung des Kunden ausführt, für den daraus entstehenden Schaden des Kunden nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag hafte (Art. 419 ff. OR), während die Nicht- oder Schlechterfüllung der vom Kunden erteilten Aufträge zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren den Regeln des Kommissionsvertrags unterliege (E. 4.2).
Sodann erwog das Bundesgericht, dass bei Veruntreuungen von Kundenguthaben durch einen Bankangestellten, die somit ohne Anweisungen und ohne Zustimmung des Kunden ausgeführt wurden, der Schaden beim Kunden entstehe und die Bank dafür nach Art. 398 Abs. 2 und Art. 97 ff. OR hafte. In einer solchen Situation könnten weder die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag (vollkommen oder unvollkommen) noch die Regeln über den Kommissionsvertrag direkt angewendet werden. Vielmehr handle es sich um unerlaubte Handlungen im Sinne von Art. 41 OR, die von einem Angestellten der Bank begangen wurden. Während der Kunde zwar in den Genuss des Zusammenwirkens von deliktischer und vertraglicher Klage komme, hafte die Bank gemäss Art. 101 OR vertraglich für die Handlungen ihrer Hilfsperson. Sie hafte, so das Bundesgericht weiter, selbst dann, wenn die Handlungen rechtswidrig seien, denn für ein Verursachen einer Handlung der Hilfsperson in Erfüllung ihrer Arbeit im Sinne von Art. 101 Abs. 1 OR genüge es, dass sie durch einen funktionalen Zusammenhang in den allgemeinen Rahmen der Aufgaben der Hilfsperson falle. Obwohl die Begehung einer unerlaubten Handlung nie eine eigentliche Aufgabe eines Arbeitnehmers sei, bestehe dennoch ein funktionaler Zusammenhang, sobald die begangene Handlung in den allgemeinen Rahmen seiner Tätigkeiten falle (E. 4.2).
Diese Fälle unerlaubter Handlungen, welche die vertragliche Haftung der Bank auslösen würden, seien von den Fällen zu unterscheiden, in denen die Bank Einzahlungen oder Überweisungen vom Konto des Kunden an einen Dritten vornehme, weil sie die fehlende Legitimation des Auftraggebers oder das Vorhandensein einer Fälschung nicht erkannt hätte. Gemäss der Rechtsprechung gehörten Legitimationsmängel oder nicht entdeckte Fälschungen ebenso wie die Insolvenz des Kunden zu den Risiken, die dem Bankgeschäft innewohnen (s. hierzu bereits einen früheren Beitrag). Es handle sich hierbei um Ausnahmen von der allgemeinen Regelung der vertraglichen Haftung in Art. 398 Abs. 2 und Art. 97 ff. OR. Vorbehalten blieben im Übrigen der Fall, dass die Parteien in analoger Anwendung von Art. 100 und Art. 101 Abs. 3 OR eine Risikotransferklausel vereinbart hätten, wonach das Risiko von der Bank auf den Kunden übergehe, sofern die Bank nicht grob fahrlässig gehandelt habe (E. 4.3).
Vorliegend haben der Bankangestellte die strittigen zwölf Transaktionen ohne Anweisungen und ohne Zustimmung des Kunden durchgeführt. Es handle sich somit nicht um Einzahlungen oder Überweisungen, welche die Bank tätigte, weil sie die fehlende Vollmacht des Auftraggebers oder das Vorliegen einer Fälschung nicht erkannt hätte, sondern um eine Verletzung der Sorgfalts- und Treuepflicht durch die Bank, welche durch eine ihrer Hilfspersonen begangen worden sei. Damit verfüge der klagende Kunde nicht über eine Leistungsklage, sondern über eine Haftungsklage im Sinne von Art. 398 Abs. 2 OR in Verbindung mit Art. 101 OR (E. 4.4).
Fehlerhafte Feststellung des Schadens (Verstoss gegen Art. 55 ZPO, Art. 8 ZGB und Art. 42 OR): Angesichts der vorstehenden Erwägungen konnte sich der Bankkunde vorliegend nicht, wie bei einer Leistungsklage, damit begnügen, die Rückerstattung der Beträge zu verlangen, die er selbst (oder Dritte) auf sein Konto eingezahlt hätten. Vielmehr müsse er, so dass Bundesgericht, seinen Schaden im Sinne der Differenztheorie nachweisen (E. 5.1).
Mit Bezug auf die Transaktion in Pfund Sterling hielt das Bundesgericht fest, dass seitens der Vorinstanz — da diese zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass eine Leistungsklage vorliege und der Bankkunde keinen Schaden nachweisen müsse — keine Tatsachenfeststellungen festgestellt worden wären. Entsprechend könne, so das Bundesgericht, über diese Transaktion nicht entschieden werden, sondern die Sache müsse in diesem Punkt an das kantonale Gericht zurückverwiesen werden (E. 5.2.1).
Hinsichtlich der elf stritten Euro-Transaktionen hatte der Bankkunde indessen nicht nur auf Erfüllung geklagt, sonder hilfsweise auch den Ersatz des Schadens geltend gemacht, der ihm durch die Nichterfüllung des Vertrags entstanden sei. Die diesbezüglichen Rügen der Beschwerdeführerin wies das Bundesgericht allesamt als unbegründet ab. Da die kantonalen Gerichte den Schaden gemäss Art. 42 Abs. 1 OR für jede Transaktion genau berechnet hatten, war insbesondere die Rüge der Verletzung von Art. 42 Abs. 2 OR gegenstandslos (E. 5.2.2).
Mitverschulden des Kunden zu Unrecht verneint: Das Bundesgericht erinnerte zunächst an seine Rechtsprechung, wonach das Mitverschulden des Geschädigten den adäquaten Kausalzusammenhang unterbrechen oder den ihm zustehenden Schadenersatz mindern könne (E. 6.1).
Die Beschwerdeführerin machte als Mitverschulden zunächst geltend, dass der Bankkunde seine banklagernden Unterlagen nicht eingesehen habe und sich mit den vom Bankangestellten vorbereiteten Zusammenfassungen begnügt hätte (E. 6.2). Das Kantonsgericht erwog diesbezüglich, dass sich die Bank nicht auf die Restbank- und Reklamationsklauseln sowie deren Empfangs- und Annahmefiktionen berufen konnte, ohne ihr Recht zu missbrauchen, da der Bankangestellter die banklagernde Klausel und das Vertrauen des Kunden ausgenutzt habe, um zu dessen Nachteil zu handeln, und da der Kunde keinen Grund gehabt habe, damit zu rechnen, dass seine banklagernde Post ungewöhnliche Elemente enthalten würde, da die Bankbeziehung vom Typ execution only sei. Zudem erwog das Kantonsgericht, dass sich die beklagte Bank angesichts der Fehler des Bankangestellten und der Versäumnisse der Bank bei der Überwachung ihrer Mitarbeiter und der Verwaltung der Kundendossiers nicht auf eine mangelnde Sorgfalt des Kunden bei der Einsicht in seine Bankkorrespondenz berufen könne. Schliesslich könne, so das Kantonsgericht, dem Kunden nicht vorgeworfen werden, nicht auf die Lektüre gefälschter Kontoauszüge reagiert zu haben, da er keinen Grund gehabt habe, die Erklärungen, die ihm der Bankangestellte gegeben habe, in Frage zu stellen (E. 6.2.1). Vor Bundesgericht drang die Bank mittels der von ihr erhobenen Willkürrüge nicht durch (E. 6.2.2).
Sodann sah die Bank ein Mitverschulden des Bankkunden darin, dass er im Jahr 2007 den Kauf von Fonds-Anteilen, der ohne seine Genehmigung erfolgt wäre, entdeckt hätte, und dass jede vernünftige Person in der gleichen Situation hätte prüfen wollen, ob weitere Transaktionen ohne seine Genehmigung erfolgt wären (E. 6.3). Diesbezüglich kam das Bundesgericht zum Schluss, dass das Genfer Kantonsgericht einerseits zum Schluss gekommen sei, dass der Kunde von den Investitionen in diesen Fonds durch den Bankangestellten ohne Anweisungen wusste, und daher seinen Anspruch für diese Investition zurückweise, es jedoch andererseits festhalte, dass der Kunde keinen Grund gehabt hätte, zu erwarten, dass seine banklagernde Post so ungewöhnliche Elemente enthalten würde, da die Bankbeziehung vom Typ “execution only” war. Indem es das Mitverschulden des Bankkunden mit dieser Begründung ausschliesse, verfalle das Kantonsgericht in Willkür. Aus dem Sachverhalt gehe, so das Bundesgericht weiter, hervor, dass in den fraglichen Fonds mehrfach investiert worden wäre. Das Bundesgericht könne jedoch anhand des festgestellten Sachverhalts nicht bestimmen, ab welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen der Bankkunde gewusst habe oder hätte vermuten müssen, dass der Bankangestellte ohne seine Anweisungen Geschäfte tätigte, und zwar nicht nur in diesem Fonds. Entsprechend könne durch das Bundesgericht nicht beurteilt werden, ab wann der Bankkunde hätte reagieren können und müssen, indem er sich direkt bei der Bank erkundigt hätte. Demzufolge stehe nicht fest, welche Betrugsfälle dadurch hätten verhindert werden können. Entsprechend hob das Bundesgericht das angefochtene Urteil auch in diesem Punkt auf (E. 6.3.2).