Den Eurovision Song Contest 2010 hatte Lena Meyer-Landrut für Deutschland gewonnen. Für die Schweiz war Michael von der Heide mit wenig Erfolg angetreten. In der Folge hatte der “Blick” eine Fotomontage veröffentlicht, die den Kopf von von der Heide auf dem Körper von Meyer-Landrut zeigte, mit der Schlagzeile: «Wir wollen auch eine Lena! … aber keine mehr von der Heide». Daraufhin hatte von der Heide erfolgreich gegen Ringier wegen Persönlichkeitsverletzung geklagt. Das BGer schützt nun dieses Urteil.
Zunächst bestätigt das BGer zum Verhältnis zwischen ZGB 28 und UWG 3 lit. a eine differenzierte Umwegthese, nach der eine kumulative Anwendung von ZGB 28 ff. und des UWG im Grundsatz zulässig ist:
[…] Insofern sind die Art. 28 ff. ZGB subsidiärer Natur. Dabei hat das Bundesgericht immer wieder betont, dass der allgemeine Persönlichkeitsschutz nicht dazu dienen kann, einen in einem Spezialgesetz nicht gewährten Leistungsschutz zu ermöglichen. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, die Art. 28 ff. ZGB seien nur anwendbar, wenn kein Spezialgesetz zur Anwendung gelange. […] Entscheidend ist nur, dass mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht ein Leistungsschutz begründet werden kann, den der Gesetzgeber in einem spezielleren Erlass ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen hat. Der Umstand, dass eine konkrete Persönlichkeitsverletzung auch wettbewerbsrechtlich relevant sein kann, hindert noch nicht, dass aufgrund von Art. 28a ZGB geklagt wird […]. Der allgemeine Persönlichkeitsschutz und die Sonderregelung im UWG schliessen sich insoweit gegenseitig nicht aus. […]
Sodann bejaht das BGer eine Ehrverletzung insbesondere aufgrund der Homosexualität des Sängers:
Entgegen […] kann “eine sexuell
herabsetzende Konnotation” […] der Fotomontage mit den
kantonalen Gerichten nicht verneint werden. Aus der Sicht des Durchschnittsbetrachters wird nicht bloss irgendein Männerkopf auf irgendeinen Frauenkörper, sondern der Kopf des Klägers als bekennenden Homosexuellen passgenau auf den Körper der als fesch und attraktiv abgebildeten [Meyer-Landrut] gesetzt. Der Kläger wird damit in der Wahrnehmung des Durchschnittsbetrachters als das abgebildet, was salopp und auch abwertend unter dem Begriff “Tunte” verstanden werden kann […]. Die Fotomontage mit der dazugehörigen Schlagzeile verletzt
den Kläger aus den dargelegten Gründen in seiner Ehre […]. Es liegt […] kein leichter Fall
vor, wie er im gesellschaftlichen Umgang laufend und oft ohne böse
Absicht vorkommt. Die Ehrenrührigkeit der Darstellung erreicht die
geforderte Intensität der Verletzung in der Persönlichkeit […].
Sodann verneint das BGer klar eine Rechtfertigung durch ein Interesse an Satire
oder ein allgemeines Informationsbedürfnis
der Öffentlichkeit:
[…] Insgesamt bezweckt die Fotomontage mit der dazugehörigen Schlagzeile lediglich ein Verlachen, Verspotten und Verhöhnen des Klägers und seines Misserfolgs. Sie ist blosse Schmähkritik und fällt nicht mehr in den Bereich des Humoristischen, geschweige denn unter den Begriff der Satire […]. Es stellt sich die weitere Frage nach einem öffentlichen Interesse an der Presseäusserung. […] Die Kritik überzieht, ist unnötig verletzend und sprengt den Rahmen des Haltbaren selbst gegenüber einer Person wie dem Kläger, der als Sänger regelmässig in der Öffentlichkeit steht und auftritt. An dieser Art von Presseäusserungen besteht kein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit […].
Eine gewisse Bedeutung für weitere Klagen gegen den Blick und verwandte Blätter könnte die weitere Aussage des BGer haben, dass der Blick
[…] weder Satirezeitschrift noch Witzblatt sein [will]. Ihr Durchschnittsleser erwartet auf der Frontseite in der Regel eher nichts Humoristisches.