5A_330/2022: Überschussverteilung bei alternierender Obhut

Im Urteil 5A_330/2022 vom 27. März 2023 hält das Bun­des­gericht fest, dass bei alternieren­der Obhut mit hälfti­gen Betreu­ungsan­teilen grund­sät­zlich jedem Eltern­teil die Hälfte des auf die Kinder ent­fal­l­en­den Anteil am Fam­i­lienüber­schuss zuste­ht. Das Bun­des­gericht fokussiert für die Über­schussverteilung somit auf die Betreu­ungsan­teile. Dieser Beitrag zeigt auf, dass neben den Betreu­ungsan­teilen zu berück­sichti­gen ist, welch­er Eltern­teil im All­t­ag effek­tiv die aus dem Über­schuss zu begle­ichen­den Aus­la­gen der Kinder übernimmt.

Zusam­men­fas­sung

Im nach­fol­gend besproch­enen Urteil befasste sich das Bun­des­gericht mit der Unter­halts­berech­nung bei alternieren­der Obhut. Die Parteien waren Eltern dreier gemein­samer Kinder, die sie wochen­weise alternierend betreuten. Im Zuge von vor­sor­glichen Mass­nah­men während des Schei­dungsver­fahrens legte die Vorin­stanz die vom Vater an die Mut­ter zu bezahlen­den Kindesun­ter­halts­beiträge fest. Dabei wies die Vorin­stanz den gesamten auf die Kinder ent­fal­l­en­den Anteil am Fam­i­lienüber­schuss der Mut­ter zu. Dies rügte der Vater vor Bundesgericht.

Das Bun­des­gericht hiess die Rüge gut. Es ver­wies auf zwei frühere Bun­des­gericht­surteile, in denen es zusam­menge­fasst fes­thielt, dass bei alternieren­der Obhut mit hälfti­gen Betreu­ungsan­teilen grund­sät­zlich jedem Eltern­teil die Hälfte des Über­schuss­es der Kinder zuste­he. Die Vorin­stanz war von diesem Grund­satz ohne Begrün­dung abgewiesen, so dass die Beschw­erde gutzuheis­sen war. Das Bun­des­gericht hielt fest, im Rück­weisungsver­fahren werde die Vorin­stanz die Abwe­ichung vom Grund­satz der hälfti­gen Teilung begrün­den oder die Über­schussverteilung neu vornehmen müssen (E. 4.2).

Kom­men­tar

In der Lehre herrscht die Ansicht vor, dass der Über­schus­san­teil von Kindern, die alternierend betreut wer­den, den Eltern entsprechend ihren Betreu­ungsan­teilen zuzuweisen ist. Dieser Ansicht ist das Bun­des­gericht impliz­it gefol­gt, wenn es fes­thält, dass bei hälfti­gen Betreu­ungsan­teilen jedem Eltern­teil die Hälfte des auf die Kinder ent­fal­l­en­den Anteil am Fam­i­lienüber­schuss zusteht.

Dass die Betreu­ungsan­teile bei der Verteilung des Über­schuss­es der Kinder auf die Eltern zu beacht­en ist, ist zu Recht unbe­strit­ten. Die nach­fol­gen­den Aus­führun­gen zeigen jedoch, dass die Betreu­ungsan­teile nicht das einzige Kri­teri­um sind, dem bei der Verteilung des Über­schuss­es Beach­tung zu schenken ist. Eben­falls zu berück­sichti­gen ist, welch­er Eltern­teil im All­t­ag effek­tiv die Aus­la­gen übern­immt, die aus dem Über­schuss zu begle­ichen sind.

Anders als bei alleiniger Obhut fall­en bei alternieren­der Obhut bei bei­den Eltern­teilen Aus­la­gen für das Kind an. Daher hat das Gericht bei der Unter­halt­sregelung nicht bloss festzule­gen, welch­er Eltern­teil dem anderen Unter­halts­beiträge bezahlen muss, son­dern es hat auch zu regeln, welch­er Eltern­teil mit dem ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­teln welche Aus­la­gen der Kinder zu deck­en hat. Dies hält das Gericht ide­al­er­weise nicht bloss in der Begrün­dung, son­dern auch im Rechtsspruch fest.

Gewisse aus dem Über­schuss zu bezahlende Aus­la­gen, wie beispiel­sweise Kosten für Aus­flüge oder Ferien, fall­en bei bei­den Eltern­teilen an. Entsprechend hat jed­er Eltern­teil solche Kosten während seinen Betreu­ungszeit­en selb­st zu tra­gen. Andere aus dem Über­schuss zu bezahlende Aus­la­gen, wie beispiel­sweise Aus­la­gen für Aktiv­itäten in einem Sportvere­in oder Musikun­ter­richt, fall­en bloss ein­mal an. Welch­er Eltern­teil diese Aus­la­gen trägt, hat das Gericht festzule­gen. Übern­immt ein Eltern­teil diese Aus­la­gen alleine oder wer­den die Aus­la­gen hälftig unter den Eltern aufgeteilt? Kommt das Gericht zum Schluss, dass ein Eltern­teil diese Aus­la­gen alleine tra­gen soll — sei es aus Prak­tik­a­bil­itäts­grün­den oder um in hochstrit­ti­gen Ver­hält­nis­sen den Aus­tausch zwis­chen den Eltern auf das Notwendi­ge zu beschränken — ist dies bei der Über­schussverteilung zu berück­sichti­gen. Dies­falls muss dem­jeni­gen Eltern­teil, der diese Aus­la­gen zu übernehmen hat, auch bei hälftiger Betreu­ungsan­teilen ein grösser­er Anteil am Über­schuss zugewiesen wer­den als dem anderen Eltern­teil. Dies zeigt: Bei der Verteilung des Über­schuss­es von Kindern, die alternierend betreut wer­den, ist neben den Betreu­ungsan­teilen auch immer zu berück­sichti­gen, wer im All­t­ag effek­tiv welche Aus­la­gen der Kinder trägt.