Im Urteil 5A_117/2021 vom 9.3.2022 hält das Bundesgericht fest, es sei nicht willkürlich, den Barunterhalt eines Kindes zwischen den Eltern unter Berücksichtigung der Betreuungsanteile aufzuteilen, wenn dem nicht obhutsberechtigten Elternteil ein erweitertes Besuchsrecht eingeräumt werde. Die Betreuungsanteile seien zu ermitteln, indem jeder Tag in drei Einheiten unterteilt und für 14 Tage berechnet werde, für wie viele der insgesamt 42 Einheiten jeder Elternteil verantwortlich sei.
Urteilszusammenfassung
Im zu beurteilenden Fall räumten die kantonalen Vorinstanzen dem nicht obhutsberechtigten Beschwerdegegner das Recht ein, die zwei gemeinsamen Kinder jede Woche von Dienstag ab 18:00 Uhr bis Mittwoch um 18:00 Uhr, jedes zweite Wochenende von Freitag ab 18:00 Uhr bis Sonntag um 18:00 Uhr sowie während der Hälfte der Ferienwochen und Feiertage zu betreuen. Damit betreute der Beschwerdegegner die Kinder gemäss Berechnung der Vorinstanzen zu rund 30 %, die Beschwerdeführerin zu rund 70 %. Dies berücksichtigten die Vorinstanzen bei der Aufteilung des Barunterhalts; sie kamen zum Schluss, beide Elternteile seien ungefähr gleichermassen leistungsfähig und verpflichteten den Beschwerdegegner, umgekehrt proportional zu seinem Betreuungsanteil 70 % des Barunterhalts zu tragen. Dagegen wehrte sich die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht. Gemäss Rechtsprechung habe der nicht obhutsberechtigte Elternteil, dem lediglich ein Besuchsrecht zustehe, den gesamten Barunterhalt alleine zu tragen. Aufzuteilen sei der Barunterhalt nur bei alternierender Obhut. Selbst wenn der Unterhalt vorliegend unter den Elternteilen aufzuteilen wäre, sei der gewählte Aufteilungsschlüssel aufgrund des nur geringfügig erweiterten Besuchsrechts willkürlich.
Das Bundesgericht rekapitulierte einleitend seine Rechtsprechung zur Aufteilung des Barunterhalts zwischen den Elternteilen. Hier stelle sich die Frage, ob es prinzipiell unhaltbar, also willkürlich sei, den Barunterhalt unter Berücksichtigung der Betreuungsanteile aufzuteilen, wenn der nicht obhutsberechtigte Elternteil seine Kinder zusätzlich zum üblichen Wochenend- und Ferienbesuchsrecht auch unter der Woche einen Tag betreue. Dazu habe sich das Bundesgericht noch nie geäussert; einige Lehrmeinungen würden in solchen Fällen indes eine Aufteilung des Barunterhalts unter den Elternteilen befürworten. Vor diesem Hintergrund und da kein offensichtlicher Verstoss gegen die Grundsätze zur Aufteilung des Barunterhalts und der Rechtsprechung ersichtlich sei, könne die Lösung der Vorinstanz nicht als willkürlich bezeichnet werden.
Auch der gewählte Aufteilungsschlüssel sei nicht willkürlich. In einem früheren Urteil (BGer 5A_743/2017 vom 22.5.2019 E. 2.2) habe das Bundesgericht festgehalten, der Betreuungsanteil von Schulkindern könne ermittelt werden, indem man jeden Tag in drei Perioden unterteile (Morgen, Schulbeginn bis Schulschluss, Abend) und über 14 Tage berechne, für wie viele der insgesamt 42 Perioden jeder Elternteil verantwortlich sei. Auf den vorliegenden Fall angewandt führe diese Methode zu einem Betreuungsanteil des Beschwerdegegners von 28.5 % und der Beschwerdeführerin von 71.5 %. Dies liege nahe an dem von den Vorinstanzen gewählten Aufteilungsschlüssel, weshalb die Kritik unbegründet sei.
Kommentar
Wo die alleinige Obhut endet und die alternierende Obhut beginnt, ist noch nicht abschliessend geklärt. Die Praxis der kantonalen Gerichte ist uneinheitlich und auch das Bundesgericht hat sich noch nicht zu Prozentzahlen geäussert. Umso zentraler ist, dass sich das Bundesgericht bei der Frage, wie der Barunterhalt zwischen den Elternteilen aufzuteilen ist, nicht an diese Begriffe klammert und ihnen keine Kippschalterfunktion zumisst. Gerichte anderer Kantone hätten vorliegend wohl schon von alternierender Obhut gesprochen; auch das Bundesgericht hat in einem letzten Jahr publizierten Urteil festgehalten, es liege alternierende Obhut vor, wenn ein Elternteil sein Kind auch unter der Woche betreue, anstatt es nur übers Wochenende zu sich auf Besuch zu nehmen (BGer 5A_722/2020 vom 13.7.2021 E. 3.1.2).
Die vom Bundesgericht gewählte Methode zur Berechnung der Betreuungsanteile besticht durch Einfachheit. Im Einzelfall wird die Methode allerdings an der Komplexität der Betreuungsregelung scheitern; in diesen Fällen drängt es sich auf, den Tag in zusätzliche Einheiten zu unterteilen. Grundsätzlich richtig erscheint, dass man bei der Berechnung der Betreuungsanteile auch die Kita‑, Kindergarten- und Schulzeiten berücksichtigt, da der für diese Zeit verantwortliche Elternteil bei Krankheit oder Unfall des Kindes einspringen muss. Allerdings dürfte der Betreuungsaufwand während diesen Zeiten im Regelfall wesentlich geringer sein als zuvor und danach. Es ist daher nicht angemessen, die Betreuungsverantwortung während diesen Zeiten als volle Einheit zu berücksichtigen.