In dem zur amtl. Publ. vorgesehenen Entscheid 4A_127/2012 hatte sich das Bundesgericht mit der Frage zu beschäftigten, inwieweit eine Bank im Rahmen eines Vermögensverwaltungsvertrags Vertriebsvergütungen an den Bankkunden herauszugeben hat.
Dem Entscheid lag verkürzt folgender Sachverhalt zugrunde: Zwischen dem Bankkunden (Kläger) und der Bank bestand ein Vermögensverwaltungsvertrag. Die Bank legte das Vermögen des Kunden zu einem wesentlichen Teil in Anlagefonds und strukturierten Produkte an. Die Anlageprodukte stammten einerseits von mit der Bank verbundenen Konzerngesellschaften, andererseits von externen Anbietern. Als Vertriebsträgerin dieser Anlageprodukte erhielt die Bank die streitgegenständlichen Vergütungen.
Der Kunde verlangte gestützt auf Art. 400 Abs. 1 OR Auskunft und Herausgabe der Zahlungen. Die Bank bestritt eine Offenlegungs- und Herausgabepflicht mit dem Argument, bei den Vergütungen handle es sich um Vertriebsentschädigungen für Eigenleistungen der Bank, die sie den Fondsleitungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Anlagefonds erbracht habe; ein innerer Zusammenhang mit dem Vermögensverwaltungsauftrag des Kunden fehle.
Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage des Kunden ab. Das Obergericht bejahte einen Herausgabeanspruch für Bestandespflegekommissionen, welche die Bank von Drittanbietern erhalten hatte, wies die Klage jedoch ab in Bezug auf Vertriebsentschädigungen, die der Bank von ihren Konzerngesellschaften zugeflossen waren.
Das Bundesgericht bejahte einen Herausgabeanspruch sowohl für Vergütungen seitens von konzernexterner wie konzerninterner Gesellschaften. Der Entscheid ist auf rund 17 Seiten ausführlich begründet. Nachfolgend werden die wesentlichen Erwägungen schlaglichtartig zusammengefasst:
Das Bundesgericht beschäftigte sich zunächst mit der Herausgabepflicht für Bestandespflegekommissionen, die der Bank von konzernfremden Produktanbietern zugeflossen waren und nahm folgende Begriffsbestimmung vor:
4.1 […] Das Entgelt, das die Beklagte als Vertriebsträgerin nach den ins Recht gelegten Verträgen von den Fondsleitungen erhält, besteht einerseits in Kommissionen für die Ausgabe und Rücknahme von Fondsanteilen, die dem Anleger beim Kauf und Verkauf von Fondsanteilen direkt in Rechnung gestellt werden. Andererseits erhält sie als Vergütung einen Teil der von den Fondsleitungen dem Fondsvermögen — und damit indirekt sämtlichen Fondsanlegern — belasteten Verwaltungskommission (Management Fee), die periodisch, meist jährlich, für die Leitung und Verwaltung des Fonds sowie den Vertrieb der Fondsanteile erhoben wird; dieser Teil der Verwaltungskommission, der als Vergütung an Vertriebsträger fliesst, wird als Bestandespflegekommission bezeichnet.[…] Die Beklagte bezieht als Vertriebsträgerin demnach von den
Fondsleitungen, deren Anteile sie vertreibt, eine Vergütung nach
Prozenten der von ihr in den Depots ihrer Kunden lagernden Fondsanteile,
wobei die Vergütung umso höher ausfällt, je grösser der Bestand solcher
Anteile ist.
Weiter qualifizierte das Bundesgericht das Vertragsverhältnis zwischen dem Kunden und der Bank als Vermögensverwaltungsvertrag, auf welchen die auftragsrechtlichen Regeln anwendbar sind. In Bezug auf die Ablieferungspflicht erinnerte das Bundesgericht an den Grundsatz, wonach der Beauftragte durch den Auftrag (abgesehen von einem Honorar) weder gewinnen noch verlieren soll; damit seien alle Vermögenswerte herauszugeben die in einem inneren Zusammenhang zur Austragsaufführung stehen, darunter auch indirekte Vorteile wie Retrozessionen bzw. Rückvergütungen (Verweis auf die Leitentscheide BGE 137 III 393 und 132 III 460).
In E. 5.3 hielt das Bundesgericht fest, dass die Ablieferungspflicht ein zentrales Element der Fremdnützigkeit des Auftrags sei und eine Konkretisierung der Treuepflicht nach Art. 398 Abs. 2 OR darstelle; sie garantiere die Einhaltung der Treuepflicht und stelle insofern eine präventive Massnahme zur Wahrung der Interessen des Auftraggebers dar, indem sie der Gefahr vorbeuge, der Beauftragte könnte sich aufgrund der Zuwendung eines Dritten veranlasst sehen, die Interessen des Auftraggebers nicht ausreichend zu berücksichtigen (BGE 137 III 393 E. 2.3 S. 397).
Wann von einem inneren Zusammenhang auszugehen ist, könne nicht für alle Auftragsverhältnisse ein für allemal umschrieben werden; massgebender Gesichtspunkt seien jedoch der Grundsatz, dass der Beauftragte (abgesehen vom Honorar) weder gewinnen noch verlieren soll sowie die angestrebte Vorbeugung von Interessenkonflikten. Bei Zuwendungen Dritter sei ein innerer Zusammenhang bereits dann zu bejahen, wenn die Gefahr besteht, der Beauftragte könnte sich dadurch veranlasst sehen, die Interessen des Auftraggebers nicht ausreichend zu berücksichtigen [Verweis auf Lehre]. Nicht erforderlich ist im Hinblick auf die Herausgabepflicht demgegenüber, dass er sich tatsächlich pflichtwidrig verhält oder der Auftraggeber einen konkreten Nachteil erleidet [Verweis auf Lehre].
Weiter hielt das Bundesgericht fest, Art. 400 Abs. 1 OR sei auf sämtliche Auftragsverhältnisse anwendbar, d.h. sowohl auf externe Vermögensverwalter wie auch auf eine vermögensverwaltende Bank. Auch komme es nicht darauf an, ob die Rückvergütungen aus von beim auftraggebenden Kunden direkt erhobenen Gebühren stammen oder aus der Verwaltungskommission, die dem Fondsvermögen belastet wird (E. 5.4.).
Im vorliegenden Fall kam das Bundesgericht zum Schluss, die Bank habe sich in einem Ziel- bzw. Interessenkonflikt befunden:
5.6 […] Der mit der Vergütung für die erfolgreiche Platzierung der fraglichen Finanzprodukte verbundene Anreiz, diese im Rahmen des bestehenden Vermögensverwaltungsmandats einzusetzen, steht im Zielkonflikt mit der Verpflichtung der [Bank] zur umfassenden Interessewahrung gegenüber dem [Kunden]. […] Der mit der Bestandespflegekommission einhergehende Interessenkonflikt ist nicht zu übersehen, besteht doch ein Anreiz der Bank, durch eigene Entscheidung einen Bestand bestimmter Anlageprodukte zu begründen, zu erhalten oder zu erhöhen, auch wenn dies möglicherweise nicht durch die Interessen des Kunden gerechtfertigt ist [Verweis auf Lehrmeinungen]. Damit stehen die vereinnahmten Vergütungen in einem inneren Zusammenhang mit der Auftragsausführung durch die [Bank].
Den Einwand der Bank, mit den Bestandespflegekommissionen würden neben ihrer “Platzierungskraft” auch “verschiedenartige, genuine Vertriebsleistungen ausgerichtet”, liess das Bundesgericht nicht zu: Der beschriebene Interessenkonflikt bestehe auch dann, wenn mit der Vergütung allfällig entstandener Aufwand für den Produktvertrieb mitentschädigt werde. Anders zu beurteilen wäre gegebenenfalls eine andere Form des Entgelts des Vertriebsträgers, welche den Vertriebsaufwand konkret entschädigt (z.B. Abgabe von Marketing und rechtlichen Dokumenten, Abklärungspflichten in Bezug auf Geldwäschereivorschriften u.ä.); eine derartige Entschädigung stehe vorliegend indes nicht zur Diskussion (E. 5.7).
Ebenso verwarf das Bundesgericht den Einwand der Bank, die kollektivanlagerechtliche Regelung der Vertriebsentschädigung gehe Art. 400 OR vor und begründe ein aufsichtsrechtliches Verbot der Weiterleitungen solcher Verfügungen an den Endkunden. Das Bundesgericht zeigte sich bezüglich des behaupteten aufsichtsrechtlichen Verbots kritisch, liess die Frage jedoch offen, zumal auch ein solches Verbot nichts am Herausgabeanspruch des Kunden ändere.
Diesbezüglich wies das Bundesgericht darauf hin, die Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR sei nicht zwingend, vielmehr könne der Kunde auf die Ablieferung verzichten (Verweis auf BGE 137 III 393 E. 2.2 S. 396; 132 III 460 E. 4.2 S. 465). Der Bank sei es somit möglich gewesen, ihre Verträge so auszugestalten, dass sie sowohl ihren behaupteten aufsichtsrechtlichen Vorgaben wie auch ihren vertraglichen Verpflichtungen genügen konnte (ausführlich E. 5.8.2).
Schliesslich setzte sich das Bundesgericht mit dem Eventualstandpunkt der Bank auseinander, wonach der Kunde auf Ablieferung der Vertriebsentschädigung verzichtet habe, verneinte einen rechtsgenügenden Verzicht indes (ausführlich E. 6).
Das Bundesgericht kam zum Schluss, der Kunde habe Anspruch auf Herausgabe er Bestandespflegekommissionen welche die Bank von konzernfremden Produktanbietern erhalten hat.
Zur Beschwerde des Klägers/Kunden (4A_141/2012):
Im Rahmen der Beschwerde des Kunden prüfte das Bundesgericht, wie es sich mit den Bestandespflegekommissionen verhalte, welche der Bank von ihren Konzerngesellschaften zugeflossen sind.
Das Obergericht hatte erwogen, die die Vertriebsentschädigungen zahlenden Konzerngesellschaften der Bank seien rechtlich selbständige Gesellschaften mit eigener Rechnungslegung, jedoch befänden sich diese Einheiten unter einer einheitlichen Leitung in einem Konzernverbund, weshalb die zwischen ihnen erfolgten Zahlungen “bei einer konsolidierten Betrachtungsweise als konzernneutral zu werten” seien. Es sei mit der Bank davon auszugehen, dass “in Anlehnung an eine wirtschaftliche Betrachtungsweise” der Kunde dem Konzern gegenüberstehe und konzerninterne Zahlungen für die Bank nicht als wirtschaftlich fremd im Sinne von Art. 400 Abs. 1 OR anzusehen seien, da die Gesellschaften des Konzernverbunds vom gleichen wirtschaftlich Berechtigten gehalten würden. Entsprechend wies die Vorinstanz einen Herausgabeanspruch für der Bank zugeflossene Bestandespflegekommissionen ab, die auf den Einsatz von Anlageprodukten von Konzerngesellschaften zurückzuführen sind.
Das Bundesgericht verwarf die wirtschaftliche Betrachtungsweise des Obergerichts (ausführlich E. 8.2 und 8.3):
8.3 Der pauschale Verweis der Vorinstanz auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise unter Berücksichtigung des Konzernverbunds vermag einen Ausschluss der Herausgabe von Bestandespflegekommissionen, die der Beklagten für den Einsatz von Anlageprodukten von Gesellschaften ihrer Unternehmensgruppe zugeflossen sind, nicht zu begründen. Zunächst leuchtet nicht ein, weshalb Art. 400 Abs. 1 OR von vornherein keine Anwendung auf konzernintern bezahlte Vertriebsentschädigungen finden soll. Die Schweiz kennt kein systematisch kodifiziertes Konzernrecht; der Konzern wird von der Rechtsordnung nur punktuell erfasst und geregelt [Verweis auf Lehre]. Art. 663e Abs. 1 OR enthält zwar im Hinblick auf die zu erstellende Konzernrechnung eine gesetzliche Definition des Konzerns; diesem kommt jedoch keine eigene Rechtspersönlichkeit zu. Grundsätzlich wird die juristische Selbstständigkeit von Konzerngesellschaften anerkannt; trotz Konzernrechnung hat jede Konzerngesellschaft einzeln für ihre Verbindlichkeiten einzustehen, unabhängig davon, ob diese vertraglich, deliktisch oder durch ungerechtfertigte Bereicherung begründet wurden [Verweis auf Lehre].
Weiter wies das Bundesgericht darauf hin, dass sich zwar aufgrund der Konzernrealität Besonderheiten ergeben können; diese würden sich jedoch nicht zugunsten der Konzerngesellschaft auswirken, sondern dienten im Gegenteil dem Schutz aussenstehender Dritter (ausführlich E. 8.3).
Zusammenfassend kam das Bundesgericht zu folgendem Schluss:
8.3. […] Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kann sich die Beklagte daher gegenüber ihrem Vertragspartner nicht einfach auf die wirtschaftliche Einheit ihres Konzerns berufen und eine Herausgabe von Bestandespflegekommissionen nach Art. 400 Abs. 1 OR für konzerneigene Produkte mit dem Hinweis darauf verweigern, die zahlende Gesellschaft sei mit ihr verbunden. Der Vermögensverwaltungsvertrag besteht zwischen dem Kläger und der Beklagten, nicht etwa mit deren Konzern, dem keine Rechtspersönlichkeit zukommt. Es kann dem Auftraggeber trotz des Konzernverhältnisses nicht verwehrt sein, sich auf die bestehenden rechtlichen Verhältnisse und tatsächlichen Vorgänge zu berufen, an die das Vertragsrecht Rechtsfolgen knüpft. Entsprechend ist bei der Beurteilung der vertraglichen Ansprüche des Klägers nicht unter Hinweis auf die “wirtschaftliche Realität” oder die finanzielle Einheit des Konzerns auszublenden, dass es sich bei den Gesellschaften, die Bestandespflegekommissionen ausgerichtet haben, um rechtlich selbständige juristische Personen handelt [Verweis auf Lehre]. Der Beklagten kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie dafür hält, konzerninterne Zahlungen könnten keine herausgabepflichtigen Leistungen eines Dritten darstellen. […]
Als entscheidend erachtete das Bundesgericht auch hier, ob mit der Entrichtung von Bestandespflegekommissionen die Gefahr eines Interessenkonflikts verbunden ist (ausführlich E. 8.4, 8.5):
8.5 Ein Interessenkonflikt der vermögensverwaltenden Bank besteht bei Bestandespflegekommissionen unabhängig davon, ob sie von einer konzernfremden oder einer verbundenen Gesellschaft ausgerichtet werden. Fällt eine Bank — wie vorliegend die Beklagte — im Rahmen eines Vermögensverwaltungsmandats Anlageentscheide für den Kunden und verdient sie bei deren Platzierung mittels Bestandespflegekommissionen an den von ihr selbst getätigten Anlagen mit, sind die Kundeninteressen gefährdet. Es besteht auch beim Einsatz konzerneigener Anlageprodukte die Gefahr, dass die Bank ihre Verwaltungstätigkeit nicht im Interesse des Auftraggebers ausübt, sondern zumindest auch in ihrem eigenen Interesse, zusätzliche Entschädigungen zu erhalten [Verweis auf ein Urteil des deutschen BGH sowie deutsche Lehrmeinungen]. Die Problematik des Interessenkonflikts stellt sich bei konzerneigenen Produkten eher noch verschärft, indem ein besonderer Anreiz der Bank besteht, die Anlagen mit Blick auf die Bestandespflegekommission auszurichten, da sie mit der Wahl eines konzerneigenen Produkts nicht nur selbst eine Zuwendung erhält, sondern gleichzeitig eine andere Konzerngesellschaft mit dem Produkt verbundene Gebühren vereinnahmt […].
Insgesamt kam das Bundesgericht zum Schluss, die Bank habe nicht nur bei den
Anlageprodukten konzernfremder Dritter, sondern auch bei konzerneigenen
Produkten einen Anreiz gehabt, ihre Verwaltungstätigkeit an den damit
verbundenen Vergütungen auszurichten und gerade solche Anlagen zu
tätigen und zu halten, auch wenn dies durch die Interessen des Kunden
möglicherweise nicht gerechtfertigt war. Der Interessenkonflikt der Bank
sei daher nicht von der Hand zu weisen.
Entgegen dem angefochtenen Entscheid sind demnach Bestandespflegekommissionen, die der Beklagten für Produkte von Konzerngesellschaften zugeflossen sind, im Hinblick auf die Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR nicht anders zu behandeln als die entsprechenden Zahlungen konzernfremder Gesellschaften.