4A_295/2012 (amtl. Publ.): Beweislast bezüglich Selbsteintritt des Kommissionärs (Bank)

Im Entscheid 4A_295/2012 hat­te das Bun­des­gericht die Frage der Beweis­lastverteilung bezüglich Selb­stein­tritt beim Kom­mis­sionsver­trag zu beurteilen.

Dem Entscheid lag verkürzt fol­gen­der Sachver­halt zugrunde: Ein Bankkunde kaufte im Juni 1996 von sein­er Bank* Aktien ein­er Gesellschaft* zum Preis von je CHF 9.25 bzw. ins­ge­samt CHF 42’120. Rund ein halbes Jahr später wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet.

Der Bankkunde klagte gegen die Bank auf Zahlung der CHF 42’120. Das Bezirks­gericht Hin­wil und das Oberg­ericht des Kan­tons Zürich wiesen die Klage ab. Das Oberg­ericht hielt dabei fest, bei einem Verkauf der Aktien aus Eigenbestän­den der Bank wäre von ein­er Treuwidrigkeit und damit einem Ver­stoss gegen Art. 398 Abs. 2 OR auszuge­hen; der dem kla­gen­den Kun­den aufer­legte Beweis ein­er Liefer­ung aus Eigenbestän­den hielt es aber nicht für erbracht.

Das Bun­des­gericht kam bezüglich Beweis­lastverteilung zum gegen­teili­gen Schluss: 

3.3 Nach Art. 8 ZGB
hat, wo das Gesetz es nicht anders bes­timmt, der­jenige das
Vorhan­den­sein ein­er behaupteten Tat­sache zu beweisen, der aus ihr Rechte
ableit­et. Beim Kom­mis­sionsver­trag wird die Beweis­last­grun­dregel des Art. 8 ZGB
durch eine geset­zliche Ver­mu­tung ergänzt: Bei Kom­mis­sio­nen zum Einkauf
von Wert­pa­pieren, die einen Börsen­preis haben, ist die Kommissionärin,
wenn der Kom­mit­tent nicht etwas anderes bes­timmt hat, befugt, die
Wert­pa­piere, die sie einkaufen soll, als Verkäuferin selb­st zu liefern (Art. 436 Abs. 1 OR).
Meldet die Kom­mis­sionärin in den Fällen, wo der Ein­tritt als
Eigen­händ­lerin zuge­s­tanden ist, die Aus­führung des Auf­trages, ohne eine
andere Per­son als Verkäuferin namhaft zu machen, so ist anzunehmen, dass
sie selb­st die Verpflich­tung ein­er Verkäuferin auf sich genom­men habe (Art. 437 OR).

Weit­er erwäh­nte das Bun­des­gericht die in der Lehre anzutr­e­f­fende Unter­schei­dung zwis­chen sog. echtem und unechtem Selb­stein­tritt, hielt jedoch fest, der Geset­zeswort­laut von Art. 437 OR biete für eine solche Unter­schei­dung keine Stütze und liess die Frage aus­drück­lich offen (E. 3.5.1 ff.).

Ange­wandt auf den vor­liegen­den Fall kam das Bun­des­gericht zu fol­gen­dem Schluss:

Indem sich die [Bank] in ihrer Wertschriftenabrechnung
bezüglich der Aus­führung des Auf­trages als Selb­stkon­tra­hentin
beze­ich­nete, ohne eine andere Per­son als Verkäuferin zu nen­nen, löste
sie die Ver­mu­tung aus,
sie habe als Kom­mis­sionärin im Sinne von Art. 437
i.V.m. 436 Abs. 1 OR von der Befug­nis Gebrauch gemacht, auf den Einkauf
der Aktien, die sie einkaufen sollte, bei einem Drit­ten zu verzichten,
weil sie entsprechende Wert­pa­piere bere­its in ihrem Eigen­tum hatte
([Ver­weis auf Lehre]. Die Ver­mu­tung ist wider­leg­bar ([Ver­weis auf Lehre]); die Beweis­last der Wider­legung durch Nach­weis eines Börsenkaufs
trägt aber die [Bank] als Kom­mis­sionärin
([Ver­weis auf Lehre]).

Das Bun­des­gericht hob den oberg­erichtlichen Entscheid auf und wies die Sache an die Vorin­stanz zur Neubeurteilung unter Berück­sich­ti­gung der kor­rek­ten Beweis­lastverteilung zurück. 

*) Hin­weis: Gemäss einem Artikel in der NZZ han­delt es sich bei der Gesellschaft um die Biber Hold­ing AG und bei der Bank um die sein­erzeit­ige SKA bzw. heutige Cred­it Suisse.