WEKO publiziert Verfügungen in Sachen Wettbewerbsabreden im Hoch- und Tiefbau im Kanton Aargau

Die Wet­tbe­werb­skom­mis­sion (WEKO) hat in Sachen Wet­tbe­werb­sabre­den im Hoch- und Tief­bau im Kan­ton Aar­gau die Ver­fü­gung vom 16. Dezem­ber 2011 sowie die Zwis­chen­ver­fü­gung vom 10. August 2011 publiziert.

Mit Ver­fü­gung vom 16. De­zem­ber 2011 hat die WE­KO 17 im Kan­ton Aar­gau im Bau­ge­wer­be tä­ti­gen Un­ter­neh­men wegen der Beteili­gung an un­zu­läs­si­gen Sub­mis­si­ons­ab­spra­chen über Prei­se und die Auf­tei­lung von Märk­ten Geld­bussen aufer­legt. Die Sum­me der Geld­bus­sen be­läuft sich auf rund CHF 4 Mio (siehe unseren Bericht). Gemäss Hin­weis auf dem Deck­blatt der Ver­fü­gung haben ins­ge­samt 10 Ver­fü­gungsadres­sat­en Beschw­erde beim Bun­desver­wal­tungs­gericht ein­gere­icht, darunter auch die Adres­satin­nen der Zwischenverfügung.
Die Zwis­chen­ver­fü­gung vom 10. August 2011 befasst sich mit dem Recht der Ver­fahrens­beteiligten auf Aktenein­sicht im Zusam­men­hang mit Selb­stanzeigen bei der Inanspruch­nahme der Bonus­regelung. Sie geht auf ein entsprechen­des Gesuch der ERNE Hold­ing AG Laufen­burg, ERNE AG Bau­un­ternehmung sowie Gebr. Meier AG Rohrleitungs­bau zurück.
Das Sekre­tari­at hat­te den von der Unter­suchung betrof­fe­nen Bau­un­ternehmen am 7. Juni 2011 den Ver­fü­gungsantrag zur Stel­lung­nahme ver­sandt, inklu­sive der dem Antrag zugrunde liegen­den Akten­stücke. Dabei hat es fest­ge­hal­ten, dass ein kleiner­er Teil der Akten­stücke, wobei es sich fast auss­chliesslich um die im Rah­men der Bonus­regelung ein­gere­icht­en Selb­stanzeigen han­delte, jedoch nur “vor Ort” ein­se­hbar sei und ins­beson­dere nicht kopiert wer­den dürfe. Später präzisierte das Sekre­tari­at dann allerd­ings, dass “Abschreiben oder auf Ton­band sprechen” erlaubt sei. Die drei genan­nten Unternehmen haben gegen diese Beschränkung des Rechts auf Aktenein­sicht opponiert und das Sekre­tari­at der WEKO ersucht, die erwäh­n­ten Selb­stanzeigen kopieren zu dür­fen oder aber eine anfecht­bare Ver­fü­gung zu erlassen. Mit Zwis­chen­ver­fü­gung vom 10. August 2011 hat die WEKO das Gesuch um (erweit­erte) Aktenein­sicht abgewiesen.
In der Zwis­chen­ver­fü­gung betont die WEKO die Notwendigkeit, den Diskre­tion­san­liegen eines Selb­stanzeigers Rech­nung zu tragen:

(Rz. 22) Eine Selb­stanzeige stellt für ein Unternehmen einen grossen Schritt dar und zwingt es, die Vor- und Nachteile ein­er Koop­er­a­tion abzuwä­gen. Ein wichtiges Inter­esse stellt dabei der diskrete Umgang der Wet­tbe­werb­s­be­hör­den mit den frei­willig offen gelegten Infor­ma­tio­nen dar. Die Diskre­tion­san­liegen der Unternehmen betr­e­f­fen die Weit­er­gabe von Infor­ma­tio­nen an Behör­den und Gerichte, Retor­sion­s­mass­nah­men der Branche und zivile Schaden­er­satzprozesse [i.e. die Spät­fol­gen des Kartel­lver­fahrens]. Die Möglichkeit von Fol­ge­prozessen scheint für die Unternehmen die grössten Unsicher­heit­en zu bergen, sodass davon auch die grösste Gefahr für den Anreiz zur Koop­er­a­tion aus­ge­hen dürfte.

(Rz. 24) Um dem mit der Ein­führung der Bonus­regel ver­bun­de­nen Zweck der Erhöhung der Aufdeck­ungswahrschein­lichkeit von Kartellen gerecht zu wer­den, erscheint es deshalb als zuläs­sig, den genan­nten Unsicher­heit­en mit einem für die Selb­stanzeiger scho­nungsvollen Umgang mit den von ihnen frei­willig offen­gelegten Infor­ma­tio­nen und Unter­la­gen zu begeg­nen. Diesen Schutz auch den zusät­zlich zu Beweisaus­sagen ein­gere­icht­en Beweis­mit­teln zukom­men zu lassen, wird durch deren Wichtigkeit für die Bewe­is­führung gerecht­fer­tigt. Es sind deshalb Anreize zu schaf­fen, dass Unternehmen ihre Aus­sagen mit vorhan­de­nen Beweis­mit­teln belegen.

Die Anreizwirkung der Bonus­regel hänge wesentlich von der Berechen­barkeit der Fol­gen ein­er Koop­er­a­tion ab, was ein­er­seits die Sank­tion­sre­duk­tion, ander­er­seits die erwäh­n­ten Spät­fol­gen des Kartel­lver­fahrens betr­e­ffe. Im Kern gehe es dem Sekre­tari­at deshalb darum, Ver­trauen zu schaf­fen. Die Selb­stanzeiger sollen sich darauf ver­lassen kön­nen, dass die von ihnen ein­gere­icht­en Unter­la­gen nur ein­er eingeschränk­ten Aktenein­sicht unter­liegen. Zusam­men­fassend hält die WEKO fest:

(Rz. 40) Das Recht auf Aktenein­sicht stellt einen ver­fas­sungsmäs­si­gen Anspruch dar, der durch die Art. 26 ff. VwVG konkretisiert wird. Gemäss Art. 26 Abs. 1 VwVG kön­nen Akten am Sitz der Behörde einge­se­hen wer­den. Das Aktenein­sicht­srecht kann auf­grund von über­wiegen­den öffentlichen oder pri­vat­en Inter­essen ver­weigert bzw. eingeschränkt wer­den (Art. 27 Abs. 1 VwVG). Gren­ze bildet dabei die Sich­er­stel­lung ein­er wirk­samen Vertei­di­gung der Parteien, die durch die Selb­stanzeigen belastet wer­den. Im vor­liegen­den Fall wird Ein­sicht in sämtliche Ver­fahren­sak­ten gewährt. Ein Teil dieser Akten ist jedoch nur vor Ort ein­se­hbar und darf nicht kopiert wer­den. Grund­lage dieser Ein­schränkung bildet die Inter­essen­ab­wä­gung im konkreten Fall. Die abzuwä­gen­den Inter­essen beste­hen ein­er­seits aus den genan­nten öffentlichen Inter­essen für das Funk­tion­ieren der Bonus­regelung und den pri­vat­en Inter­essen der Selb­stanzeigerin­nen. Ander­er­seits ist der Mehraufwand der Gesuch­stel­lerin­nen in die Waagschale zu leg­en. Die erst­ge­nan­nten Inter­essen wer­den höher gewichtet. Die wirk­same Vertei­di­gung der Gesuch­stel­lerin­nen wird dadurch nicht in Frage gestellt. Daraus ergibt sich, dass eine Beschränkung der Kopier­möglichkeit­en der genan­nten Akten den ver­fas­sungsmäs­si­gen und geset­zlichen Anforderun­gen gemäss VwVG gerecht wird.

Die WEKO ver­wies im übri­gen darauf, dass das beschriebene Vorge­hen seit der Ein­führung des Bonus­regelung per 1. April 2004 kon­stante Prax­is des Sekre­tari­ates darstelle. Diese Prax­is sei nun erst­mals ange­focht­en worden.