Die Wettbewerbskommission (WEKO) hat in Sachen Wettbewerbsabreden im Hoch- und Tiefbau im Kanton Aargau die Verfügung vom 16. Dezember 2011 sowie die Zwischenverfügung vom 10. August 2011 publiziert.
(Rz. 22) Eine Selbstanzeige stellt für ein Unternehmen einen grossen Schritt dar und zwingt es, die Vor- und Nachteile einer Kooperation abzuwägen. Ein wichtiges Interesse stellt dabei der diskrete Umgang der Wettbewerbsbehörden mit den freiwillig offen gelegten Informationen dar. Die Diskretionsanliegen der Unternehmen betreffen die Weitergabe von Informationen an Behörden und Gerichte, Retorsionsmassnahmen der Branche und zivile Schadenersatzprozesse [i.e. die Spätfolgen des Kartellverfahrens]. Die Möglichkeit von Folgeprozessen scheint für die Unternehmen die grössten Unsicherheiten zu bergen, sodass davon auch die grösste Gefahr für den Anreiz zur Kooperation ausgehen dürfte.
(Rz. 24) Um dem mit der Einführung der Bonusregel verbundenen Zweck der Erhöhung der Aufdeckungswahrscheinlichkeit von Kartellen gerecht zu werden, erscheint es deshalb als zulässig, den genannten Unsicherheiten mit einem für die Selbstanzeiger schonungsvollen Umgang mit den von ihnen freiwillig offengelegten Informationen und Unterlagen zu begegnen. Diesen Schutz auch den zusätzlich zu Beweisaussagen eingereichten Beweismitteln zukommen zu lassen, wird durch deren Wichtigkeit für die Beweisführung gerechtfertigt. Es sind deshalb Anreize zu schaffen, dass Unternehmen ihre Aussagen mit vorhandenen Beweismitteln belegen.
(Rz. 40) Das Recht auf Akteneinsicht stellt einen verfassungsmässigen Anspruch dar, der durch die Art. 26 ff. VwVG konkretisiert wird. Gemäss Art. 26 Abs. 1 VwVG können Akten am Sitz der Behörde eingesehen werden. Das Akteneinsichtsrecht kann aufgrund von überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen verweigert bzw. eingeschränkt werden (Art. 27 Abs. 1 VwVG). Grenze bildet dabei die Sicherstellung einer wirksamen Verteidigung der Parteien, die durch die Selbstanzeigen belastet werden. Im vorliegenden Fall wird Einsicht in sämtliche Verfahrensakten gewährt. Ein Teil dieser Akten ist jedoch nur vor Ort einsehbar und darf nicht kopiert werden. Grundlage dieser Einschränkung bildet die Interessenabwägung im konkreten Fall. Die abzuwägenden Interessen bestehen einerseits aus den genannten öffentlichen Interessen für das Funktionieren der Bonusregelung und den privaten Interessen der Selbstanzeigerinnen. Andererseits ist der Mehraufwand der Gesuchstellerinnen in die Waagschale zu legen. Die erstgenannten Interessen werden höher gewichtet. Die wirksame Verteidigung der Gesuchstellerinnen wird dadurch nicht in Frage gestellt. Daraus ergibt sich, dass eine Beschränkung der Kopiermöglichkeiten der genannten Akten den verfassungsmässigen und gesetzlichen Anforderungen gemäss VwVG gerecht wird.