In einem Praxisübernahmevertrag hatten die Parteien eine Zahlung in zwei Raten vereinbart, wobei die Zahlung unter der Bedingung stehe, dass sich beide Parteien vertragskonform und “getreu” verhalten. Der Übernehmer der Praxis hatte in der Folge geltend gemacht, Patientendaten seien nicht richtig übergeben worden; der Vertrag sei also verletzt, weshalb die zweite Rate von CHF 340’000 nicht bezahlt werden müsse. Der Kaufpreis betrug insgesamt CHF 690’000.
Das OGer ZH hatte den bedingten Verfall des Kaufpreises als Konventionalstrafe beurteilt und sie — nach Rückweisung durch das Bundesgericht, BGE 135 III 433 — von CHF 690’000 auf CHF 50’000 herabgesetzt (OR 163), weil die Vertragsverletzungen, nämlich die Rückbehaltung von zwölf Patientenkarten und der Entzug einer Zahnarztsoftware für ca. drei Monate — nicht schwer wögen und sich das Schadenspotential in Grenzen gehalten habe.
Das BGer hebt dieses Urteil auf. Zum einen hatte das OGer nicht alle Vertragsverletzungen berücksichtigt und damit die Bindung an den Rückweisungsentscheid verletzt. Zum anderen war die Herabsetzung übermässig, weil die Vertragsverletzungen keineswegs “marginal” waren. Aufgrund der langen Verfahrensdauer verzichtet das BGer indessen auf eine erneute Rückweisung, und setzt die Konventionalstrafe auf CHF 170’000 herab, aus folgenden Gründen:
Gestützt auf den angefochtenen Entscheid steht fest, dass die Übergabe der Praxis alles andere als reibungslos verlief. Vielmehr kam es zu einem Hin und Her bezüglich der Patientenakten. Die unbefugte Mitnahme der nach 8 Tagen […] zurückgebrachten Akten sowie die Entfernung der Datenbank-Software “Apollonia Y.________” wiegen insofern nicht leicht, als der Beschwerdegegner dem eigentlichen Vertragszweck direkt zuwidergehandelt hat. […] Auch mit Bezug auf die Einführung der Patienten ist der Beschwerdegegner seinen vertraglichen Pflichten nicht hinreichend nachgekommen […] Angesichts der von den Parteien für eine Verletzung des Konkurrenzverbots durch Eröffnung einer Zahnarztpraxis im vom Konkurrenzverbot umfassten Gebiet festgesetzten Summe von Fr. 250’000.– ist eine Kürzung der als Wegfall von Forderungen des Beschwerdegegners über insgesamt Fr. 690’000.– vereinbarten Konventionalstrafe zwar offensichtlich angezeigt […], aber keinesfalls in dem von der Vorinstanz angenommenen Ausmass auf nur noch Fr. 50’000.–. Insgesamt kann das Verhalten des Beschwerdegegners nicht als marginal betrachtet werden. Dieses führte dazu, dass der Vertrag in zentralen Punkten, der reibungslosen Übernahme der Praxis und der Einführung der Patienten, nicht eingehalten wurde. Mit Blick auf die gesamten Umstände erscheint eine Konventionalstrafe von Fr. 170’000.– nicht als übermässig. Diese trägt einerseits der Tatsache Rechnung, dass die Beschwerdeführerin nicht das erhalten hat, was der Beschwerdegegner vertraglich zugesichert hat, und dass durch die nicht optimale Übergabe jedenfalls das Risiko einer erhöhten Abwanderung der Patienten bestand. Zudem handelte der Beschwerdegegner mit der Wegnahme von Akten und der Löschung der Datenbank dem Vertragszweck diametral zuwider. Andererseits berücksichtigt die Herabsetzung, dass der Beschwerdegegner keine Abwerbung vornahm, die Beschwerdeführerin trotz der mangelhaften Vertragserfüllung die Praxis übernehmen konnte und dass die Probleme zum Teil zumindest auch mit ihrem eigenen Verhalten zusammenhängen […].
En passant hält das BGer ferner fest, dass der Gläubiger im Herabsetzungsprozess sein Interesse nicht ziffernmässig nachzuweisen habe, denn damit würde OR 161 I umgangen. In BGE 133 III 43 E. 4.1 hatte das BGer dagegen noch festgehalten, vom Gläubiger dürfe eine Bezifferung seines Schadens verlangt werden. Entweder versteht das BGer unter “Interesse” und “Schaden” hier nicht dasselbe, oder es hat seine diesbezügliche Rechtsprechung stillschweigend geändert.