2C_1040/2012: Regeln über die Zustellfiktion sind “vernünftig” zu handhaben

Der Beschw­erde­führer führte betr­e­f­fend ver­schiedene Steuer­jahre Ver­fahren im Kan­ton Zürich. Dem Beschw­erde­führer wur­den ver­schiedentlich Ver­fü­gun­gen mit eingeschrieben­er Post und auch amtlich (d.h. über das Stad­tam­man­namt) zugestellt, die aber von diesem jew­eils nicht abge­holt wurden.

Im Entscheid set­zte sich das BGer mit der Zustell­fik­tion auseinander.

(E. 4.1) Wed­er das DBG noch das StHG regeln die Form der Zustel­lung steuer­lich­er Ver­fü­gun­gen oder Entschei­de. Nach der Recht­sprechung gilt die Zustel­lungs­fik­tion aber auch im Steuer­recht [Zitate]. Diese Recht­sprechung gilt mithin während eines hängi­gen Ver­fahrens, wenn die Ver­fahrens­beteiligten mit der Zustel­lung eines behördlichen oder gerichtlichen Entschei­des oder ein­er Ver­fü­gung mit ein­er gewis­sen Wahrschein­lichkeit rech­nen mussten  [Zitate].
Sowohl die Zustellpflicht der Behör­den wie auch die Emp­fangspflicht des Ver­fahrens­beteiligten sind Pflicht­en prozes­sualer Natur. Diese sind wed­er mit über­trieben­er Strenge noch mit ungerecht­fer­tigtem For­mal­is­mus zu hand­haben: In der Tat set­zt die Zustel­lungs­fik­tion ein hängiges bzw. laufend­es Ver­fahren voraus (“Prozess­rechtsver­hält­nis”, vorne E. 3.2); vom Betrof­fe­nen kann aber nicht erwartet wer­den, dass er bei einem hängi­gen Ver­fahren über Jahre hin­weg in jedem Zeit­punkt erre­ich­bar sein und auch kürzere Ortsab­we­sen­heit­en der Behörde melden muss, um keinen Recht­snachteil zu erlei­den. Bei der Anwen­dung der Regeln über die Zustel­lungs­fik­tion ist daher auch der Ver­fahrens­dauer Rech­nung zu tra­gen. Als Zeitraum, während welch­er die Zustell­fik­tion aufrecht erhal­ten wer­den darf, wer­den in der Lit­er­atur mehrere Monate bis etwa ein Jahr genan­nt; dauert die Untätigkeit der Behörde länger an, kann nach dieser Mei­n­ung die Zustell­fik­tion nicht mehr greifen  [Zitate]. Ein Zeitraum bis zu einem Jahr seit der let­zten ver­fahrens­be­zo­ge­nen Hand­lung erscheint in der Tat noch als vertret­bar. Liegt der let­zte Kon­takt mit der Behörde indessen län­gere Zeit zurück, so kann von ein­er Zustell­fik­tion nicht mehr aus­ge­gan­gen wer­den, son­dern nur noch von ein­er Emp­fangspflicht des am Ver­fahren Beteiligten in dem Sinne, dass dieser für die Behörde erre­ich­bar sein muss. Was vom Ver­fahrens­beteiligten in diesem Fall ver­langt wer­den kann, ist, dass er Adressän­derun­gen und länger dauernde Abwe­sen­heit­en der Behörde meldet. Hinge­gen kann ihm eine Abwe­sen­heit von weni­gen Wochen nicht mehr ent­ge­genge­hal­ten wer­den. Die Regeln über die Zustell­fik­tion sind in diesem Sinne “vernün­ftig” zu hand­haben  [Zitate].

Im Vor­liegen­den Fall war allerd­ings gericht­sno­torisch, dass dem Beschw­erde­führer während Jahren Steuerver­an­la­gun­gen und “behördliche Doku­mente aus dem Gebi­et des Schuld­be­trei­bungs- und Konkursrechts” nicht zugestellt wer­den kon­nten, mit der Folge, dass er sich auf unko­r­rek­te Zustel­lung berief. Sein Ver­hal­ten war gemäss BGer rechtsmiss­bräuch­lich, weshalb sein Ver­hal­ten keinen Rechtss­chutz verdiente.