2C_756/2015: Revidiertes Gemeindegesetz des Kantons Zürich wird vom BGer teilweise aufgehoben (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 3. April 2017 hat­te das BGer die Gele­gen­heit, im Rah­men ein­er abstrak­ten Nor­menkon­trolle zu prüfen, ob einzelne Bes­tim­mungen des total­re­v­i­dierten Gemein­dege­set­zes des Kan­tons Zürich mit über­ge­ord­netem Recht vere­in­bart wer­den kön­nen. Das rev­i­dierte Gemein­dege­setz (GG/ZH 2015) wurde vom Kan­ton­srat am 20. April 2015 beschlossen und soll am 1. Jan­u­ar 2018 in Kraft treten. Die bei­den für den Bun­des­gericht­sentscheid mass­geben­den Bes­tim­mungen des rev­i­dierten Gemein­dege­set­zes laut­en folgendermassen:

§ 3 GG/ZH 2015 “Gliederung und Organisation”

2 Poli­tis­che Gemein­den organ­isieren sich als Ver­samm­lungs­ge­mein­den oder als Par­la­ments­ge­mein­den. Par­la­ments­ge­mein­den nehmen auch die Auf­gaben der Gemein­den im Bere­ich von Schule und Bil­dung wahr.

3 Schul­ge­mein­den organ­isieren sich als Versammlungsgemeinden.

§ 177 GG/ZH 2015 “Auflö­sung von Schul­ge­mein­den im Gebi­et von Parlamentsgemeinden”

Schul­ge­mein­den, die das Gebi­et von Par­la­ments­ge­mein­den ganz oder teil­weise umfassen, lösen sich bis zum Ablauf der näch­sten ordentlichen Amts­dauer nach Inkraft­treten dieses Geset­zes auf.

Vier Ober­stufen­schul­ge­mein­den und sechs poli­tis­che Gemein­den aus dem Kan­ton Zürich beantragten dem BGer, die oben genan­nten Bes­tim­mungen aufzuheben. Das BGer heisst die Beschw­erde gut.

Das BGer prüft zunächst aus­führlich, ob die Schul­ge­mein­den und poli­tis­chen Gemein­den zur Beschw­erde legit­imiert sind (E. 1.3.2. — E. 1.3.7.). Es kommt zum Schluss, dass die Beschw­erde­befug­nis sowohl den Schul­ge­mein­den als auch den poli­tis­chen Gemein­den zukomme, denn die Gemein­den rügten die Ver­let­zung von Garantien, die ihnen von der Kan­tons- oder Bun­desver­fas­sung gewährt wür­den (Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 50 BV; Art. 83–85 Zürcher Kan­tonsver­fas­sung [KV/ZH; Ord­nungs-Nr. 101]).

Sodann unter­sucht das BGer, ob das Ver­fas­sungsrecht des Kan­tons Zürich im stre­it­be­trof­fe­nen Bere­ich Garantien zugun­sten der beschw­erde­führen­den Gemein­den aufstellt:

Im Sinne eines Zwis­ch­en­ergeb­niss­es zeigt sich, dass Art. 84 Abs. 2 KV/ZH eine kan­tonale Garantie zugun­sten der Schul­ge­mein­den gewährt (Art. 189 Abs. 1 lit. e BV): Es liegt in der auss­chliesslichen Zuständigkeit der Stimm­berechtigten der jew­eili­gen Schul­ge­meinde, darüber zu befind­en, ob die Schul­ge­meinde in der bish­eri­gen Form beibehal­ten wer­den, mit ein­er anderen Schul­ge­meinde fusion­ieren oder in der poli­tis­chen Gemeinde aufge­hen soll. Diese Garantie, wie sie sich aus der gewährleis­teten Kan­tonsver­fas­sung ergibt, ste­ht unter dem Schutz der Eidgenossen­schaft. Die Schul­ge­mein­den kön­nen mit Recht rügen, eine die Garantie durchkreuzende Geset­zes­bes­tim­mung halte vor dem über­ge­ord­neten Recht nicht stand (Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG). (E. 2.4.6.)

Schliesslich hält das BGer fest, dass das rev­i­dierte Gemein­dege­setz von jed­er Mitwirkung der Stimm­berechtigten der Schul­ge­mein­den abse­he. Der Wort­laut von § 3 und § 177 GG/ZH 2015 sei in dieser Hin­sicht unzwei­deutig. Dies ergebe auch ein Blick in die Mate­ri­alien. So habe Kan­ton­srat Philipp Kut­ter anlässlich der par­la­men­tarischen Debat­te beispiel­sweise gesagt, dass der alte Zopf abgeschnit­ten wer­den müsse um dadurch die unüber­sichtliche, ver­wirrende und groteske Sit­u­a­tion (Nebeneinan­der von Par­la­ments­ge­mein­den und Ver­samm­lungs­ge­mein­den) zu beseit­i­gen. Eine ver­fas­sungskon­forme Ausle­gung von § 3 und § 177 GG/ZH 2015 sei vor diesem Hin­ter­grund aus­geschlossen. Das rev­i­dierte Geset­zes­recht könne Art. 84 Abs. 2 KV/ZH nicht zurückdrängen.