Das BGer hatte im vorliegenden Urteil im Zusammenhang mit einer Lizenzstreitigkeit zu entscheiden, ob ein von Max Bill gestalteter Barhocker, der “HfG-Barhocker”, urheberrechtlichen Schutz geniesst.
Das HGer St. Gallen als Vorinstanz hatte diese Frage verneint.Das BGer hält zunächst für Sitzmöbel fest:
Erforderlich und hinreichend ist für diesen Schutz [von Sitzmöbeln], dass über eine rein handwerkliche oder industrielle Arbeit hinaus eine individuelle künstlerische Gestaltung erkennbar ist, die sich von den vorbekannten Formen deutlich unterscheidet, was namentlich zutrifft, wenn sich das Möbelstück von bisherigen Stilrichtungen klar abhebt und eine neue Richtung einleitet oder wesentlich mitbestimmt (BGE 113 II 190 E. I.2a S. 197; vgl. auch BGE 134 III 547 E. 2 S. 549).
Das HGer SG hatte dementsprechend gutachterlich geprüft, ob der fragliche Hocker stilprägenden ist, dies aber verneint, weil das Konzept des Barhockers zur Entstehungszeit bereits bekannt gewesen sei (entsprechende Abbildungen finden sich im Urteil).
Das BGer widerspricht zwar nicht dieser Feststellung, rügt aber die vom HGer SG vorgenommene “mosaikartige Betrachtung”:
Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht, die Vorinstanz habe eine unzulässige “mosaikartige” Betrachtung angewandt, indem sie den vorbekannten Formenschatz in einzelne Elemente zergliedert und diese miteinander verglichen habe. Für den urheberrechtlichen Schutz entscheidend ist der künstlerische Eindruck der Formgebung, der nicht die notwendige oder gar ausschliessliche Folge eines einzelnen Bauelementes ist, sondern durch die Gestaltung, Linienführung und das Zusammenwirken aller Elemente bestimmt wird. […].
Sodann habe das HGer SG die Anforderungen an die Werk-Individualität überspannt, indem sie dem Umstand der fehlenden deutlichen Unterscheidung zu den bestehenden Stilrichtungen zu grosse Bedeutung beigemessen habe.
Das BGer prüft in der Folge die Werkeigenschaft des Barhockers, indem es zunächst feststellt, die Gestaltung sei durch den Gebrauchszweck bedingt. Vielmehr seien viele Gestaltungen von Hockern aus Trägern, welche eine Sitzgelegenheit in Höhe von 60–80 cm tragen und um die auf einer Höhe von ca. 20 cm ab Boden eine horizontale Leiste angebracht ist, denkbar. Auch könne die Individualität nicht aus der Erwägung verneint werden, dass eine weitere Reduktion der Formen nicht mehr denkbar sei. Da der Zweck eines Barhockers auch anders erreichen werden könnte, sei der künstlerische Eindruck infolge der minimalistischen Gestaltung gerade nicht funktional bedingt.
Durch die “minimalistische” Ausgestaltung der für einen Barhocker notwendigen Elemente und ihre aufeinander abgestimmte Proportionierung erweckt der HfG-Barhocker einen Gesamteindruck, der ihn als solchen individualisiert und von den vorbekannten Modellen deutlich abhebt. Der urheberrechtliche Schutz kann diesem Werk angewandter Kunst daher nicht versagt werden. Die Beschwerde ist aus diesem Grunde gutzuheissen und die Klage auch in Bezug auf den HfG-Barhocker gutzuheissen.
Das BGer heisst die Beschwerde daher gut.