4A_1155/2017: urheberrechtlicher Schutz für Max Bills Barhocker (amtl. Publ.)

Das BGer hat­te im vor­liegen­den Urteil im Zusam­men­hang mit ein­er Lizen­zstre­it­igkeit zu entschei­den, ob ein von Max Bill gestal­teter Barhock­er, der “HfG-Barhock­er”, urhe­ber­rechtlichen Schutz geniesst.

Bills HfG-Hock­er

Das HGer St. Gallen als Vorin­stanz hat­te diese Frage verneint.Das BGer hält zunächst für Sitzmö­bel fest:

Erforder­lich und hin­re­ichend ist für diesen Schutz [von Sitzmö­beln], dass über eine rein handw­erk­liche oder indus­trielle Arbeit hin­aus eine indi­vidu­elle kün­st­lerische Gestal­tung erkennbar ist, die sich von den vor­bekan­nten For­men deut­lich unter­schei­det, was namentlich zutrifft, wenn sich das Möbel­stück von bish­eri­gen Stil­rich­tun­gen klar abhebt und eine neue Rich­tung ein­leit­et oder wesentlich mitbes­timmt (BGE 113 II 190 E. I.2a S. 197; vgl. auch BGE 134 III 547 E. 2 S. 549).

Das HGer SG hat­te dementsprechend gutachter­lich geprüft, ob der fragliche Hock­er stil­prä­gen­den ist, dies aber verneint, weil das Konzept des Barhock­ers zur Entste­hungszeit bere­its bekan­nt gewe­sen sei (entsprechende Abbil­dun­gen find­en sich im Urteil).
Das BGer wider­spricht zwar nicht dieser Fest­stel­lung, rügt aber die vom HGer SG vorgenommene “mosaikar­tige Betrachtung”:

Die Beschw­erde­führerin rügt zu Recht, die Vorin­stanz habe eine unzuläs­sige “mosaikar­tige” Betra­ch­tung ange­wandt, indem sie den vor­bekan­nten For­men­schatz in einzelne Ele­mente zer­gliedert und diese miteinan­der ver­glichen habe. Für den urhe­ber­rechtlichen Schutz entschei­dend ist der kün­st­lerische Ein­druck der For­mge­bung, der nicht die notwendi­ge oder gar auss­chliessliche Folge eines einzel­nen Bauele­mentes ist, son­dern durch die Gestal­tung, Lin­ien­führung und das Zusam­men­wirken aller Ele­mente bes­timmt wird. […].

Sodann habe das HGer SG die Anforderun­gen an die Werk-Indi­vid­u­al­ität überspan­nt, indem sie dem Umstand der fehlen­den deut­lichen Unter­schei­dung zu den beste­hen­den Stil­rich­tun­gen zu grosse Bedeu­tung beigemessen habe.

Das BGer prüft in der Folge die Werkeigen­schaft des Barhock­ers, indem es zunächst fest­stellt, die Gestal­tung sei durch den Gebrauch­szweck bed­ingt. Vielmehr seien viele Gestal­tun­gen von Hock­ern aus Trägern, welche eine Sitzgele­gen­heit in Höhe von 60–80 cm tra­gen und um die auf ein­er Höhe von ca. 20 cm ab Boden eine hor­i­zon­tale Leiste ange­bracht ist, denkbar. Auch könne die Indi­vid­u­al­ität nicht aus der Erwä­gung verneint wer­den, dass eine weit­ere Reduk­tion der For­men nicht mehr denkbar sei. Da der Zweck eines Barhock­ers auch anders erre­ichen wer­den kön­nte, sei der kün­st­lerische Ein­druck infolge der min­i­mal­is­tis­chen Gestal­tung ger­ade nicht funk­tion­al bedingt. 

Durch die “min­i­mal­is­tis­che” Aus­gestal­tung der für einen Barhock­er notwendi­gen Ele­mente und ihre aufeinan­der abges­timmte Pro­por­tion­ierung erweckt der HfG-Barhock­er einen Gesamtein­druck, der ihn als solchen indi­vid­u­al­isiert und von den vor­bekan­nten Mod­ellen deut­lich abhebt. Der urhe­ber­rechtliche Schutz kann diesem Werk ange­wandter Kun­st daher nicht ver­sagt wer­den. Die Beschw­erde ist aus diesem Grunde gutzuheis­sen und die Klage auch in Bezug auf den HfG-Barhock­er gutzuheissen.

Das BGer heisst die Beschw­erde daher gut.