1C_358/2017: Befriedigende Gesamtwirkung nach § 238 PBG ZH / Äquivalenzprinzip im Abgaberecht (amt. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 5. Sep­tem­ber 2018 set­zte sich das BGer unter anderem mit der Frage auseinan­der, ob ein Baupro­jekt mit dem soge­nan­nten “Ästhetik-Para­grafen” des Pla­nungs- und Bauge­set­zes des Kan­tons Zürich (PBG; Ord­nungsnum­mer 700.1) vere­in­bart wer­den kann. Die A. AG ist Eigen­tümerin der bei­den Bau­grund­stücke KTN 11414 und 12337 in Meilen. Nördlich der bei­den Bau­grund­stücke befind­et sich die L‑förmige und sich nicht für eine Über­bau­ung eignende Parzelle KTN 12338 (vgl. Kataster­auszug unten).

Im Novem­ber 2015 stellte die A. AG ein Bauge­such für die Errich­tung von zwei Mehrfam­i­lien­häusern mit je zwei Vollgeschossen und einem Attik­ageschoss sowie ein­er gemein­samen Tief­garage. Im April 2016 erteilte die Baube­hörde der Gemeinde Meilen den Bauab­schlag. Sie führte im Wesentlichen aus, dass die auf den Bau­grund­stück­en KTN 11414 und 12337 zuläs­sige Aus­nützung um 30 % über­schrit­ten werde, was durch einen Bau­massen­trans­fer von der Parzelle 12338 ermöglicht wer­den solle. Indessen lasse die Baube­hörde in der Regel Nutzungstrans­fers von lediglich 20 % zu, um eine uner­wün­schte Konzen­tra­tion von Bausub­stanz zu ver­hin­dern. In Gutheis­sung eines Rekurs­es der A. AG hob das Bau­rekurs­gericht den Bauab­schlag der kom­mu­nalen Baube­hörde auf. Das Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Zürich wies die dage­gen geführte Beschw­erde ab. In der Folge gelangte die Baube­hörde der Gemeinde Meilen an das BGer, welch­es die Beschw­erde im Kosten­punkt gutheisst, anson­sten jedoch abweist.

Das BGer äussert sich vor­ab zur Kog­ni­tion des Baurekursgerichts:

Die kan­tonalen Gerichte haben sich […] auch dann, wenn sie nach Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG die Angemessen­heit des ange­focht­e­nen Entschei­ds prüfen, Zurück­hal­tung aufzuer­legen, um die Gemein­deau­tonomie gemäss Art. 50 Abs. 1 BV zu respek­tieren […]. Gle­ich­es hat auch bezüglich der Angemessen­heit­sprü­fung gemäss § 20 Abs. 1 VRG zu gel­ten, weshalb das Bau­rekurs­gericht ent­ge­gen der neueren vorin­stan­zlichen Prax­is nicht bere­its von der kom­mu­nalen Anwen­dung von § 238 Abs. 1 PBG abwe­ichen darf, wenn es unter Beach­tung der Argu­mente der Baube­hörde seine abwe­ichende gestal­ter­ische Ein­schätzung begrün­det. Vielmehr darf es den Einord­nungsentscheid der kom­mu­nalen Baube­hörde nur aufheben, wenn diese bei der Anwen­dung von § 238 PBG ihren durch die Gemein­deau­tonomie gewährleis­teten Beurteilungs- und Ermessensspiel­raum über­schrit­ten hat. Dies trifft nicht nur zu, wenn ihr Einord­nungsentscheid sach­lich nicht mehr vertret­bar und damit willkür­lich ist. Da die kom­mu­nale Behörde ihr Ermessen pflicht­gemäss ausüben muss, hat sie dabei vom Sinn und Zweck der anzuwen­den­den Regelung auszuge­hen und neben dem Willkürver­bot auch das Rechts­gle­ich­heits­ge­bot, das Ver­hält­nis­mäs­sigkeit­sprinzip und das über­ge­ord­nete Geset­zes­recht zu beacht­en […]. Eine kom­mu­nale Behörde über­schre­it­et daher den ihr bei der Anwen­dung von § 238 PBG zuste­hen­den Beurteilungs- und Ermessensspiel­raum auch dann, wenn sie sich von unsach­lichen, dem Zweck dieser Regelung frem­den Erwä­gun­gen leit­en lässt oder die Grund­sätze der Rechts­gle­ich­heit und Ver­hält­nis­mäs­sigkeit ver­let­zt […]. (E. 3.6.)

Da die A. AG die L‑förmige Parzelle KTN 12338 zwis­chen­zeitlich erwarb und ein Bau­massen­trans­fer (auf­grund der möglichen Vere­ini­gung mit den bei­den Bau­grund­stück­en) deshalb nicht mehr notwendig ist, prüft das BGer lediglich, ob im vor­liegen­den Fall aus ästhetis­chen Grün­den eine Reduk­tion der grund­sät­zlich zuge­lasse­nen Bau­masse ver­langt wer­den kann. Werde aus ästhetis­chen Grün­den eine Reduk­tion der grund­sät­zlich zuläs­si­gen Bau­masse ver­langt, müsse diese Reduk­tion — so das BGer — durch über­wiegende öffentliche Inter­essen, wie beispiel­sweise den Schutz von denkmalgeschützten Baut­en oder Gebäudekom­plex­en, gerecht­fer­tigt wer­den. Der­ar­tige öffentliche Inter­essen seien vor­liegend nicht ersichtlich, weshalb die Baube­hörde der Gemeinde Meilen mit dem Bauab­schlag ihren Ermessensspiel­raum bei der Beurteilung der befriedi­gen­den Gesamtwirkung nach § 238 Abs. 1 PBG über­schrit­ten habe.

Im Gegen­satz zum Haup­tantrag heisst das BGer den Even­tu­alantrag der Baube­hörde der Gemeinde Meilen gut und reduziert die Gerichts­ge­bühren der Vorin­stanz von CHF 13’000.00 auf CHF 8’000.00. Es hält fest, dass die Gerichts­ge­bühr von CHF 13’000.00 das Äquiv­alen­zprinzip ver­let­ze, weil zwis­chen ihr und dem objek­tiv­en Wert des ange­focht­e­nen Urteils unter Berück­sich­ti­gung der heute in der Schweiz für bau­rechtliche Stre­it­igkeit­en üblicher­weise ver­langten Gebühren ein offen­sichtlich­es Missver­hält­nis bestehe.