1C_312/2014: Der Zürcher Kantonsrat hat die Kulturlandinitiative sowohl formell als auch materiell ungenügend umgesetzt (amtl. Publ.)

Im zur Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 27. Mai 2015 musste sich das BGer mit der vom den Stimm­berechtigten des Kan­tons Zürich angenomme­nen Volksini­tia­tive zum Erhalt der land­wirtschaftlich und ökol­o­gisch wertvollen Flächen (Kul­tur­lan­dini­tia­tive) auseinan­der­set­zen. Das in der Form der all­ge­meinen Anre­gung ver­fasste Begehren lautete folgendermassen:

Eine regionale Land­wirtschaftliche Pro­duk­tion, welche die Ernährungssou­veränität mit möglichst hoher Selb­stver­sorgung anstrebt, set­zt genü­gend Kul­tur­land voraus. Der Kan­ton sorgt deshalb dafür, dass die wertvollen Land­wirtschafts­flächen und Flächen von beson­der­er ökol­o­gis­ch­er Bedeu­tung wirk­sam geschützt wer­den und in ihrem Bestand und ihrer Qual­ität erhal­ten bleiben. Als wertvolle Land­wirtschafts­flächen gel­ten die Flächen der Bodeneig­nungsklassen 1 bis 6, mit Aus­nahme der zum Zeit­punkt der Annahme der Ini­tia­tive recht­skräftig der Bau­zone zugewiese­nen Flächen.

Zur Umset­zung der angenomme­nen Volksini­tia­tive arbeit­ete der Regierungsrat des Kan­tons Zürich einen Entwurf zur Revi­sion des kan­tonalen Pla­nungs- und Bauge­set­zes (PBG ZH, Ord­nungsnum­mer 700.1) aus, emp­fahl dem Kan­ton­srat jedoch, die Vor­lage abzulehnen, da das Volks­begehren auch durch den rev­i­dierten kan­tonalen Richt­plan umge­set­zt wer­den könne. In der Folge beschloss der Kan­ton­srat die Fest­set­zung des kan­tonalen Richt­plans und trat auf den Entwurf zur Revi­sion des PBG ZH nicht ein. Gegen diesen Nichtein­tretensentscheid erhoben die Grü­nen Kan­ton Zürich und Mar­i­on­na Schlat­ter Beschw­erde an das BGer, welch­es die Beschw­erde gutheisst.

Die Beschw­erde­führerin­nen brin­gen im Wesentlichen vor, dass der Kan­ton­srat mit dem Nichtein­tretensentscheid Art. 34 BV sowie Art. 25 i.V.m. Art. 32 lit. d der Ver­fas­sung des Kan­tons Zürich (KV ZH, Ord­nungsnum­mer 101) ver­let­zt habe. Der kan­tonale Richt­plan sei ein flex­i­bles Mit­tel und eine Sied­lungsen­twick­lung auf Kosten von Kul­tur­land sei weit­er­hin möglich. Die Kul­tur­lan­dini­tia­tive werde deshalb nicht umgesetzt.

Das BGer führt zunächst aus, dass es nicht zuläs­sig und mit den poli­tis­chen Recht­en der Stimm­bürg­er nicht vere­in­bar sei, die angenommene Kul­tur­lan­dini­tia­tive mit­tels ein­er Revi­sion des kan­tonalen Richt­plans umzusetzen:

Gemäss Art. 25 Abs. 4 KV bes­timmt im Kan­ton Zürich der Kan­ton­srat, in welch­er Rechts­form eine von der Stimm­bürg­ern angenommene Volksini­tia­tive in der Form der all­ge­meinen Anre­gung umzuset­zen ist. […] Wurde eine den Stimm­bürg­ern in der Form der all­ge­meinen Anre­gung unter­bre­it­ete Volksini­tia­tive als gültig im Sinne von Art. 28 KV erachtet und lässt sich namentlich in ein­er in Art. 23 KV vorge­se­henen Form umset­zen, so darf der Kan­ton­srat für die Umset­zungsvor­lage indessen nicht eine Rechts­form wählen, die gemäss Art. 23 KV gar nicht Gegen­stand ein­er Volksini­tia­tive sein kann. Zwis­chen dem Gegen­stand ein­er Ini­tia­tive und deren Umset­zungs­form muss insoweit Kon­gruenz beste­hen, dass für bei­de der Kat­a­log von Art. 23 KV mass­gebend ist.

Da die Revi­sion eines kan­tonalen Richt­plans mit ein­er Volksini­tia­tive nicht ver­langt wer­den könne, ste­he es dem Kan­ton­srat gemäss kan­tonalem Ver­fas­sungsrecht nicht zu, eine den Stimm­bürg­ern in der Form der all­ge­meinen Anre­gung unter­bre­it­ete, angenommene Volksini­tia­tive unmit­tel­bar mit ein­er Revi­sion des kan­tonalen Richt­plans umzusetzen.

In einem zweit­en Schritt nimmt das BGer Stel­lung zur inhaltlichen Umset­zung der Kulturlandinitiative:

Ent­ge­gen den Anliegen der Kul­tur­lan­dini­tia­tive kön­nen nach gel­ten­dem Recht Land­wirtschafts­flächen, die inner­halb des im Richt­plan fest­gelegten Sied­lungs­ge­bi­ets liegen, unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen […] der Bau­zone zugewiesen wer­den (§ 47 Abs. 1 PBG), ohne dass der damit ver­bun­dene Ver­lust von wertvollen Land­wirtschafts­flächen ander­swo kom­pen­siert wer­den müsste. Der rev­i­dierte Richt­plan sieht eine solche Kom­pen­sa­tion­spflicht nur vor, wenn Frucht­fol­ge­flächen, das heisst wertvolle Land­wirtschafts­flächen, die ausser­halb des im Richt­plan fest­gelegten Sied­lungs­ge­bi­ets liegen, beansprucht wer­den […]. Entschei­dend ist, dass der Ini­tia­tiv­text von den Stimm­berechtigten und späteren Adres­sat­en vernün­ftiger­weise so ver­standen wer­den musste, dass der Bestandess­chutz auch für wertvolle Land­wirtschafts­flächen gilt, die inner­halb des im Richt­plan fest­gelegten Sied­lungs­ge­bi­et liegen. Dies ergibt sich aus dem Ini­tia­tiv­text, zeigt sich aber auch darin, wie sich die ver­schiede­nen Akteure vor der Abstim­mung zur Kul­tur­lan­dini­tia­tive geäussert haben (E. 5.5.). 

Vor dem Hin­ter­grund des Gesagten kommt das BGer zum Schluss, dass die durch die Stimm­bürg­er angenommene Kul­tur­lan­dini­tia­tive durch den Nichtein­tretensentscheid des Kan­ton­srats sowohl formell als auch materiell nicht kor­rekt umge­set­zt wurde.