Im Entscheid 4A_292/2019 vom 16. Oktober 2019 befasste sich das Bundesgericht mit der Rüge der vorschriftswidrigen Zusammensetzung des Schiedsgerichts nach Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG.
Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde gegen den Schiedsspruch eines Ad hoc Schiedsgerichts mit der Begründung, der von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagene Schiedsrichter L. sei nicht unabhängig und unparteiisch gewesen.
Im Zentrum der Beschwerde stand ein zwölfminütiges Telefonat zwischen dem von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagenen Schiedsrichter L. und der Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin. Das Telefonat fand zwei Tage nach der Ernennung des Schiedsrichters L. und vier Tage vor der Konstituierung des Schiedsgerichts statt. Gemäss Erläuterung des Schiedsgerichts hatte Schiedsrichter L. die Rechtsvertreterin angerufen, um in Erfahrung zu bringen, ob die zwischen den Parteien abgeschlossene Vereinbarung eine Rechtswahlklausel enthalte; diese Erkundigung sei mit dem Zweck erfolgt, den beiden Mitschiedsrichtern die Wahl eines geeigneten Vorsitzenden zu ermöglichen. Schiedsrichter L. habe den Telefonanruf mit der vorgängigen Zustimmung der Mitschiedsrichterin getätigt und den Vorsitzende nachträglich über den Anruf informiert.
Die Beschwerdeführerin brachte vor, die Kontaktaufnahme und Besprechung von materiellen Aspekten des Falls lasse erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit aufkommen, selbst wenn das Schiedsgericht diese einseitige Kontaktaufnahme als Versuch rechtfertigte, einen für beide Parteien geeigneten Schiedsgerichtspräsidenten zu finden.
Das Bundesgericht erklärte, dass einseitige Kontakte zwischen einer Partei oder deren Rechtsvertreter und einem Schiedsrichter nicht in jedem Fall ausgeschlossen sind. So sei es etwa üblich und grundsätzlich unbedenklich, mit einem potentiellen Schiedsrichter in Kontakt zu treten, um dessen Eignung und Verfügbarkeit zu ermitteln oder die Ernennung eines Vorsitzenden des Schiedsgerichts zu besprechen. Das Bundesgericht verwies an dieser Stelle auf die sog. “Green List” der IBA-Guidelines on Conflicts of Interest und auf die IBA Guidelines on Party Representation in International Arbitration. Das Bundesgericht bemerkte, dass die Beschwerdeführerin zur Unterstützung ihres Standpunkts einzig Ziffer 4.4.1 IBA-Guidelines on Conflicts of Interest anführe, die zulässige Kontakte nach ihrem Wortlaut auf den Zeitpunkt vor der Ernennung des Schiedsrichters (“prior to appointment”) beschränkt, während das streitbetroffene Telefonat zwei Tage nach der Ernennung stattfand. Wie in der Lehre hervorgehoben werde, sei jedoch breit akzeptiert, dass — gegenteilige Abreden vorbehalten — die beiden Mitschiedsrichter mit den nominierenden Parteien im Hinblick auf die Selektion eines Vorsitzenden in Kontakt stehen dürfen; nach Ernennung des Vorsitzenden seien einseitige Kontakte hingegen grundsätzlich unzulässig. Darauf, dass für die Zulässigkeit der Kommunikation im Hinblick auf die Wahl eines Vorsitzenden nicht der Zeitpunkt der Ernennung des Mitschiedsrichters ausschlaggebend sei, weise auch Ziffer 8 der IBA-Guidelines on Party Representation hin, die den zulässigen einseitigen Kontakt mit einem (zukünftigen oder bereits ernannten) Schiedsrichter im Hinblick auf die Auswahl eines Vorsitzenden klar auseinanderhält von der übrigen zulässigen Kommunikation mit einem (zukünftigen) Mitschiedsrichter im Hinblick auf dessen eigene Ernennung. Das Bundesgericht verwies auch auf eine Lehrmeinung, wonach die Formulierung “prior to appointment” in Ziffer 4 der IBA-Guidelines on Conflicts of Interest im Zusammenhang mit der Wahl des Vorsitzenden wenig durchdacht sei und der gängigen Praxis widerspreche.
Gemäss Bundesgericht liege angesichts der zeitlichen Zusammenhänge auf der Hand, dass die Kontaktaufnahme im Hinblick darauf erfolgte, einen geeigneten Vorsitzenden zu finden. Dabei erscheine nachvollziehbar, dass die telefonische Kontaktaufnahme betreffend das anwendbare Recht, die mit der Mitschiedsrichterin vorgängig abgesprochen worden war und über die der Vorsitzende nachträglich informiert wurde, der Wahl eines geeigneten Vorsitzenden diente, nachdem die Frage geeignet war, diese Wahl zu beeinflussen.
Das Bundesgericht folgerte, dass angesichts der konkreten Umstände bei objektiver Betrachtung keine Gegebenheiten vorliegen würden, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen.