5A_208/2019: Die Voraussetzungen einer Ungültigkeitsklage und eines Irrtums beurteilen sich nach dem Erbstatut

Dem Entscheid des Bun­des­gerichts lag zusam­menge­fasst der fol­gende Sachver­halt zugrunde: D. (Jahrgang 1943) ver­starb am 12. April 2014 und hin­ter­liess seine zweite Ehe­frau A. (Beschw­erde­führerin) sowie aus erster Ehe die Kinder B., C. sowie E. (B. und C. als Beschw­erdegeg­n­er).  In seinem hand­schriftlichen Tes­ta­ment, das auf den 15. März 2014 datiert ist, unter­stellte D. seinen gesamten Nach­lass seinem deutschen Heimatrecht.

Das Bezirks­gericht Kreu­zlin­gen hiess die Klage von A. gegen ihre drei Stiefkinder, B., C. und E. auf Ungültigerk­lärung des Tes­ta­ments infolge Irrtums vom 15. März 2014 gut. Auf weit­eren Antrag der A. stellte das Bezirks­gericht fest, dass D. seine Kinder in der früheren let­ztwilli­gen Ver­fü­gung vom 18. Juli 2003 zugun­sten von A. auf den Pflicht­teil geset­zt habe.

Die von B. und C. gegen den erstin­stan­zlichen Entscheid erhobene Beru­fung erk­lärte das Oberg­ericht für begrün­det und wies die Klage, soweit sie B. und C. betraf, ab. Im Wesentlichen führte es aus, dass sich aus der Andeu­tungsregel und dem Zweck von Art. 469 ZGB ergebe, dass der vom Ungültigkeit­skläger behauptete wirk­liche Wille des Erblassers in der Ver­fü­gung von Todes wegen min­destens andeu­tungsweise zum Aus­druck kom­men müsse. Im Tes­ta­ment vom 15. März 2014 fehle es an ein­er Andeu­tung in Bezug auf die Pflicht­teile. Eine Ergänzung mit Beru­fung auf Exter­nas sei eben­falls aus­geschlossen. Als alter­na­tive Begrün­dung brachte das Oberg­ericht vor, dass es — ent­ge­gen der Schlussfol­gerung des Bezirks­gerichts — nicht belegt sei, dass D. seine Kinder irrtüm­lich nicht auf den Pflicht­teil geset­zt habe.

Die von A. gegen den Entscheid des Oberg­erichts erhobene Beschw­erde hiess das Bun­des­gericht gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an das Oberg­ericht zurück.

Das Bun­des­gericht hielt zunächst fest, dass vor­liegend ein inter­na­tionaler Sachver­halt im Sinne von Art. 1 Abs. 1 IPRG zur Beurteilung ste­he und es von Amtes wegen zu prüfen sei, ob die zu beurteilende Zivil­rechtsstre­it­igkeit über­haupt dem schweiz­erischen Recht unter­ste­he (E. 5.1 und E. 5.3). Es schützte in der Folge die Rechtswahl (sog. pro­fes­sio iuris) von D. zugun­sten seines Heima­trechts basierend auf Art. 90 Abs. 2 Satz 1 und Art. 93 IPRG i.V.m. dem Haager Übereinkom­men über das auf die Form let­ztwilliger Ver­fü­gun­gen anzuwen­dende Recht (E. 5.2). In diesem Zusam­men­hang erwog das Bun­des­gericht, dass die Gültigkeit der Rechtswahl nicht von der Gültigkeit der Ver­fü­gung von Todes wegen in der Sache abhängig sei. Mit anderen Worten falle die pro­fes­sio iuris nicht dahin, wenn die Ver­fü­gung von Todes wegen in der Sache nach dem vom Erblass­er beze­ich­neten Recht ungültig oder anfecht­bar sei (E. 5.2).

Weit­er gelangte das Bun­des­gericht zum Schluss, dass die erbrechtlichen Kla­gen und damit die Voraus­set­zun­gen der Ungültigkeit­sklage dem Erb­statut nach Art. 92 IPRG zuzurech­nen seien (E. 5.2). Die bei­den Rechts­fra­gen, ob der wirk­liche Wille des Erblassers im Ver­fü­gung­s­text zumin­d­est angedeutet sein müsse und inwiefern Exter­nas herange­zo­gen wer­den dür­fen, beschla­gen — so das Bun­des­gericht — die Voraus­set­zun­gen der Ungültigkeit­sklage und seien vor­liegend auf­grund der Rechtswahl nach Mass­gabe des deutschen Rechts zu beurteilen. Gle­ich­es gelte für die (Alternativ)-Begründung des Oberg­erichts, wonach sich D. bei der Errich­tung des Tes­ta­ments nicht geir­rt habe. Auf welche Tat­sachen es für die Durch­set­zung eines bes­timmten Anspruchs ankomme, ergebe sich aus der im konkreten Fall anwend­baren materiellen Norm. Was im Zusam­men­hang mit der Errich­tung eines Tes­ta­ments unter einem Irrtum zu ver­ste­hen sei und welche Tat­sachen hier­für erstellt sein müssen, beurteile sich vor­liegend dem­nach nicht nach Art. 469 ZGB, son­dern nach der ein­schlägi­gen Norm des deutschen Rechts. Der Entscheid des Oberg­erichts, welch­er sich mit keinem Wort zur Rechtswahl äussere, ver­möge daher nicht zu überzeu­gen (E. 5.3).