4A_90/2021: Missbräuchliche Berufung auf ein vor Einleitung des Schiedsverfahrens zwingend durchzuführendes Schlichtungsverfahren

Im Entscheid 4A_90/2021 vom 9. Sep­tem­ber 2021 befasste sich das Bun­des­gericht mit der Rüge, das Schieds­gericht habe sich zu Unrecht für zuständig erk­lärt, weil kein gemäss der Schied­sklausel zwin­gend vorgeschriebenes vorgängiges Schlich­tungsver­fahren stattge­fun­den habe.

Die Parteien schlossen 2005 einen Kon­sor­tialver­trag über das Kon­sor­tium D. ab. Der Kon­sor­tialver­trag enthielt eine Schied­sklausel. Diese besagte unter anderem: «In jedem Fall ist vor Ein­leitung des Schieds­gerichtsver­fahrens unter den Parteien ein Schlich­tungsver­such vorzunehmen, welch­er durch einen von den Parteien bes­timmten Schlichter zu erfol­gen hat.»

Zwis­chen den Parteien kam es zu Dif­feren­zen und es wurde ein Liq­ui­da­tionsver­fahren eingeleitet.

Im April 2018 fand eine Sitzung mit dem Liq­uida­tor E. statt. Nach­dem es wed­er anlässlich dieser Sitzung noch in der Folge zu ein­er Eini­gung gekom­men war, leit­eten die Beschw­erdegeg­ner­in­nen im August 2018 das Schiedsver­fahren gegen den Beschw­erde­führer ein.

Der Beschw­erde­führer beantragte im Schiedsver­fahren, dass auf die Klage nicht einzutreten sei. Mit Zwis­chen­schiedsspruch über die Zuständigkeit vom Jan­u­ar 2021 wies das Schieds­gericht die Einrede der fehlen­den Zuständigkeit ab. Der Beschw­erde­führer erhob gegen diesen Schiedsspruch Beschwerde.

Der Beschw­erde­führer monierte, das Schieds­gericht habe sich zu Unrecht für zuständig erk­lärt, weil das ver­traglich vere­in­barte zwin­gend durchzuführende Schlich­tungsver­fahren nicht stattge­fun­den habe.

Das Bun­des­gericht erk­lärte ein­lei­t­end, dass es die Rüge der Ver­let­zung eines ver­traglichen Stre­it­bei­le­gungsmech­a­nis­mus, der als Vorbe­din­gung für ein (internes) Schiedsver­fahren zwin­gend vorge­se­hen sei (wie etwa ein Schlich­tungsver­fahren), unter dem Blick­winkel der Zuständigkeit nach Art. 393 lit. b ZPO prüft.

Das Schieds­gericht hat­te erwogen, die Schied­sklausel im Kon­sor­tialver­trag habe in der Tat zwin­gend vorge­se­hen, dass «in jedem Fall» vor Ein­leitung des Schiedsver­fahrens unter den Parteien ein Schlich­tungsver­such vorzunehmen sei. Eine Ausle­gung nach dem Ver­trauen­sprinzip hätte aber ergeben, dass tiefe Anforderun­gen zu stellen seien; jed­er Ver­such, mit­tels eines von den Parteien ernan­nten Schlichters eine ein­vernehm­liche Lösung zu find­en, genüge. Die Sitzung im April 2018 und die nach­fol­gen­den schriftlichen Ver­gle­ichsver­hand­lun­gen, je geleit­et von E., der kon­klu­dent zum Schlichter bes­timmt wor­den sei, stell­ten einen Schlich­tungsver­such im Sinne des Kon­sor­tialver­trags dar. Selb­st wenn dem nicht so wäre, sei der Ein­wand des unterbliebe­nen Schlich­tungsver­fahrens als offen­sichtlich rechtsmiss­bräuch­lich zu qualifizieren.

Das Bun­des­gericht erk­lärte, nach dessen Recht­sprechung han­dle rechtsmiss­bräuch­lich, wer sich auf den fehlen­den Schlich­tungsver­such beruft, ohne vorgängig zum Schiedsver­fahren ein Schlich­tungsver­fahren vorzuschlagen.

Die Zeit vor der Ein­leitung des Schiedsver­fahrens sei vor­liegend nach den für das Bun­des­gericht verbindlichen Fest­stel­lun­gen des Schieds­gerichts geze­ich­net von den Bemühun­gen zumin­d­est der Beschw­erdegeg­ner­in­nen, eine Eini­gung zu finden.

Das Bun­des­gericht befand, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei diesem Aus­tausch um einen Schlich­tungsver­such im Sinne des Kon­sor­tialver­trags han­deln würde. Entschei­dend sei, dass es am Beschw­erde­führer gewe­sen wäre, einen seinen Vorstel­lun­gen entsprechen­des Schlich­tungsver­fahren vorzuschla­gen, wenn er der Mei­n­ung gewe­sen sein sollte, die Eini­gungs­be­mühun­gen genügten den Vor­gaben des Kon­sor­tialver­trags nicht, zumal die Beschw­erdegeg­ner­in­nen aus­drück­lich gerichtliche Schritte angekündigt hat­ten. Es erscheine mit Treu und Glauben nicht vere­in­bar, die Eini­gungs­be­stre­bun­gen der Beschw­erdegeg­ner­in­nen abzuwarten, um nach Ein­leitung des Schiedsver­fahrens zu monieren, der Schlich­tungsver­such habe den Anforderun­gen an ein Schlich­tungsver­fahren nicht entsprochen. Auch habe er im schieds­gerichtlichen Ver­fahren den Vorschlag der Beschw­erdegeg­ner­in­nen, anstelle der mündlichen Ver­hand­lung einen Schlich­tungsver­such (ohne Beteili­gung des Schieds­gerichts) durchzuführen, ohne Weit­eres abgelehnt. Unter diesen Umstän­den ver­bi­ete es Art. 2 ZGB, sich im Nach­hinein auf die Nich­tauss­chöp­fung des oblig­a­torischen Schlich­tungser­forderniss­es zu berufen. Dies habe das Schieds­gericht zu Recht erkan­nt. Damit beste­he auch kein Raum für die even­tu­aliter begehrte Sistierung des Schiedsver­fahrens. Dementsprechend wurde die Beschw­erde abgewiesen, soweit darauf einge­treten wer­den konnte.