4A_507/2021 – Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung setzt eine ausdrückliche, schriftliche Zustimmung voraus

Das Bun­des­gericht bestätigte seine Recht­sprechung, wonach eine Gerichts­standsvere­in­barung nicht hand­schriftlich unterze­ich­net wer­den müsse, son­dern entsprechende Vere­in­barung auch in einem Briefwech­sel getrof­fen wer­den könne. Voraus­ge­set­zt sei indessen, dass die Vere­in­barug aus­drück­lich geschehe, mithin eine aus­drück­liche, schriftliche Zus­tim­mung zu ein­er Gerichts­stand­sklausel vor­liege; unab­hängig des ver­wen­de­ten Mediums.

Gegen­stand war ein zwis­chen zwei Gesellschaften über E‑Mail abgeschlossen­er Beförderungsver­trag. Am Ende jed­er E‑Mail der Beschw­erde­führerin wurde dabei nach der Gruss­formel, dem Vor- und Nach­na­men sowie den Kon­tak­t­dat­en des Unternehmens jew­eils in klein­er Schrift auf Deutsch und Englisch fest­ge­hal­ten: «Wir arbeit­en auss­chliesslich auf­grund der All­ge­meinen Bedin­gun­gen des Ver­ban­des schweiz­erisch­er Spedi­tions- und Logis­tikun­ternehmen (AB SPEDLOGSWISS), neueste Fas­sung — Gerichts­stand ist Bülach. / We work exclu­sive­ly accord­ing to the Gen­er­al Terms and Con­di­tions of the Swiss Freight For­warders and Logis­tics Asso­ci­a­tion (CG SPEDLOGSWISS), most recent edi­tion — Juris­dic­tion is Bülach.
Die E‑mail und ihre allfäl­li­gen Anhänge sind ver­traulich und/oder enthal­ten rechtlich geschützte Infor­ma­tio­nen. Nur der beab­sichtigte Adres­sat darf sie lesen, kopieren oder gebrauchen. Wenn Sie nicht der richtige Adres­sat sind oder dieses E‑Mail irrtüm­lich erhal­ten haben, benachrichti­gen Sie uns bitte unverzüglich und löschen Sie die Mail und ihre Anhänge von Ihrem Sys­tem. Besten Dank. / This E‑mail and any attache­ments con­tain con­fi­den­tial and/or priv­i­leged infor­ma­tion. Only the intend­ed recip­i­ent may read, copy or use it. If you are not the intend­ed recip­i­ent or have received this E‑mail in error, please noti­fy the sender imme­di­ate­ly and delete this E‑mail and any attach­ments from your sys­tem. Thank you.»

Zwis­chen den Parteien brach ein Stre­it aus, woraufhin die Beschw­erde­führerin vor dem Pre­tore del dis­tret­to di Lugano eingeklagt wurde. Sie erhob unter Hin­weis auf die gestützt auf die E‑Mails abgeschlossene Gerichts­standsvere­in­barung die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, drang indessen damit vor den kan­tonalen Gericht­en nicht durch. Die Gerichte erwogen vielmehr, dass die Parteien wed­er die Anwen­dung der AB SPEDLOGSWISS noch eine Gerichts­standsvere­in­barung zugun­sten des Gerichts in Bülach gültig vere­in­bart hät­ten. Auch das Bun­des­gericht wies die Beschw­erde ab. Ob die Parteien die Anwen­dung der all­ge­meinen Geschäfts­be­din­gun­gen gültig vere­in­bart hat­ten, liess das Bun­des­gericht indessen offen (E. 4.2). Vielmehr beurteilte es einzig, ob die Parteien gültig eine Gerichts­standsvere­in­barung abgeschlossen hatten.

Das Bun­des­gericht erin­nerte zunächst daran, dass die Vere­in­barung eines Gerichts­stands zwar nicht zwin­gend hand­schriftlich unterze­ich­net wer­den müsse, indessen in einem Briefwech­sel aus­drück­lich getrof­fen wer­den müsse. Die Bere­itschaft, eine von der anderen Partei schriftlich vorgeschla­gene Klausel zu akzep­tieren, müsse ein­deutig und eben­falls schriftlich zum Aus­druck gebracht wer­den, wobei das ver­wen­dete Medi­um uner­he­blich sei. Das Schweigen ein­er Ver­tragspartei biete keine ern­sthafte Gewähr für eine bewusste Annahme. Eine in ein­er schriftlichen Auf­trags­bestä­ti­gung enthal­tene Gerichts­standsvere­in­barung gelte daher nicht als vere­in­bart, nur weil der Adres­sat ihr nicht wider­sprochen hätte (E. 5.1.3).

Sodann erwog das Bun­des­gericht, dass die kan­tonalen Gerichte das Fehlen ein­er tat­säch­lichen Zus­tim­mung der Beschw­erdegeg­ner­in zu der in der E‑Mail der Beschw­erde­führerin aufge­führten Gerichts­stand­sklausel fest­gestellt hat­ten. Gegen diese Tat­sachen­fest­stel­lung habe die Beschw­erde­führerin keine hin­re­ichende Sachver­halt­srüge erhoben. Das Bun­des­gericht prüfte daher lediglich, ob auf­grund ein­er objek­tiv­en Ausle­gung auf eine gültige Gerichts­standsvere­in­barung zu schliessen wäre (E. 5.2.2.).

Die Beschw­erde­führerin machte dies­bezüglich gel­tend, dass eine gültige Gerichts­standsvere­in­barung vor­liege und dass die «halbe Schriftlichkeit», mithin ein schriftlich­er Beweis wie z.B. eine E‑Mail, aus­re­ichen würde. Im Rah­men von Geschäfts­beziehun­gen, so die Beschw­erde­führerin weit­er, reiche es aus, einen Text oder eine Rech­nung zu über­mit­teln, auf der eine Gerichts­standsvere­in­barung klar und unmissver­ständlich am Ende oder auf der Seite des Doku­ments angegeben sei. Damit drang sie vor Bun­des­gericht nicht durch. Dieses erwog zwar, dass die Zus­tim­mung ein­er Ver­tragspartei zu ein­er Gerichts­standsvere­in­barung nicht zwin­gend unter­schrieben sein müsse, son­dern sich die entsprechende Vere­in­barung auch aus einem Schriftwech­sel ergeben könne. Allerd­ings müsse die Zus­tim­mung ein­deutig schriftlich zum Aus­druck gebracht wer­den. Vor­liegend liege wed­er eine aus­drück­liche schriftliche Annahme der Beschw­erdegeg­ner­in zur Gerichts­standsvere­in­barung, z.B. per Fax oder E‑Mail, vor, noch sei eine solche nachgewiesen. Eben­so könne aus dem Schweigen der Beschw­erdegeg­ner­in nichts abgeleit­et wer­den. Das Schweigen ein­er der Ver­tragsparteien auf einen Vorschlag zu ein­er Gerichts­standsvere­in­barung biete keine ern­sthafte Gewähr für eine bewusste Annahme. Eben­so wenig hätte die Beschw­erdegeg­ner­in der Gerichts­standsvere­in­barung aus­drück­lich wider­sprechen müssen. Die Vorin­stanz habe einen Kon­sens zwis­chen den Parteien einzig über den Trans­port­ge­gen­stand, den Preis und die Flug­dat­en fest­gestellt, nicht aber über die Zus­tim­mung zum Gerichts­stand in Bülach. Dieser Hin­weis sei am Ende der E‑Mail, in kleinen Buch­staben direkt über dem Hin­weis auf den ver­traulichen Charak­ter der Nachricht ges­tanden, zu dessen Annahme die Beschw­erdegeg­ner­in von der Beschw­erde­führerin nie aus­drück­lich aufge­fordert wor­den sei. Man­gels ein­er aus­drück­lichen schriftlichen Zus­tim­mung der Beschw­erdegeg­ner­in könne nicht auf der Grund­lage ein­er objek­tiv­en Ausle­gung davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass mit diesen E‑Mails eine — gültige – Gerichts­standsvere­in­barung abgeschlossen wor­den wäre. Auch sei es, so das Bun­des­gericht weit­er, nicht möglich, den vor­liegen­den Fall mit dem­jeni­gen zu ver­gle­ichen, in welchem eine Gerichts­stand­sklausel in all­ge­meinen Geschäfts­be­din­gun­gen klar for­muliert sei, die ein­er Ver­tragspartei zugänglich gemacht und von dieser akzep­tiert wür­den (E. 5.4). Auf die übri­gen, von der Beschw­erde­führerin in diesem Zusam­men­hang vorge­bracht­en Sachver­halt­srü­gen trat das Bun­des­gericht nicht ein (E. 5.3.1 und E. 5.3.2).