4A_486/2021: Aktienkaufvertrag/SPA, internationale Zuständigkeit, Gerichtsstandsvereinbarung, Notzuständigkeit (Art. 3 IPRG) (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht entsch­ied in diesem Urteil, dass keine Notzuständigkeit nach Art. 3 IPRG vor­liege, wenn die Ver­tragsparteien trotz entsprechen­der Möglichkeit keine gültige Gerichts­standsvere­in­barung abgeschlossen hätte. Eben­so wenig begründe die Ungültigkeit ein­er Gerichts­standsvere­in­barung ohne weit­eres eine solche Notzuständigkeit.

Hin­ter­grund war ein Rechtsstre­it ein­er BVI-Gesellschaft (Klägerin) gegen eine nach dem Recht der Vere­inigten Ara­bis­chen Emi­rat­en organ­isierte Gesellschaft (Beklagte) vor dem Han­dels­gericht St. Gallen. Die Klägerin ver­langte die Bezahlung des Restkauf­preis­es aus einem Aktienkaufver­trag (SPA) und dessen Änderung (Amend­ed Share Pur­chase Agree­ment, ASPA) und stützte sich für die Zuständigkeit des Han­dels­gerichts St. Gallen auf eine im SPA und ASPA enthal­tene Gerichts­standsvere­in­barung. Das Han­dels­gericht St. Gallen erwog, dass das SPA und das ASPA seit­ens der Beklagten nicht von ein­er vertre­tungs­berechtigten Per­son unterze­ich­net wurde. Entsprechend verneinte es seine inter­na­tionale Zuständigkeit und trat auf die Klage nicht ein.

Vor Bun­des­gericht rügte die Klägerin ins­beson­dere, das Han­dels­gericht habe das Recht der Vere­inigten Ara­bis­chen Emi­rate im Zusam­men­hang mit der gel­tend gemacht­en Genehmi­gung  auf­grund teil­weis­er Erfül­lung willkür­lich angewen­det (E. 5.3). Dabei brachte sie vor, dass auch die unhalt­baren Fol­gen des Nichtein­tretensentschei­ds des Han­dels­gerichts zu beacht­en seien. Es beste­he, so die Klägerin, eine erhe­bliche Recht­sun­sicher­heit über den Bestand des SPA und es sei offen, welch­es Gericht diese Recht­sun­sicher­heit beseit­i­gen könne. Das Prozessieren am Sitz der Beklagten in den Vere­inigten Ara­bis­chen Emi­rat­en stelle für die Klägerin (man­gels Unab­hängigkeit der dor­ti­gen Jus­tiz) keine zumut­bare Alter­na­tive dar. Das Han­dels­gericht hätte sich auf­grund dieser unhalt­baren Recht­sun­sicher­heit auch gestützt auf Art. 3 IPRG (Notzuständigkeit) für zuständig erk­lären kön­nen (E. 5.2.2.3).

Das Bun­des­gericht ver­warf diese Rüge. Es erwog, dass eine Notzuständigkeit im Sinne von Art. 3 IPRG nicht dadurch begrün­det wer­den könne, dass die Ver­tragsparteien es ver­säumt hät­ten, eine gültige Gerichts­standsvere­in­barung abzuschliessen, wenn ihnen dies — wie in casu — an sich möglich gewe­sen wäre. Eben­so resul­tiere aus der Ungültigkeit ein­er Gerichts­standsvere­in­barung nicht ohne weit­eres, dass eine von Art. 3 IPRG erfasste Rechtss­chutzkarenz beste­he. Vielmehr müsse die Partei, die sich auf die Notzuständigkeit berufe, das Vor­liegen der geset­zlichen Voraus­set­zun­gen hin­länglich dar­legen und nach­weisen. Die Klägerin habe indessen vor Han­dels­gericht die Voraus­set­zun­gen von Art. 3 IPRG nicht (even­tu­aliter) dargelegt (E. 5.2.2.3).

Auf die Rüge der willkür­lichen und unvoll­ständi­gen Sachver­halts­fest­stel­lung trat das Bun­des­gericht eben­falls nicht ein (E. 4). Eben­so wenig drang die Klägerin mit ihrer Rüge durch, wonach das Han­dels­gericht im Zusam­men­hang mit der Frage des Vor­liegens ein­er nachträglichen Genehmi­gung das anwend­bare Recht der Vere­inigten Ara­bis­chen Emi­rate nicht fest­gestellt hätte (E. 5.1).