4A_291/2018: Einseitige Unverbindlichkeit arbeitsrechtlicher Gerichtsstandsvereinbarungen

B. (Beschw­erdegeg­n­er) war bei der A. AG (Beschw­erde­führerin) mit Arbeitsver­trag vom 9. Sep­tem­ber 2009 als Geschäfts­führer angestellt. Der Arbeitsver­trag enthielt fol­gende Gerichts­standsvere­in­barung: “Bei allfäl­li­gen Stre­it­igkeit­en sind die ordentlichen Gerichte am Sitz des Arbeit­ge­bers und/oder am Wohn­sitz des Arbeit­nehmers zuständig.” Die A. AG kündigte das Arbeitsver­hält­nis frist­los, worauf B. beim Kan­ton­s­gericht Obwalden Klage ein­re­ichte. Die Arbeit­ge­berin beantragte Nichtein­treten wegen Unzuständigkeit; even­tu­aliter Abweisung der Klage.

Das Kan­ton­s­gericht hiess die Klage teil­weise gut. Die von der A. AG erhobene Beru­fung wurde durch das Oberg­ericht des Kan­tons Obwalden abgewiesen. Die dage­gen erhobene Beschw­erde wies das Bun­des­gericht ab, soweit es darauf ein­trat (Urteil 4A_291/2018 vom 10. Jan­u­ar 2019).

Vor Bun­des­gericht war unter anderem strit­tig, ob die Gerichte des Kan­tons Obwalden — am Wohn­sitz des Arbeit­nehmers — örtlich zuständig waren. Das Bun­des­gericht entsch­ied, dass die Vorin­stanz die Zuständigkeit zu Recht bejaht hatte.

  • Das Bun­des­gericht hielt fest, dass sich die Gültigkeit ein­er Gerichts­standsvere­in­barung nach dem Recht bes­timme, welch­es zur Zeit ihres Abschlusses gegolten habe (Art. 406 ZPO). Im vor­liegen­den Fall war das damals gel­tende Gerichts­stands­ge­setz (aGestG) zu berück­sichti­gen. Da sich hin­sichtlich der rel­e­van­ten Bes­tim­mungen nichts Entschei­den­des geän­dert hat­te, bezog sich das Bun­des­gericht in seinen Erwä­gun­gen der Ein­fach­heit hal­ber wie die Parteien und die Vorin­stanzen auf die ZPO.
  • Bei ein­er objek­tivierten Ver­tragsausle­gung nach dem Ver­trauen­sprinzip durften und mussten die Parteien die Gerichts­standsvere­in­barung auf­grund des Wortes “und” so ver­ste­hen, dass am Wohn­sitz des Arbeit­nehmers in jed­er Prozesskon­stel­la­tion ein (alter­na­tiv­er) Gerichts­stand beste­he. Allein aus dem Begriff “ordentliche Gerichte” lasse sich gemäss Bun­des­gericht nicht ableit­en, dass die Parteien auf die Regelung von Art. 34 ZPO ver­weisen woll­ten (E. 3.4.2).
  • Die A. AG machte weit­er gel­tend, das Ver­ständ­nis der Vorin­stanz impliziere, die Parteien hät­ten — für den Fall, dass die Arbeit­ge­berin kla­gen würde — eine zumin­d­est teil­weise wider­rechtliche Gerichts­standsvere­in­barung abgeschlossen, wovon bei geschäft­ser­fahre­nen Parteien nicht aus­ge­gan­gen wer­den dürfe. Das Bun­des­gericht hörte den Ein­wand nicht. Es sei wed­er behauptet noch von der Vorin­stanz fest­gestellt wor­den, dass die Parteien bei Abschluss der Gerichts­standsvere­in­barung geschäft­ser­fahren gewe­sen seien (E. 3.4.2).
  • Schliesslich rügte die A. AG, die Vorin­stanz sei von der Teil­nichtigkeit der Gerichts­standsvere­in­barung aus­ge­gan­gen. Die Voraus­set­zun­gen ein­er Teil­nichtigkeit seien aber nicht gegeben, weshalb die Gerichts­stand­vere­in­barung voll­ständig nichtig sei und die geset­zliche Regelung von Art. 34 ZPO zur Anwen­dung komme. Das Bun­des­gericht hielt demge­genüber fest, dass im Voraus getrof­fene Gerichts­standsvere­in­barun­gen bei arbeit­srechtlichen Stre­it­igkeit­en nicht nichtig seien son­dern für den Arbeit­nehmer ein­seit­ig unverbindlich. Der Arbeit­ge­ber bleibe an die Gerichts­stand­vere­in­barung gebun­den, wenn vom Gerichts­stand des Art. 34 ZPO abgewichen werde (E. 3.5).