5A_933/2022: Zweistufig-konkrete Unterhaltsberechnungsmethode bei aussergewöhnlich günstigen finanziellen Verhältnissen

Im Urteil 5A_933/2022 vom 25. Okto­ber 2023 hält das Bun­des­gericht fest, dass Gerichte auch bei aussergewöhn­lich gün­sti­gen finanziellen Ver­hält­nis­sen nicht verpflichtet sind, den Unter­halts­beitrag anhand der ein­stu­fig-konkreten Meth­ode zu ermitteln.

Zusam­men­fas­sung

Die Parteien im vor­liegen­den Fall ver­fügten gemein­sam über ein monatlich­es Einkom­men von rund Fr. 50’000.–, mehrheitlich vom Ehe­mann stam­mend.  Im Rah­men von vor­sor­glichen Mass­nah­men während des Schei­dungsver­fahrens berech­neten die kan­tonalen Instanzen den vom Ehe­mann geschulde­ten Unter­halts­beitrag nach der zweistu­fig-konkreten Meth­ode. Dage­gen wehrte sich der Ehe­mann vor Bun­des­gericht und ver­langte, die ein­stu­fig-konkrete Meth­ode sei anzuwenden.

Das Bun­des­gericht ver­wies ein­lei­t­end auf seine Recht­sprechung zur Vere­in­heitlichung des Unter­halt­srechts. In Umset­zung dieses Vorhabens habe das Bun­des­gericht die zweistu­fig-konkrete Meth­ode für die Berech­nung des Kindesun­ter­halts, des nachehe­lichen Unter­halts und des ehe­lichen Unter­halts als grund­sät­zlich schweizweit verbindlich vorgegeben. Es habe aber auch darauf hingewiesen, dass in beson­deren Sit­u­a­tio­nen, namentlich bei aussergewöhn­lich gün­sti­gen finanziellen Ver­hält­nis­sen anhand der ein­stu­fig-konkreten Meth­ode vorge­gan­gen wer­den könne. Die Abwe­ichung sei indes beson­ders zu begrün­den (E. 3.1).

Vor diesem Hin­ter­grund sei es nicht willkür­lich, wenn die kan­tonalen Instanzen der zweistu­fig-konkreten Meth­ode gefol­gt seien. Ent­ge­gen der Ansicht des Beschw­erde­führers seien die kan­tonalen Gerichte nicht verpflichtet, den Unter­halts­beitrag anhand der ein­stu­fig-konkreten Meth­ode zu ermit­teln, wenn aussergewöhn­lich gün­stige finanzielle Ver­hält­nisse oder Spar­quoten vor­liegen. Die Recht­sprechung lasse diese Möglichkeit bloss offen. Ausser­dem sehe auch die zweistu­fig-konkrete Meth­ode vor, dass Spar­quoten zu berück­sichti­gen seien und kor­rigierend einge­grif­f­en wer­den dürfe und müsse, wenn Unter­halts­beiträge resul­tierten, welche die Ober­gren­ze des gebühren­den Unter­halts über­steigen. Die dies­bezügliche Rüge des Ehe­mannes wird daher als unbe­grün­det abgewiesen (E. 3.2).

Kom­men­tar

Mit dem besproch­enen Urteil stellt das Bun­des­gericht erst­mals klar, dass Gerichte bei aussergewöhn­lich gün­sti­gen finanziellen Ver­hält­nis­sen frei sind, ob sie die zweistu­fig-konkrete Meth­ode oder die ein­stu­fig-konkrete Meth­ode zur Anwen­dung brin­gen. Dies dürfte in der Prax­is dazu führen, dass sich Gerichte auch bei ausseror­dentlich guten wirtschaftlichen Ver­hält­nis­sen für die zweistu­fig-konkrete Meth­ode entschei­den. Diese ist wesentlich ein­fach­er zu hand­haben als die ein­stu­fig-konkrete Meth­ode. Zudem set­zen sich Gerichte, welche die ein­stu­fig-konkrete Meth­ode anwen­den, poten­tiell dem Vor­wurf aus, diese Meth­ode sei man­gels aussergewöhn­lich gün­sti­gen finanziellen Ver­hält­nisse unzuläs­sig. Mit der zweistu­fig-konkreten Meth­ode sind Gerichte dage­gen auf der sicheren Seite.

Auf der Kehr­seite führt das besproch­ene Urteil für die Parteien zu gross­er Recht­sun­sicher­heit. Sie müssen bei sehr guten wirtschaftlichen Ver­hält­nis­sen auf bei­de Meth­o­d­en gefasst sein und diese vor­tra­gen. Dies verkom­pliziert, ver­teuert und verzögert die Prozesse erhe­blich. Gerichte sind gehal­ten, Mass­nah­men zu ergreifen, um dem Ein­halt zu gebi­eten. So kön­nte die Frage bei Schei­dungsver­fahren im Rah­men der Eini­gungsver­hand­lung the­ma­tisiert oder nach dem ersten Schriften­wech­sel gek­lärt wer­den. Im Ide­al­fall wer­den sich die Parteien auf eine Berech­nungsmeth­ode eini­gen (siehe zum Umgang mit dieser Recht­sun­sicher­heit Aebi-Müller, Fam­i­lien­rechtlich­er Unter­halt in der neusten Recht­sprechung, in: Juslet­ter vom 3.5.2021, N 38; Foll­pracht, Vere­in­heitlichung der fam­i­lien­rechtlichen Unter­halts­berech­nung­sprax­is und die Anspruchs­grund­la­gen des Unter­halt­sanspruchs, in: SJZ 4/2023, S. 227).