4A_59/2023: Bonuskürzung während Mutterschaftsurlaub

Im Entscheid 4A_59/2023 vom 15. Mai 2024 befasste sich das Bun­des­gericht ins­beson­dere mit der Frage, ob die Kürzung des Bonus in Form ein­er unecht­en Grat­i­fika­tion mit Ermessen der Arbeit­ge­berin in Bezug auf die Höhe während des Mut­ter­schaft­surlaubes von der 9. bis 16. Woche nach der Niederkun­ft diskri­m­inierend sei.

Strit­tig war vor Bun­des­gericht, ob die Vorin­stanz Bun­desrecht ver­let­zt habe (namentlich zur Lohn­höhe Art. 322 und Art. 322d OR sowie das Diskri­m­inierungsver­bot gemäss Art. 3 GlG), indem sie der Arbeit­nehmerin (Beschw­erde­führerin) die Restanz des Jahres­bonus 2018 sowie eines vere­in­barten Son­der­bonus (im Entscheid als Cad­mi­um-Bonus beze­ich­net) während des frei­willi­gen Mut­ter­schaft­surlaubes nicht zuge­sprochen und die aufgeschobene Lohn­er­höhung als nicht diskri­m­inierend beurteilt habe.

In Bezug auf die geforderte Restanz des Jahres­bonus 2018 habe die Vorin­stanz erwogen, dass die Parteien unbe­strit­ten­er­massen eine unechte Grat­i­fika­tion vere­in­bart hät­ten, mithin dass darauf ein Anspruch beste­he, wobei jedoch der Arbeit­ge­berin bei der Bes­tim­mung der Höhe ein gewiss­es Ermessen verbleibe. Zutr­e­f­fend und unbe­strit­ten sei sodann gemäss Vorin­stanz die erstin­stan­zliche Fest­stel­lung gewe­sen, wonach die Kürzung des Bonus während der ersten acht Wochen nach der Niederkun­ft auf­grund des geset­zlichen Arbeitsver­bots während dieser Zeit diskri­m­inierend und daher unzuläs­sig sei. Gle­ich­es gelte für die Kürzung des Bonus auf­grund der von der Beschw­erde­führerin bezo­ge­nen Ferien. Dies­bezüglich sei der erstin­stan­zliche Entscheid sodann in Recht­skraft erwach­sen. Zu prüfen war von der Vorin­stanz daher einzig, ob auch die 25 Tage andauernde “schwanger­schafts­be­d­ingte Abwe­sen­heit” der Beschw­erde­führerin sowie ihre Abwe­sen­heit während der 9. bis 16. Woche des Mut­ter­schaft­surlaubes bei der Bemes­sung des Bonus als Beschäf­ti­gungszeit zu berück­sichti­gen seien.

Primär sei zur Bes­tim­mung des Anspruchs der Ver­tragswort­laut zu berück­sichti­gen, aus welchem sich ergebe, dass die Arbeit­ge­berin (Beschw­erdegeg­ner­in 1) die Leis­tung der Beschw­erde­führerin über das ganze Jahr beurteilen und fol­glich auch län­gere Abwe­sen­heit­en mit ein­beziehen dürfe. Da die Grat­i­fika­tion auch als Anerken­nung für die geleis­tete Arbeit zu ver­ste­hen sei, dürfe der Arbeit­ge­ber diese auch anhand der tat­säch­lich erbracht­en Leis­tung bemessen. Zudem habe die Beschw­erde­führerin nach Treu und Glauben nicht darauf schliessen dür­fen, dass auf­grund der Zusicherung des vollen Lohns während der Mut­ter­schaft ihre mut­ter­schafts­be­d­ingten Abwe­sen­heit­en bei der Fest­set­zung der Grat­i­fika­tion­shöhe nicht berück­sichtigt würden.

Hin­sichtlich des Diskri­m­inierungsver­bots gemäss Art. 3 GlG habe die Vorin­stanz erwogen, dass der Bezug des Mut­ter­schaft­surlaubes während der noch strit­ti­gen Zeit von der 9. bis zur 16. Woche nach der Niederkun­ft mithin frei­willig sei, da die Arbeit­nehmerin von Geset­zes wegen hätte arbeit­en dür­fen. Demzu­folge tre­ffe den Arbeit­ge­ber, soweit nichts Anderes vere­in­bart sei, auch keine Lohn­fortzahlungspflicht. Der Anspruch auf Leis­tun­gen aus der Mut­ter­schaftsver­sicherung recht­fer­tige aber nicht, diese frei­willige Abwe­sen­heit im Ver­gle­ich zu anderen unver­schulde­ten Abwe­sen­heit­en von Arbeit­nehmenden, die bei der Bemes­sung der Grat­i­fika­tion eben­falls als Kürzungs­grund berück­sichtigt wer­den kön­nten, zu priv­i­legieren. Die Vorin­stanz beurteilte daher die Kürzung der Grat­i­fika­tion während der frei­willi­gen Abwe­sen­heit der Beschw­erde­führerin als nicht diskri­m­inierend (E. 3.2.1).

In Bezug auf die Höhe des Son­der­bonus habe die Vorin­stanz erwogen, dass ein Anspruch auf einen Bonus in bes­timmter Höhe nicht vere­in­bart wor­den sei. Eine solche mögliche Ver­tragsan­pas­sung sei zwar Gegen­stand von Ver­hand­lun­gen gewe­sen, habe aber keine Eini­gung gefun­den. Es ste­he daher auch nicht fest, dass über­haupt eine Kürzung gestützt auf die Abwe­sen­heit der Beschw­erde­führerin infolge Schwanger­schaft oder Niederkun­ft erfol­gt sei. Es sei der Arbeit­nehmerin zudem auch nicht bestätigt wor­den, dass der Son­der­bonus für die Zeit der Abwe­sen­heit der Beschw­erde­führerin bezahlt würde. Es habe daher im Ermessen der Arbeit­ge­berin ges­tanden, ob und in welch­er Höhe ein allfäl­liger Son­der­bonus aus­bezahlt würde. Man­gels eines Anspruchs sei auch keine Diskri­m­inierung erstellt (E. 3.2.2. und E. 3.3.2).

Gestützt darauf erwog das Bun­des­gericht, dass angesichts dieser überzeu­gen­den Erwä­gun­gen der Vorin­stanz nicht dar­ge­tan sei, dass diese in Willkür ver­fall­en wäre oder son­st Bun­desrecht ver­let­zt hätte (E. 3).

Gemäss Bun­des­gericht sei die vorin­stan­zliche Erwä­gung nicht zu bean­standen, wonach die Arbeit­ge­berin auf­grund der ver­traglichen Vere­in­barung die schwanger­schafts­be­d­ingte Abwe­sen­heit bei ihrer Leis­tungs­beurteilung resp. bei der Bemes­sung des Bonus habe berück­sichti­gen dür­fen. Es ver­ste­he sich von selb­st, dass die Leis­tung bzw. der Out­put eines Arbeit­nehmers bei ein­er länger dauern­den Abwe­sen­heit, wie vor­liegend, unab­hängig vom Grund ins­ge­samt geringer aus­falle, als wenn die Beschw­erde­führerin während des ganzen Jahres 2018 voll gear­beit­et hätte. Eine Kürzung erscheine daher sach­lich gerechtfertigt.

Nicht gefol­gt wer­den könne der Beschw­erde­führerin auch, wenn sie einen Ver­stoss gegen Art. 3 GlG erkenne. Namentlich sei unbe­strit­ten, dass sie während der noch zu beurteilen­den Zeit von der 9. bis zur 16. Woche des Mut­ter­schaft­surlaubs von Geset­zes wegen hätte arbeit­en dür­fen. Die Vorin­stanz habe daher zu Recht angenom­men, man­gels ein­er entsprechen­den ver­traglichen Abrede müsse der frei­willige Teil des Mut­ter­schaft­surlaubs von der Arbeit­ge­berin nicht vergütet wer­den. Auch angesichts des Anspruchs auf Leis­tun­gen aus der Mut­ter­schaftsver­sicherung sei nicht ersichtlich, inwiefern Müt­ter gegenüber anderen Arbeit­nehmerin­nen in unzuläs­siger Weise benachteiligt wären. Daran ändere auch die Argu­men­ta­tion nichts, dass wohl nur wenige Müt­ter ihre Arbeit bere­its ab der 9. Woche nach der Niederkun­ft wieder aufnehmen würde (E. 3.3.1).

Die Vorin­stanz habe fern­er schlüs­sig begründe, dass und weshalb der direk­te Vorge­set­zte der Beschw­erde­führerin nicht zur Vertre­tung der Beschw­erdegeg­ner­in­nen befugt war und dies­bezügliche Zusagen daher unbeachtlich wären. Ohne­hin habe der Vorge­set­zte mehrfach entsprechende Vor­be­halte ange­bracht (E. 3.3.2).

Auch in Bezug auf die nach Ansicht der Beschw­erde­führerin diskri­m­inierend aufgeschobene Fest­set­zung der Lohn­er­höhung per 1. Jan­u­ar 2019 (anstatt bere­its ab April 2018), seien die Erwä­gun­gen der Vorin­stanz nicht zu bean­standen. Neb­st der erwäh­n­ten fehlen­den Vertre­tungs­befug­nis des Vorge­set­zten sei ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Beschw­erde­führerin die Lohn­er­höhung ger­ade nicht “beschlossen” gewe­sen und eine Lohn­er­höhung per Anfang des fol­gen­den Jahres scheine nachvol­lziehbar. Dies gelte umso mehr, als die Beschw­erde­führerin bere­its per 1. März 2018 eine Lohn­er­höhung erhal­ten habe und die vor­liegend strit­tige Vere­in­barung rund drei Monate später datiert sei als das gel­tend gemachte Datum der Lohnerhöhung.

Weit­er habe die Beschw­erde­führerin volle Lohn­fortzahlung (zum bish­eri­gen Lohn) während der Abwe­sen­heit und einen Ein­mal-Bonus von Fr. 10’000.- erhal­ten. Nach Auf­fas­sung der Arbeit­ge­berin sei damit offen­sichtlich der Forderung nach ein­er früheren Lohn­er­höhung Rech­nung getra­gen wor­den. Eine Diskri­m­inierung allein auf­grund der Mut­ter­schaft der Beschw­erde­führerin sei nicht dar­ge­tan, so das Bun­des­gericht, zumal die Beschw­erde­führerin auch nicht belegt, dass sie, ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Vorin­stanz, Anspruch auf eine Lohn­er­höhung gehabt hätte (vgl. auch E. 3.2.3). Soweit die Beschw­erde­führerin vor­bringe, ohne Schwanger­schaft wäre die Lohn­er­höhung bere­its früher in Kraft getreten, gehe ihr Vor­brin­gen nicht über eine blosse Behaup­tung hin­aus, welche auch angesichts der Beweis­laster­le­ichterung nach Art. 6 GlG (vgl. oben E. 3.1.3) nicht genüge (E.3.3.3).

Gestützt darauf wies das Bun­des­gericht die Beschw­erde ab (E. 4).