BGer 4A_567/2024: Aufklärungspflicht von Banken bei Rollover-Hypothek und Zinsaustauschgeschäft

Im Urteil 4A_567/2024 vom 27. Mai 2025 befasste sich das Bun­des­gericht unter anderem mit der Aufk­lärungspflicht von Banken.

Im Zusam­men­hang mit Kred­itverträ­gen für eine Immo­bilien­fi­nanzierung auf Basis eines 3 Monats LIBOR bzw. SARON (Rollover-Hypotheken) mit einem Zins­floor von 0% sowie einem Zin­saus­tauschgeschäft (Swap) ohne Zins­floor zwis­chen der Bank B. (Bank) und zwei Kundin­nen (Beschw­erde­führerin­nen) macht­en die Beschw­erde­führerin­nen unter anderem eine Ver­let­zung der Aufk­lärungspflicht durch die Bank gel­tend, welche auch ohne spezielle Man­datsvere­in­barung ent­standen sei, weil es zu ein­er punk­tuellen Beratungssi­t­u­a­tion mit der Bank gekom­men sei. In dieser hät­ten sie darauf ver­trauen dür­fen, dass die Bank sie ord­nungs­gemäss zu den asym­metrischen Zahlungsverpflich­tun­gen bei neg­a­tiv­en Zinssätzen berat­en würde (vgl. E. 3.1).

Bevor es im konkreten Fall zur Prü­fung der Aufk­lärungspflicht kam, fasste das Bun­des­gericht zunächst die für sie rel­e­van­ten Aspek­te der Recht­sprechung zur Aufk­lärungspflicht von Banken wie fol­gt zusam­men (E. 3.3 ff.):

  • Eine Bank muss unaufge­fordert und umfassend aufk­lären, wenn die Aufk­lärung Bestandteil der Hauptschuld ist (E. 3.3.1).
  • Wenn ein Kunde Auskun­ft oder Rat wün­scht und die fachkundi­ge Bank diesen erteilt, ist die Aufk­lärung wahrheits­gemäss und voll­ständig vorzunehmen (E. 3.3.1 unter Ver­weis auf BGer 4A_331/2012 vom 2. April 2023, E. 2.2.1).
  • Falls eine Aufk­lärungspflicht beste­ht, gilt diese auch im vorver­traglichen oder ver­tragsan­bah­nen­den Ver­hält­nis (E. 3.3.2).
  • Ausser­halb des eige­nen Deck­ungsin­ter­essens ist es grund­sät­zlich nicht in der Ver­ant­wor­tung der Bank, den Kred­itbe­darf und die Ver­wen­dungsab­sicht­en des Kun­den zu hin­ter­fra­gen (E. 3.3.2.1. mit Hin­weisen auf BGer 4A_513/2010 vom 30. August 2011 E. 7.1 und BGer 4C.20/2005 E. 4.2.3).
  • Eine aus dem Loy­al­ität­sprinzip fliessende umfassende Aufk­lärungspflicht beste­ht nur aus­nahm­sweise, etwa bei einem gefes­tigten Ver­trauensver­hält­nis über den punk­tuellen Ver­tragss­chluss hin­aus oder wenn der Abschluss des Kred­itver­trags zusam­men mit bes­timmten Ver­mö­gen­san­la­gen emp­fohlen wird (E. 3.3.2.1; mit Hin­weisen auf BGer 4A_513/2010 E. 7.1 und BGer 4C.20/2005 E. 4.2.3).
  • Vorver­tragliche Warnpflicht­en kön­nen entste­hen, wenn ein uner­fahren­er Kunde erkennbar auf Rat oder Aufk­lärung ver­traut oder die Bank von ein­er für den Kun­den nicht erkennbaren Gefahren­lage weiss (E. 3.3.2.2).
  • Im Zusam­men­hang mit Inter­essenkon­flik­ten kön­nen eben­falls Aufk­lärungspflicht­en beste­hen (E. 3.3.2.2).

Weit­er hielt das Bun­des­gericht fest, dass bei Kred­iten, die zur Abwick­lung nicht bankna­her Geschäfte dienen wür­den, grund­sät­zlich keine Pflicht beste­he, unaufge­fordert über die rechtliche oder wirtschaftliche Durch­führbarkeit solch­er Geschäfte oder deren Risiken zu informieren. Eine all­ge­meine Beratungspflicht greife nur, wenn das Geschäft auf Ver­an­las­sung oder Ver­mit­tlung der Bank zus­tande gekom­men sei. Anders als bei bankna­hen Geschäften beste­he eine Warnpflicht nur unter beson­deren Voraus­set­zun­gen, ins­beson­dere bei einem Wis­sensvor­sprung der Bank, zu spez­i­fis­chen Risiken des zu finanzieren­den Pro­jek­ts (E. 3.3.2.3; m. H. auf Urteil 4C.20/2005 E. 4.2.3).

Mit Blick auf die Vor­brin­gen der Beschw­erde­führerin­nen führte das Bun­des­gericht aus, dass die Vorin­stanz sich zwar eben­falls auf diese Recht­sprechung gestützt habe, aber zu wenig beachtet habe, dass sich die grund­sät­zliche Ablehnung ein­er Aufk­lärungspflicht auf das Kred­it­geschäft an sich und dessen Zweck­mäs­sigkeit beziehe. Daraus könne in Bezug auf Infor­ma­tio­nen über banken­spez­i­fis­che Punk­te betr­e­f­fend die ver­wen­de­ten Kred­itin­stru­mente im vor­liegen­den Fall nichts abgeleit­et wer­den, denn es seien ger­ade Infor­ma­tio­nen über das Swap-Geschäft von der Bank ver­langt wor­den und die Bank habe ein mass­geschnei­dertes Leis­tungsange­bot in Aus­sicht gestellt. Entsprechend habe sie auch umfassend und wahrheits­ge­treu aufk­lären müssen (E. 3.4.).

Das Bun­des­gericht wies jedoch darauf hin, dass, weil eine Bank im Rah­men des Kred­it­geschäfts keine umfassende Inter­essen­wahrungspflicht gegenüber ihren Kun­den habe, vor­liegend keine umfassende Pflicht der Bank bestanden habe, den Beschw­erde­führerin­nen von gewis­sen Schrit­ten abzu­rat­en, die erkennbar nicht in deren Inter­essen gewe­sen seien. Die Bank sei lediglich gehal­ten, ihren Kun­den nur diejeni­gen Pro­duk­te anzu­bi­eten, von denen sie annehmen durften, sie wür­den den Bedürfnis­sen und Erwartun­gen der Kun­den entsprechen (E 3.4.2 ff.).

Basierend darauf und vor dem Hin­ter­grund, dass die Beschw­erde­führerin­nen der Bank vor­war­fen, dass diese sie nicht über die Möglichkeit ein­er Fes­thy­pothek informiert habe, sah das Bun­des­gericht für die Beurteilung, ob die Bank ihrer Aufk­lärungspflicht im vor­liegen­den Fall ver­let­zt habe, fol­gende drei Fra­gen als auss­chlaggebend an (E. 3.5.):

  • Hätte die Bank in ihrer Präsen­ta­tion gegenüber den Beschw­erde­führerin­nen auch über die Option und Funk­tion­sweise ein­er Fes­thy­pothek informieren müssen?
  • Hat die Bank die Beschw­erde­führerin­nen über die Pro­duk­te (Rollover-Hypothek und Swap) kor­rekt informiert?
  • Hätte die Bank von den gewählten Pro­duk­ten abrat­en sollen?

Betr­e­f­fend die erste Frage hielt das Bun­des­gericht fest, dass die Bank ursprünglich indika­tive Zinssätze für Fes­thy­potheken zur Ver­fü­gung gestellt hät­ten, wom­it die Beschw­erde­führerin­nen von dieser Option gewusst haben. Zudem sah das Bun­des­gericht nicht, welche Infor­ma­tio­nen zu Fes­thy­potheken den Beschw­erde­führerin­nen gefehlt haben kön­nten, damit die Wahl des Pro­duk­ts durch die Beschw­erde­führerin­nen bee­in­flusst wor­den wäre (E. 3.5.1.).

Im Zusam­men­hang mit der zweit­en Frage urteilte das Bun­des­gericht, dass die Beschw­erde­führerin­nen auf die asym­metrischen Zahlungspflicht­en im Falle von Neg­a­tivzin­sen kor­rekt hingewiesen wor­den seien (E. 3.5.2.).

Bei der Beant­wor­tung der let­zten Frage stellte das Bun­des­gericht klar, dass nicht erwiesen sei, inwiefern eine Fes­thy­pothek zwin­gend die einzig geeignete Vari­ante für eine Zins­ab­sicherung im Zusam­men­hang mit der Immo­bilien­fi­nanzierung gewe­sen sei. Entsprechend sei die Ein­schätzung, dass das gewählte Ver­tragskon­strukt sich trotz gewiss­er Risiken für die von den Beschw­erde­führerin­nen beab­sichtigten Zwecke geeignet habe, nicht unzutr­e­f­fend (E. 3.5.3.).

Ins­ge­samt verneinte das Bun­des­gericht deshalb, dass die Bank ihre Aufk­lärungspflicht ver­let­zt habe (E. 3.7).