Das Bundesgericht hat einen wichtigen Grundsatzentscheid betreffend die Behandlung ausländischer Trusts im Schweizer Erbrecht gefällt. Das zu beurteilende liechtensteinische Treuunternehmen qualifizierte vorliegend aufgrund seiner Rechtspersönlichkeit zwar nicht als Trust i.S. des Haager Trust-Übereinkommens (HTÜ), wies aber verschiedene Parallelen mit Trusts auf. Entsprechend wandte das BGer die für Trusts entwickelten Grundsätze analog an, weshalb die Feststellungen für die Schweizer Trust-Rechtsprechung wegweisend sind:
-
Das Trustvermögen eines irrevocable discretionary trusts fällt nicht in den Nachlass. Die zivilrechtliche Rechtslage kann diesbezüglich von der steuerrechtlichen Beurteilung abweichen (E. 5.)
-
Die Einräumung der Begünstigtenstellung eines irrevocable discretionary trusts qualifiziert als Zuwendung unter Lebenden (E. 6), ist aber mangels eines durchsetzbaren Rechtsanspruchs der Begünstigten nicht ausgleichungspflichtig (E. 7.)
-
Vermögensübertragungen an einen Trust unterstehen grundsätzlich der Herabsetzung hebelt die Anerkennung von ausländischen Trusts das Schweizer Pflichtteilsrecht nicht aus (E. 8.)
Sachverhalt und Prozessgeschichte:
Der mit letztem Wohnsitz in der Schweiz verstorbene Erblasser G.A. hinterliess als gesetzliche Erben drei Kinder (A.A., B.A., C.A.) sowie drei Enkel (D.D., E.D., F.D.; Kinder seiner vorverstorbenen Tochter). Die Erben konnten sich anlässlich einer Schlichtungsverhandlung über die Teilung der Erbschaft einigen. Gestützt auf das vom Erbschaftsamt erstellte Inventar schlossen sie einen Vergleich, wonach D.D., E.D. und F.D. ihre Erbanteile gegen eine Entschädigung von CHF 1.8 Mio. an A.A., B.A. und C.A. abtraten.
Nachträglich stellte sich heraus, dass der Erblasser bis zu seinem Ableben einziger Begünstigter eines liechtensteinischen Treuunternehmens war. Gemäss den Beistatuten waren B.A. und C.A. nach dessen Tod am Kapital und Ertrag des Treuunternehmens begünstigt. Das Erbschaftsamt erfasste die Vermögenswerte des Treuunternehmens in einem Nachtrag zum Inventar (netto: rund CHF 1.33 Mio.). Im Anschluss erhoben die solothurnischen Behörden eine sog. Nachlasstaxe (auf dem Nachlass, § 217 Abs. 1 StG-SO) sowie eine «Nachsteuer des Verstorbenen» (vgl. Art. 153a DBG).
Die drei Enkel klagten auf Nachteilung dieser Vermögenswerte sowie eventualiter auf Ausgleichung der Zuwendungen an das Treuunternehmen. Die erste Instanz wies die Klage ab, während die Rechtsmittelinstanz (Obergericht des Kantons Solothurn) die Berufung teilweise guthiess. Es stellte fest, dass die Vermögenswerte des Treuunternehmens zum Nachlass gehörten und bejahte eventualiter die Ausgleichungspflicht der Zuwendungen an das Treuunternehmen. Das Bundesgericht hiess die von A.A., B.A. und C.A. erhobene Beschwerde vollumfänglich gut und hob den Entscheid der Vorinstanz auf.
Erwägungen:
Anwendung der für Trusts entwickelten Grundsätze (E. 4.)
Aufgrund des letzten Wohnsitzes des Erblassers in der Schweiz war vorliegend unbestrittenermassen Schweizer Recht auf den Nachlass anwendbar. In Bezug auf das Treuunternehmen wandte das BGer die für Trusts entwickelten Grundsätze an, obwohl das vorliegende Treuunternehmen nicht als Trust i.S. des HTÜ qualifizierte. Entsprechend sind die Erwägungen somit auch für Trusts i.S. des HTÜ wegweisend.
Das vorliegende Treuunternehmen wies zwar Charakteristika eines Trusts auf, hatte gemäss Ausgestaltung der Treusatzungen allerdings eine eigene Rechtspersönlichkeit und war vermögensfähig (vgl. liechtensteinisches Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) vom 20. Januar 1926, Art. 932a ff.). Demgegenüber hat ein Trust keine Rechtspersönlichkeit bzw. lautet das Trustvermögen auf den Namen des Trustees (Art. 2 Abs. 2 lit. b HTÜ). Die Anerkennung des liechtensteinischen Treuunternehmens erfolgte daher über Art. 154 IPRG, da es offenbar nach liechtensteinischen Publizitäts- und Registrierungsvorschriften formgültig errichtet wurde.
Das Vermögen eines irrevocable discretionary trusts fällt nicht in den Nachlass (E. 5.)
Die Vorinstanz hatte das Treuunternehmen (zu Unrecht) sinngemäss als revocable trust qualifiziert, weil der Erblasser zu seinen Lebzeiten einziger Begünstigter des Trusts geblieben sei und sich somit nicht endgültig sämtlicher Rechte in Bezug auf das Treuunternehmen und Treuvermögen entäussert habe (E. 5.1.).
Das BGer qualifizierte das Treuunternehmen demgegenüber sinngemäss als irrevocable discretionary trust. Es erwog, dass der Erblasser das Treuunternehmen und das Treuvermögen zu Lebzeiten gegründet bzw. geäufnet hatte. Gemäss den Treusatzungen habe der Erblasser unwiderruflich und vorbehaltlos auf jegliche Rechte am Treuunternehmen und am Treuvermögen verzichtet. Damit seien die betreffenden Vermögenswerte bereits zu Lebzeiten aus dem Vermögen des Erblassers ausgeschieden und fielen nicht in seinen Nachlass (E. 5.4.2.). Ausserdem räumten die Treusatzungen dem Treuhänderrat betreffend die Art, den Umfang und die Zahlungsmodalitäten der Begünstigungen freies Ermessen ein. Insbesondere verboten sie dem Erblasser und den Begünstigten die Einsitznahme im Treuhänderrat, was soweit ersichtlich stets respektiert wurde. (E. 5.4.3.2).
Vor diesem Hintergrund fand das BGer auch keine Hinweise darauf, dass ein unwirksamer sog. sham trust vorlag, bei welchem sich der Erblasser de facto die Verfügungsmacht vorbehält (E. 5.4.3.1.). Auch die Voraussetzungen eines Durchgriffs waren vorliegend nicht erfüllt (Abhängigkeit der juristischen Person von der beherrschenden Person bzw. Identität der Interessen; rechtsmissbräuchliche Berufung auf die rechtliche Selbständigkeit der juristischen Person).
Selbst der Umstand, dass die solothurnischen Behörden das Treuvermögen mittels einer «Nachbesteuerung des Verstorbenen» besteuerten, änderte nichts daran, dass die betreffenden Vermögenswerte nicht in den Nachlass fielen. Gemäss den Feststellungen des Bundesgerichts könne die zivilrechtliche Rechtslage durchaus von der steuerrechtlichen Beurteilung abweichen (E. 5.4.3.2.). Damit verwarf es das Argument der Enkel, wonach eine Nachbesteuerung des Erblassers voraussetze, dass ihm die besteuerten Vermögenswerte im Todeszeitpunkt zuzurechnen gewesen und somit in den Nachlass gefallen seien (vgl. Art. 560 ZGB).
Die Einräumung der Begünstigtenstellung eines irrevocable discretionary trusts ist ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, untersteht aber nicht der Ausgleichungspflicht (E. 6., 7.)
Die Vorinstanz hatte (zu Unrecht) erwogen, dass die Einräumung der Begünstigtenstellung von B.A. und C.A. als Verfügung von Todes wegen zu qualifizieren sei, welche die Schweizer Formvorschriften verletze (E. 6.1.). Das BGer qualifizierte die Einräumung der Begünstigtenstellung demgegenüber als Rechtsgeschäft unter Lebenden:
Massgebend für die Unterscheidung ist bekanntlich der Zeitpunkt, in welchem das Rechtsgeschäft seine Wirkungen entfalten soll (Belastung des Vermögens = Rechtsgeschäft unter Lebenden; Belastung des Nachlasses = Verfügung von Todes wegen). Das BGer verglich die vorliegende Konstellation mit einer Todesfallversicherung, die nach seiner Rechtsprechung als Rechtsgeschäft unter Lebenden zu qualifizieren ist. Ähnlich wie beim Abschluss einer Todesfallversicherung habe der Erblasser zu Lebzeiten ein Treuunternehmen errichtet, das Treuvermögen aus seinem Vermögen finanziert und für den Todesfall (Zweit-)Begünstigte bezeichnet (E. 6.4.2., 6.4.3.).
Die Einräumung der Begünstigtenstellung unterliegt gemäss Feststellungen des BGers nicht der Ausgleichungspflicht (Art. 626 ZGB; E. 7.).
Das BGer verwarf die Argumentation der Beschwerdeführer, welche sich auf die Rechtsfigur des sog. «ausgleichungsrechtlichen Durchgriffs» stützten (siehe BGE 149 III 145, vgl. Kommentierung auf swissblawg). Sie hatten vorgebracht, dass die Vermögensübertragung an das Treuunternehmen in Verbindung mit der Einräumung der Begünstigtenstellung vergleichbar sei mit den in BGE 149 III 145 als ausgleichungspflichtig qualifizierten Zuwendungen einer vom Erblasser beherrschten Aktiengesellschaft an dessen Nachkommen.
Das BGer stellte fest, dass das Treuvermögen angesichts der (sinngemässen) Qualifikation des Treuunternehmens als irrevocable discrectionary trust nicht unmittelbar den Begünstigten angerechnet werden könne. Die blosse Einräumung der Begünstigtenstellung stelle keine ausgleichungspflichtige Zuwendung i.S.v. Art. 626 ZGB dar. Es erwog, dass den Begünstigten vorliegend kein durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Zuwendungen aus dem Treuvermögen zustehe, da Art, Umfang und Zahlungsmodalitäten der Begünstigungen im freien Ermessen des Treuhänderrats standen. Insbesondere konnte der Treuhänderrat die Beistatuten – und damit sogar die Begünstigtenordnung – jederzeit abändern oder aufheben. Entsprechend habe der Tod des Erblassers keinen Einfluss auf die Rechtsstellung der Begünstigten gezeitigt. An dieser Feststellung ändere auch der Umstand nichts, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass der Treuhänderrat im Sinne des originären Willens des Treugebers handeln werde (E. 7.4.4.; d.h. konkret Auschüttungen an die Zweitbegünstigten vornehmen wird).
Grundsätzlich seien Zuwendungen aus einem Trust ausgleichungspflichtig, soweit Nachkommen diese bereits zu Lebzeiten erhalten haben. Dasselbe müsse gelten, wo die Begünstigten eines Trusts einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Ausschüttung von Kapital und / oder Ertrag zusteht, wie dies z.B. bei beinem fixed interest trust grundsätzlich der Fall sei (E. 7.4.4.).
Mangels eines entsprechenden Tatsachenfundaments liess das BGer offen, wie es sich vorliegend verhalten hätte, wenn der Treuhänderrat bereits zu Lebzeiten regelmässige Zuwendungen an den Erblasser getätigt und diese «Praxis» nach dessen Tod zugunsten der zweitbegünstigten Nachkommen fortgeführt hätte (E. 7.5.4.). Relevant wäre im Lichte vorstehender Erwägungen wohl primär, ob eine solche «Praxis» einen durchsetzbaren Rechtsanspruch der Begünstigten entstehen liess.
Grundsätzlich unterliegen Vermögensübertragungen an einen Trust der Herabsetzung (E. 8.)
Da die Beschwerdegegner (DD., E.D., F.D.) vorliegend keine Herabsetzungsansprüche geltend machten, setzte sich das BGer damit nicht im Detail auseinander. Es stellte immerhin fest, dass gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung «ausser Frage» stehe, dass Vermögensübertragungen an Treuunternehmen oder an einen Trustee (bei einem Trust i.S. des HTÜ) im Grundsatz der Herabsetzung unterliegen und der Schweizer Pflichtteilsschutz durch die Anerkennung von Trusts i.S. des HTÜ nicht ausgehebelt werde (vgl. Art. 15, 16, 18 HTÜ).