Urteil B‑2334/2023: Rechtswidrige Verfügung zur Abschreibung von AT1-Kapitalinstrumenten

Im Teilentscheid B‑2334/2023 vom 1. Okto­ber 2025 hob das Bun­desver­wal­tungs­gericht die Ver­fü­gung der Eid­genös­sis­chen Finanz­mark­tauf­sicht vom 19. März 2023, mit welch­er diese die Cred­it Suisse Group AG angewiesen hat­te, ihre Addi­tion­al Tier 1‑Kapitalinstrumente abzuschreiben, man­gels Rechts­grund­lage auf.

Hin­ter­grund des Teilentschei­ds war die von X. S.L., Y. S.L. und Z. S.L. (Beschw­erde­führende) ein­gere­ichte Beschw­erde vom 27. April 2023 gegen die Ver­fü­gung der  Eid­genös­sis­chen Finanz­mark­tauf­sicht (FINMA oder hier auch Vorin­stanz) vom 19. März 2023 (Ver­fü­gung) (sowie mit­tels Beschw­erdeergänzung vom 15. Mai 2023 auch gegen die FIN­MA-Ver­fü­gung vom 22. März 2023, soweit diese die Ver­fü­gung bestätigte).

In dieser Ver­fü­gung wies die FINMA die Cred­it Suisse Group AG (CS) an, die AT1-Kap­i­tal­in­stru­mente vor dem Hin­ter­grund des am 19. März 2023 kom­mu­nizierten Mass­nah­men­pakets zur Über­nahme der CS durch die UBS Group AG (Beschw­erdegeg­ner­in) abzuschreiben. Die FINMA stützte sich für den Erlass der Ver­fü­gung auf aArt. 5a der Verord­nung über zusät­zliche Liq­uid­ität­shil­fe-Dar­lehen und die Gewährung von Aus­fall­gar­antien des Bun­des für Liq­uid­ität­shil­fe-Dar­lehen der Schweiz­erischen Nation­al­bank an sys­tem­rel­e­vante Banken vom 16. März 2023 (PLB-NVO).

Die Beschw­erde­führen­den ver­langten unter anderem die Aufhe­bung der Ver­fü­gung und die Verpflich­tung der CS, die voll­ständi­ge Abschrei­bung der rel­e­van­ten AT1-Kap­i­tal­in­stru­mente (namentlich die USD 1’500’000’000 4.500 Per Cent Per­pet­u­al Tier 1 Con­tin­gent Write-down Cap­i­tal Notes) rück­gängig zu machen. Im Rah­men des Teilentschei­ds befasste sich das Bun­desver­wal­tungs­gericht nur mit dem Antrag der Beschw­erde­führen­den, die Ver­fü­gung aufzuheben (E. 1).

Nach­dem das Bun­desver­wal­tungs­gericht seine Zuständigkeit (E. 2 ff.) und die Beschw­erdele­git­i­ma­tion der Beschw­erde­führen­den (E. 3 ff.) bejaht hat­te, befasste es sich in materieller Hin­sicht mit der Frage, ob die Voraus­set­zun­gen für einen soge­nan­nten Via­bil­i­ty Event (Klausel Ziff. 7(a)(iii) der AT1-Ver­trags­be­din­gun­gen) erfüllt gewe­sen waren (E. 5 ff.).

Zur Beurteilung dieser Frage legte das Bun­desver­wal­tungs­gericht die AT1-Ver­trags­be­din­gun­gen, welche die rel­e­van­ten Via­bil­i­ty Events (Via­bil­i­ty Event Typ A und Via­bil­i­ty Event Typ B) definierten, gemäss zivil­rechtlichen Grund­sätzen aus, wobei es sich primär auf den übere­in­stim­menden wirk­lichen Willen der Parteien stützte (E. 5.4.1), aber auch gemäss Ver­trauen­sprinzip zu keinem abwe­ichen­den Ausle­gungsergeb­nis kam (E. 5.4.2). Das Bun­desver­wal­tungs­gericht kam zum Schluss, dass nach dem übere­in­stim­menden wirk­lichen Willen der Parteien ein Via­bil­i­ty Event Typ B vorgele­gen habe, wenn die in Frage ste­hende Staat­shil­fe bes­timmt und erforder­lich gewe­sen seien, um eine ungenü­gende Eigenkap­i­ta­lausstat­tung zu verbessern (E. 5.4.2 / E. 5.4.4.4)). Für das Bun­desver­wal­tungs­gericht war es sodann nicht erwiesen, dass die in Frage ste­hen­den Staat­shil­fen bes­timmt und erforder­lich gewe­sen seien, um die Eigenkap­i­ta­lausstat­tung der CS zu verbessen (auch nicht indi­rekt) (E. 5.4.5 ff). Entsprechend habe kein Via­bil­i­ty Event Tyb B vorgele­gen (E. 5.4.8).

Für den Via­bil­i­ty Event Typ A kam das Bun­desver­wal­tungs­gericht zum gle­ichen Ausle­gungsergeb­nis (E. 5.5.1 ff.) und ergänzte, dass wed­er die Vorin­stanz noch die Beschw­erdegeg­ner­in belegt gehabt habe, dass eine für den Via­bil­i­ty Event Typ A rel­e­vante Mit­teilung der FINMA erfol­gt gewe­sen sei (E. 5.5.5.1). Zudem sei zum rel­e­van­ten Zeit­punkt unbe­strit­ten­er­massen ein T2-Instru­ment ausste­hend gewe­sen (E. 5.5.5.2). Es kam somit zum Schluss, dass auch die Voraus­set­zun­gen für den Ein­tritt des Via­bil­i­ty Events Typ A nicht gegeben gewe­sen seien (E. 5.5.9).

In einem zweit­en Schritt beurteilte das Bun­desver­wal­tungs­gericht, ob die Anweisung der Vorin­stanz in die ver­fas­sungsmäs­sig garantierte Eigen­tums­garantie der Beschw­erde­führen­den einge­grif­f­en hatte.

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht hielt fest, dass die Eigen­tums­garantie gemäss Art. 26 der Bun­desver­fas­sung (BV) auch andere ver­mö­genswerte Rechte wie oblig­a­torische Rechte schütze, wom­it auch die AT1-Anlei­hen in den Schutzbere­ich der Eigen­tums­garantie fall­en wür­den (E. 6.2). Sodann prüfte das Bun­desver­wal­tungs­gericht, ob die Voraus­set­zung ein­er geset­zlichen Grund­lage gemäss Art. 36 BV für einen recht­mäs­si­gen Ein­griff in die Eigen­tums­garantie erfüllt war. Auf­grund der in Frage ste­hen­den Beträge ging das Bun­desver­wal­tungs­gericht davon aus, dass es sich um einen schw­eren Ein­griff gehan­delt habe, wom­it eine aus­drück­liche Regelung in einem formellen Gesetz notwendig gewe­sen wäre (E. 6.4 ff.).

Eine solche Grund­lage in einem formellen Gesetz lag nach Auf­fas­sung des Bun­desver­wal­tungs­gerichts nicht vor. Das Bun­desver­wal­tungs­gericht hielt zu Art. 26 BankG fest, dass der Hand­lungsspiel­raum der FINMA zum Erlass von Mass­nah­men unter dieser Bes­tim­mung gemäss bun­des­gerichtlich­er Recht­sprechung beschränkt gewe­sen sei (E. 6.8.3). Ins­beson­dere müssten sich solche Mass­nah­men primär gegen die beauf­sichtigte Bank und nur punk­tuell sowie indi­rekt gegen deren Kun­den richt­en (E. 6.8.3 f.). Zudem han­dle es sich bei diesen Schutz­mass­nah­men lediglich um vor­sor­gliche Mass­nah­men mit vor­läu­figem Charak­ter (E. 6.8.5). Diese Voraus­set­zun­gen seien im Zusam­men­hang mit der Anweisung zur Abschrei­bung der AT1-Kap­i­tal­in­stru­mente ger­ade nicht erfüllt gewe­sen (E. 6.8.6.2), weshalb Art. 26 BankG nicht als genü­gende geset­zliche Grund­lage diene (E. 6.8.7).

Zu Art. 31 Abs. 1 FINMAG hielt das Bun­desver­wal­tungs­gericht fest, dass diese Bes­tim­mung die FINMA zur Wieder­her­stel­lung des ord­nungs­gemässen Zus­tands ermächtige, wenn ein Beauf­sichtigter Bes­tim­mungen eines Finanz­mark­t­ge­set­zes ver­let­zt habe oder son­stige Missstände beste­hen wür­den. Auch hier gelte, dass nicht jede Mass­nahme zuläs­sig sei: Sie müsse sich gegen die Bank richt­en und dürfe Kun­den nur mit­tel­bar betr­e­f­fen (E. 6.9.2), was vor­liegend wie im Zusam­men­hang mit Art. 26 BankG aus­ge­führt wor­den sei, ger­ade nicht der Fall gewe­sen sei (E. 6.9.3).

Betr­e­f­fend Art. 5a PLB-NVO war das Bun­desver­wal­tungs­gericht der Mei­n­ung, dass dies Bes­tim­mung eben­falls nicht genügt habe, da es sich nicht um ein Gesetz im formellen Sinne gehan­delt habe. Somit könne diese Bes­tim­mung nicht als Grund­lage für einen schw­eren Ein­griff in die Eigen­tums­garantie gedi­ent haben (E. 6.10.2). Zudem habe Art. 5a PLB-NVO die Anforderun­gen an eine geset­zliche Grund­lage gemäss Art. 36 Abs. 1 BV generell nicht erfüllt, da diese Bes­tim­mung zu unbes­timmt gewe­sen sei (E. 6.10.3 f.).

Schliesslich hielt das Bun­desver­wal­tungs­gericht auch fest, dass Art. 5a PLB-NVO nicht ver­fas­sungskon­form gewe­sen sei, da die Voraus­set­zun­gen für den Erlass ein­er Notverord­nung nach Art. 184 Abs. 3 bzw. Art. 185 Abs. 3 BV u.a. man­gels fehlen­der Sub­sidiar­ität nicht erfüllt gewe­sen seien (E. 7.2 ff). Weit­er seien auch die Anforderun­gen an die Über­tra­gung von Ver­wal­tungsauf­gaben mit Enteig­nungs­befug­nis­sen an Pri­vate gemäss Art. 178 Abs. 3 BV nicht erfüllt gewe­sen (E. 7.9 ff).

Da Art. 5a PLB-NVO somit ver­fas­sungswidrig war, kon­nte diese Bes­tim­mung eben­falls nicht als Rechts­grund­lage für die Anweisung der FINMA zur Abschrei­bung der AT1-Kap­i­tal­in­stru­mente dienen (E. 7.11).

Die AT1-Ver­fü­gung wurde somit als rechtswidrig eingestuft, wom­it der Antrag der Beschw­erde­führen­den gut­ge­heis­sen und die Ver­fü­gung aufge­hoben wurde (vgl. E. 10).