4A_385/2007: Missbräuchliche Kündigung während der Probezeit (amtl. Publ.)

Die Kündi­gung durch den Arbeit­ge­ber kann auch dann miss­bräuch­lich sein, wenn sie in der Probezeit erfolgt. 

Dies hat das BGer im Fall eines Facharztes entsch­ieden, der bere­its bei der Anstel­lung offen­gelegt hat­te, dass er noch ein­er anderen Arbeit nachging. Die Begrün­dung der Kündi­gung — die Weigerung des Arztes, sein Pen­sum von 80% inner­halb von zwei Wochen auf 100% aufzu­s­tock­en — reichte nicht. Der Arzt wusste zwar, dass er zu 100% arbeit­en sollte, aber ohne dass ihm dafür ein Zeit­punkt genan­nt wor­den wäre; im Gegen­teil war der Anschein erweckt wor­den, er könne noch länger Teilzeit arbeit­en. Er durfte deshalb darauf ver­trauen, dass sein Pen­sum erst zu einem Zeit­punkt erforder­lich wer­den würde, der ihm eine Anpas­sung sein­er Arbeitssi­t­u­a­tion erlaubt:

Da der Beschw­erdegeg­n­er nach Treu und Glauben aus dem Ver­hal­ten der Beschw­erde­führerin, die mit einem 80 % Pen­sum ein­ver­standen war und um die ander­weit­ige Tätigkeit des Beschw­erdegeg­n­ers wusste, auf eine gewisse Beständigkeit des Teilzeitar­beitsver­hält­niss­es schliessen durfte (vgl. E. 3 hier­vor), muss sich die Beschw­erde­führerin bei diesem Ver­ständ­nis behaften lassen. Sie ver­hält sich wider­sprüch­lich, wenn sie die Kündi­gung ausspricht, weil sich der Beschw­erdegeg­n­er nicht bere­its nach einem Monat zu ein­er Auf­s­tock­ung des vere­in­barten Arbeit­spen­sums bere­it findet.”

Das BGer hält fest, dass OR 336 auch während der Probezeit Anwen­dung findet:

Soweit die Lehre die Miss­brauchs­bes­tim­mungen nicht oder nur ein­schränk­end zur Anwen­dung kom­men lassen will, recht­fer­tigt sie dies mit Hin­weis auf den Sinn und Zweck der Probezeit (…). Damit ist grund­sät­zlich davon auszuge­hen, dass auch eine Kündi­gung während der Probezeit miss­bräuch­lich sein kann. Zu prüfen bleibt aber im Einzelfall, ob die Kündi­gung, welche einen Tatbe­stand nach Art. 336 OR erfüllt oder son­st in einem gewöhn­lichen Arbeitsver­hält­nis als miss­bräuch­lich ange­se­hen würde, mit Blick auf den durch die Probezeit ver­fol­gten Zweck zuläs­sig erscheint.”

Der Zweck der Probezeit beste­ht darin, dass die Parteien einan­der ken­nen­zuler­nen kön­nen und so ein Ver­trauensver­hält­niss­es auf­bauen kön­nen. Damit wird ihnen erlaubt, die län­gere Bindung in Ken­nt­nis der konkreten Umstände zu beurteilen. Eine Kündi­gung in dieser Zeit ist nach der Ver­trags­frei­heit erlaubt, solange sie sich an diesem Zweck ori­en­tiert.
Das war hier allerd­ings nicht der Fall:

Es musste ihr [sc. dem Arbeit­ge­ber] klar sein, dass dem Beschw­erdegeg­n­er eine sofor­tige Auf­gabe dieser Tätigkeit kaum möglich oder zumut­bar sein würde. (…) Wenn sie den­noch umge­hend wegen der man­gel­nden sofor­ti­gen Ver­füg­barkeit des Beschw­erdegeg­n­ers kündigte, liegt darin nicht eine vom Zweck der Probezeit erfasste, “zuläs­sige Willkür”, son­dern ein Ver­hal­ten, das im Wider­spruch zu erweck­tem Ver­trauen ste­ht und keinen Rechtss­chutz verdient.”

Die Vorin­stanz hat­te die Kündi­gung daher zu Recht als miss­bräuch­lich qualifiziert.