5A_291/2009: bei einmaligen Leistungen Verwandtenunterstützungspflicht anders zu bestimmen als bei Dauerleistungen (amtl. Publ.)

Das Sozialamt A. forderte den Vater eines dro­gen­erkrank­ten Sohns auf, Ther­a­piekosten von rund CHF 35’000 zu übernehmen. Die erste Instanz, das Kreis­gericht St. Gallen, hat­te gün­stige Ver­hält­nisse iSv ZGB 328 I bejaht, weil der Vater trotz Unter­halt­szahlun­gen von rund CHF 80’000/Jahr (an die Ehe­frau) sein Ver­mö­gen auf über CHF 2 Mio. ver­mehren kon­nte, in der Schweiz und in Griechen­land eigene Liegen­schaften bewohne. Dies lasse darauf schliessen, dass er auf Ein­nah­men zurück­greifen könne, die nicht bekan­nt seien. Zudem sei er ver­mö­gend, und seine Altersvor­sorge sei auf län­gere Zeit gesichert.

Zu einem anderen Schluss kam das Kan­ton­s­gericht: Der Vater erziele gemäss Steuer­rech­nun­gen einen Wertschriften- und Liegen­schaft­ser­trag von rund CHF 150’000/Jahr. Nach Abzug von Schuldzin­sen und Unter­halts­beiträ­gen resul­tiere ein Minu­seinkom­men. Der gemäss SKOS-Richtlin­ien zumut­bare Ver­mö­gensverzehr liege weit unter­halb der rel­e­van­ten Einkommensschwelle.

Das BGer weist die Sache an die Vorin­stanz zurück. Es ging davon aus, dass alle konkret rel­e­van­ten Umstände zu berück­sichti­gen sind:

In gün­sti­gen Ver­hält­nis­sen im Sinn von Art. 328 Abs. 1 ZGB lebt, wer neb­st den notwendi­gen Aus­la­gen (…) auch diejeni­gen Aus­gaben täti­gen kann, die wed­er notwendig noch nüt­zlich zu sein brauchen, zur Führung eines gehobe­nen Lebensstils jedoch anfall­en (…), d.h. wer auf­grund sein­er finanziellen Gesamt­si­t­u­a­tion ein wohlhaben­des Leben führen kann (…). Mass­ge­blich für die Beurteilung dieser Gesamt­si­t­u­a­tion ist nicht nur das Einkom­men, son­dern auch das Ver­mö­gen (…). Zu berück­sichti­gen sind fern­er auch die ver­wandtschaftlichen Beziehun­gen (…). Ins­ge­samt sind alle sach­lich wesentlichen Umstände des konkreten Einzelfalls zu berück­sichti­gen und eine den beson­deren Ver­hält­nis­sen angepasste Lösung zu finden (…).”

Ein rel­e­van­ter Umstand lag hier darin, 

dass es — anders als in den meis­ten Fällen, welche das Bun­des­gericht in der let­zten Zeit zu beurteilen hat­te — nicht um dauer­hafte Unter­stützungsleis­tun­gen, wie sie ins­beson­dere bei der Alter­sun­ter­stützung im Zusam­men­hang mit ein­er Langzeitpflege typ­isch sind, son­dern im Wesentlichen um die ein­ma­li­gen Kosten für eine Entwöh­nungs­ther­a­pie geht.”

In ein­er solchen Sit­u­a­tion ist es nicht sachgerecht, das Ver­mö­gen in Anwen­dung der SKOS-Richtlin­ien in ein Einkom­men umzurechen:

Dass die gewählte Vorge­hensweise für die ein­ma­lige Unter­stützungsleis­tung unsachgemäss ist, zeigt sich ins­beson­dere im Umstand, dass das auf der Basis des um die ver­langte Unter­stützung ver­min­derten Ver­mö­gens berech­nete Einkom­men prak­tisch unverän­dert bliebe und sich insofern nicht sagen lässt, zufolge der Unter­stützung könne sich der Beschw­erde­führer seine anges­tammte Lebens­führung nicht mehr leisten.”

Das BGer kon­nte die Sache allerd­ings nicht selb­st entscheiden:

Indes hat das Kan­ton­s­gericht, indem es ein­fach das Ver­mö­gen auf ein Dauereinkom­men umgerech­net hat, unbeküm­mert um die für die Ver­wandte­nun­ter­stützungspflicht gel­tende Unter­suchungs­maxime (Art. 329 Abs. 3 i.V.m. Art. 280 Abs. 2 ZGB) keine näheren Sachver­halts­fest­stel­lun­gen getrof­fen, ob dem Beschw­erdegeg­n­er auf­grund sein­er finanziellen Gesamt­si­t­u­a­tion ein wohlhaben­des Leben möglich ist und ob diese Lebens­führung mit der Zahlung des ein­ma­li­gen Betrages von Fr. 35’410.90 beein­trächtigt wäre. Zumal ohne­hin weit­ere Anspruchsvo­raus­set­zun­gen zu prüfen sind, welche das Kan­ton­s­gericht aus­drück­lich offen gelassen und zu denen es ins­beson­dere auch keine Sachver­halts­fest­stel­lun­gen getrof­fen hat (namentlich Unbil­ligkeits­gründe), ist die Sache deshalb zur Sachver­halt­sergänzung und neuen Entschei­dung im Sinn der Erwä­gun­gen an die Vorin­stanz zurückzuweisen.”