Urteil des Bundesgerichts in Sachen FINMA/UBS

Bekan­ntlich hat das Bun­desver­wal­tungs­gericht am 5. Jan­u­ar 2010 die von der FINMA am 18. Feb­ru­ar 2009 ange­ord­nete Her­aus­gabe von Kun­den­dat­en an US-Jus­tizbe­hör­den als rechtswidrig beze­ich­net (es ging offen­bar um Dat­en in der Grössenord­nung ein­er sechsstel­li­gen Zahl von DIN-A4-Seit­en, Erw. 6.3.2).

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht erachtete die Bes­tim­mungen in Art. 25 BankG und Art. 26 BankG als ungenü­gend Grund­lage für die Her­aus­gabe; das Gericht stützte sich mass­ge­blich auf die Kri­te­rien der Vorausse­hbarkeit und der Bes­timmtheit (Erw. 6.4.1, 6.4.3). Das Bun­desver­wal­tungs­gericht erachtete die Anord­nung der Her­aus­gabe als ausser­halb des der FINMA zuste­hen­den Ermessensspiel­raums liegend (Erw. 6.4.3).

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht entsch­ied fern­er, dass Art. 31 FINMAG (früher Art. 23ter BankG) keine genü­gende geset­zliche Grund­lage zur Her­aus­gabe von Dat­en an eine aus­ländis­che Behörde darstellt (Erw. 7) und ver­warf als­dann die Argu­men­ta­tion­slin­ie „Notrecht“, indem es entsch­ied, dass die FINMA zum Erlass ein­er Not­standsver­fü­gung zur Her­aus­gabe von Bankkun­den­dat­en nicht kom­pe­tent sei (Erw. 9). Nach­dem das Bun­desver­wal­tungs­gericht abschliessend die polizeiliche Gen­er­alk­lausel (Art. 36 Abs. 1 Satz 3 BV) als unzure­ichende geset­zliche Grund­lage ver­warf (Erw. 12.1) entsch­ied das Gericht, dass 

[…] dass die Zif­fern 1 und 2 der ange­focht­e­nen Ver­fü­gung vom 18. Feb­ru­ar 2009, welche die Her­aus­gabe der Bankkun­den­dat­en der Beschw­erde­führer an die US-amerikanis­chen Behör­den anord­neten, rechtswidrig sind.”

Weit­ere Berichter­stat­tung zum Thema

Der Anfang dieser Auseinan­der­set­zung geht auf ein whistle­blow­ing eines ehe­ma­li­gen Kun­den­ber­aters der Beschw­erdegeg­ner­in (UBS AG) zurück (Sachver­halt A). Die her­nach eröffneten Ver­fahren mün­de­ten unter anderem in einen Ver­gle­ich unter Bezahlung ein­er Entschädi­gung (Sachver­halt A). Dieser Ver­gle­ich – sog. Deferred Pros­e­cu­tion Agree­ment („DPA“; Kopie siehe hier) wurde aus Sicht der USA unter anderem davon abhängig gemacht, dass bes­timmte Kun­den­dat­en umge­hend her­auszugeben waren (Sachver­halt A; siehe Ziff. 9 – Seite 6 und Exhib­it E).

Vor diesem Hin­ter­grund erliess die FINMA eine Ver­fü­gung gestützt auf Art. 25 und 26 BankG (Mass­nah­men bei Insol­ven­zge­fahr) und begrün­dete, dass

[…] die US-Behör­den mit einem Strafver­fahren gegen die Beschw­erdegeg­ner­in gedro­ht hät­ten, soll­ten die rund 300 Kun­den­dossiers nicht bis am 18. Feb­ru­ar 2009 an die US-Behör­den übergeben wor­den sein. Erfahrungs­gemäss hätte ein Strafver­fahren gegen eine Bank wie die Beschw­erdegeg­ner­in zur Folge gehabt, dass diese auf­grund von fehlen­dem Mark­tver­trauen keine liq­uiden Mit­tel mehr hätte aufnehmen kön­nen. Dies hätte fast zwangsläu­fig die Illiq­uid­ität bzw. die Insol­venz der Bank nach sich gezo­gen.“(Sachver­halt B)

Das Ver­fahren vor dem Bun­desver­wal­tungs­gericht betraf primär die Frage der Recht­mäs­sigkeit einzel­ner Anord­nun­gen der FIN­MA-Ver­fü­gung, gestützt auf welche die Bankkun­den­dat­en der Beschw­erde­führer an die US-Behör­den über­mit­telt wur­den. (Erw. 3)

Die Beschw­erde­führer bestrit­ten die Recht­mäs­sigkeit der ange­focht­e­nen Ver­fü­gung aus rechtsstaatlichen Über­legun­gen und unter Ver­weis auf die (damals) laufend­en Amt­shil­fever­fahren in Steuer­sachen. Art. 25 BankG und Art. 26 BankG bilden nach ihrer Auf­fas­sung keine genü­gende geset­zliche Grund­lage für den inter­na­tionalen Infor­ma­tion­saus­tausch und die Lüf­tung des Bankge­heimniss­es. (Erw. 3.1)

Die FINMA stützte die ange­focht­ene Ver­fü­gung auf Art. 25 und 26 BankG. Sie begrün­dete ihren Entscheid, die Beschw­erdegeg­ner­in zur Her­aus­gabe von Kun­den­dat­en zu verpflicht­en, damit, dass die Bank anson­sten in ern­sthafte Liq­uid­itätss­chwierigkeit­en ger­at­en kön­nte. In diesem Fall ermächtige Art. 25 Abs. 1 BankG das Ergreifen von Schutz­mass­nah­men gemäss Art. 26 Abs. 1 BankG. Bei den in Art. 26 Abs. 1 Bst. a bis h BankG aufgezählten Mass­nah­men han­dle es sich um einen Beispielkat­a­log. Es ste­he im Ermessen der Vorin­stanz, auch andere Mass­nah­men zu ergreifen. (Erw. 6)

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht erwog im Zusam­men­hang mit der Prü­fung eines Ein­griffes in die wirtschaftliche Pri­vat­sphäre (gestützt auf Art. 13 BV, Art. 8 EMRK, Art. 17 UNO Pakt II in Verbindung mit Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV und Art. 164 Abs. 1 BV), dass 

[…] selb­st wenn Art. 25 und 26 BankG der­ar­tige Ein­griffe in die wirtschaftliche Pri­vat­sphäre deck­en wür­den – was nach Mei­n­ung des Bun­desver­wal­tungs­gerichts nicht zutrifft –, wäre die geset­zliche Grund­lage gle­ich­wohl man­gels Bes­timmtheit und Vorausse­hbarkeit ungenü­gend. Denn selb­st unab­hängig von ein­er grun­drechtlichen Betra­ch­tungsweise müsste sich angesichts der expliziten Schutzgewährung der Dat­en durch Art. 47 BankG die fak­tis­che Aufhe­bung der­sel­ben unter Beach­tung des Grund­satzes der par­al­lellen Form­strenge eben­falls auf eine formelle geset­zliche Grund­lage stützen kön­nen. (Erw. 6.4)

Hin­sichtlich des Fra­genkom­plex­es „Notrecht“ kam das Bun­desver­wal­tungs­gericht zum Schluss, dass der Bun­desrat die Schweiz­erische Eidgenossen­schaft mit ein­er Not­standssi­t­u­a­tion kon­fron­tiert sah (Erw. 8.4). Die ange­focht­ene Ver­fü­gung wurde jedoch von der FINMA (und nicht vom Bun­desrat) erlassen. Nach Ansicht des Bun­desver­wal­tungs­gerichts kon­nte bzw. durfte die FINMA den Erlass von Not­standsver­fü­gun­gen als untere Ver­wal­tungs­be­hörde nicht an sich (sub-)delegieren lassen (Erw. 8.4):

Hinge­gen kön­nen Not­stand­srecht oder Not­standsver­fü­gun­gen nicht von ein­er Behörde erlassen wer­den, die hier­ar­chisch unter dem Par­la­ment oder der Lan­desregierung ste­ht. (Erw. 8.4.2)