4A_475/2009: Auflösung einer AG verweigert (amtl. Publ.)

Das BGer hat in einem Urteil zu OR 736 Ziff. 4 die Voraus­set­zun­gen der Auflö­sung ein­er AG zusam­menge­fasst und ein entsprechen­des Begehren abgewiesen. Im konkreten Fall behauptete ein Min­der­heit­sak­tionär (32%; zwei andere Aktionäre hiel­ten 32% bzw. 36%) u.a., ein­er der anderen Aktionäre manip­uliere den Drit­ten, um ihn sys­tem­a­tisch in eine Min­der­heit zu ver­set­zen. Nach offen­bar völ­liger Zer­rüt­tung des Ver­hält­niss­es (teil­weise erfol­gre­iche Kla­gen gegen Beschlüsse der GV; Strafanzeigen) klagte der Min­der­heit­sak­tionär zunächst erfol­gre­ich auf Auflö­sung der AG. Die zweite Instanz (Cour de Jus­tice GE) hiess dage­gen eine Beschw­erde gut. 

Das BGer weist die Beschw­erde in Zivil­sachen ab. Es stellte dabei fest, dass die Auflö­sung ulti­ma ratio ist und dem Erforder­nis der Ver­hält­nis­mäs­sigkeit genü­gen muss. Auch sei zu berück­sichti­gen, dass per­sön­liche Motive angesichts der kap­i­talo­ri­en­tierten Natur der AG zwar nicht ganz auss­er Betra­cht fall­en, aber doch in den Hin­ter­grund treten. Eine Auflö­sung komme daher etwa dann in Betra­cht, wenn 

  • die Mehrheit der Aktionäre ihre Stel­lung sys­tem­a­tisch gegen die Min­der­heit nutzt, 
  • aber auch in Fällen der Misswirtschaft, 
  • der fort­ge­set­zten Mis­sach­tung der Aktionärsrechte der Minderheit, 
  • der Vere­it­elung des Gesellschaftszwecks, 
  • bei der Ver­fol­gung gesellschafts­fremder Interessen, 
  • ein­er Block­ierung der Organe oder 
  • ein­er Aushöh­lung der Gesellschaft.

Im vor­liegen­den Fall sah das BGer diese Voraus­set­zun­gen als nicht erfüllt an. Dabei lag ein entschei­den­der Fak­tor darin, dass der Min­der­heit­sak­tionär die jüng­sten GV-Beschlüsse nicht mehr ange­focht­en hat­te und auch die behauptete Ver­let­zung sein­er Auskun­ft­srechte nicht gerichtlich durchzuset­zen ver­sucht hat­te; offen­bar war damit die Ern­sthaftigkeit der Prob­leme ungenü­gend doku­men­tiert. Die Gesellschaft erzielte zudem Gewinne, so dass ein Fall von Mis­s­wirtschaft aus­geschlossen war. Die im Rah­men ein­er AG wesentlichen finanziellen Inter­essen des Klägers erschienen damit nicht als gefährdet. Schliesslich berück­sichtigte das BGer auch das Inter­esse der Mehrheit an der Aufrechter­hal­tung der AG. Ins­ge­samt sah das BGer keinen Anlass, in das Ermessen der Vorin­stanz einzugreifen.