5A_108/2010: Vetorecht des Miteigentümers iSv ZGB 647d f. setzt eine geschützte Rechtsposition voraus (amtl. Publ.)

Der Eigen­tümer ein­er Stock­w­erkeigen­tum­sein­heit, der in sein­er Ein­heit ein Restau­rant betreibt und dafür mit Dul­dung der anderen Eigen­tümer auch eine Ter­rasse vor dem Restau­rant nutzt , focht den Beschluss der Eigen­tümerge­mein­schaft an, bes­timmte Umge­bungsar­beit­en vorzunehmen. Er begrün­dete die Klage damit, dass der Restau­rant­be­trieb durch die Umgestal­tung eingeschränkt werde und wegen eines Blu­men­trogs zwei Tis­che mit 8 Sitz­plätzen weniger aufgestellt wer­den kön­nten; er habe gegen einen solchen Beschluss ein Vetorecht. Die Klage wurde durch das OGer BE in zweit­er Instanz abgewiesen. Das BGer weist die Beschw­erde ab.

Die Ter­rasse ste­ht als Teil des Bodes von Geset­zes wegen (ZGB 712b II 1) im gemein­schaftlichen Eigen­tum aller Stock­w­erkeigen­tümer; ein Son­der­recht des Beschw­erde­führers bestand daher nicht. — Auf bauliche Mass­nah­men sind ZGB 647c ff.anwendbar, und zwar auch dann, wenn eine bauliche Mass­nahme auss­chliesslich dem Inter­esse eines einzel­nen Stock­w­erkeigen­tümers dient. Durch eine solche Inter­essen­lage wer­den ZGB 647c ff. nicht  unan­wend­bar, doch erscheint eine entsprechende bauliche Mass­nahme auf­grund der Inter­essen­lage eher als lux­u­riöse Mass­nahme iSv ZGB 647e.

Vor­liegend ging es um ein Vetorecht gegen die Umge­bungs­gestal­tung. Ein Vetorecht set­zt zunächst

  • bei nüt­zlichen bauliche Mass­nah­men voraus, dass der Gebrauch oder die Nutzung der Sache zum bish­eri­gen Zweck erhe­blich und dauernd erschw­ert oder unwirtschaftlich gemacht wird (ZGB 647d II); und
  • bei lux­u­riösen bauliche Mass­nah­men, dass der nicht zus­tim­menden Stock­w­erkeigen­tümers in seinem Nutzungs- und Gebrauch­srecht dauernd beein­trächtigt wird, ohne dass die übri­gen Stock­w­erkeigen­tümer ihm für eine bloss vorüberge­hende Beein­träch­ti­gung Ersatz leis­ten und seinen Kos­tenan­teil übernehmen (ZGB 647e II).

Strit­tig war, ob das Vetorecht zusät­zlich voraus­set­zt, dass der betrof­fene Miteigen­tümer eine geschützte Recht­spo­si­tion innehat. Das BGer bestätigt dies: 

Dabei bedür­fen Gebrauch und Nutzung von gemein­schaftlichen Teilen — wie hier — durch einen Stock­w­erkeigen­tümer mit Auss­chluss­wirkung gegenüber anderen Stock­w­erkeigen­tümern ein­er schul­drechtlichen Grund­lage (z.B. eines Son­der­nutzungsrechts) oder ein­er dinglichen Berech­ti­gung (z.B. ein­er Dien­st­barkeit), sollen sie rechtswirk­sam aus­geübt wer­den kön­nen […]. Eine bloss geduldete Nutzung oder ein auf Zuse­hen hin ges­tat­teter Gebrauch schaf­fen keine Berech­ti­gung […] und sind unter Vor­be­halt eines Ver­stoss­es gegen das Ver­bot offen­baren Rechtsmiss­brauchs jed­erzeit wider­ruf­bar […]. Ent­ge­gen der allen­falls missver­ständlichen For­mulierung des Geset­zes­textes set­zt das Vetorecht gemäss Art. 647d Abs. 2 ZGB — gle­ich wie das­jenige nach Art. 647e Abs. 2 ZGB — ein Recht auf Nutzung und Gebrauch voraus.”

Ein Nutzungsrecht des Beschw­erde­führers bestand indessen nicht, auch nicht gestützt auf die langjährige Duldung.