2C_565/2010: Unbewilligte Entgegennahme von Publikumseinlagen; wirtschaftliche Gruppenbetrachtung und Liquidation der betroffenen Unternehmen

Das Bunds­gericht hat sich kür­zlich einge­hend mit dem bankenge­set­zlichen Ver­bot der unbe­wil­ligten Ent­ge­gen­nahme von Pub­likum­sein­la­gen, den damit ver­bun­de­nen Kon­se­quen­zen (ins­beson­dere der Frage, wann eine Liq­ui­da­tion der betrof­fe­nen Unternehmens statthaft ist) sowie der Frage der wirtschaftlichen Grup­pen­be­tra­ch­tung auseinan­derge­set­zt (Entscheid 2C_565/2010 vom 14. April 2011).

Vor­ab anzumerken ist, dass das Bun­des­gericht aus unter­schiedlichen Grün­den auf eine Vielzahl von Vor­brin­gen gegen den vorin­stan­zlichen Entscheid nicht ein­treten musste (E.1).

Das Bun­des­gericht schützte den vorin­stan­zlichen Entscheid, wonach die Beschw­erde­führer im Rah­men eines arbeit­steili­gen Vorge­hens (als Gruppe) ohne Bewil­li­gung Pub­likum­sein­la­gen ent­ge­gen­nah­men und fol­glich die EBK (heute FINMA) zu Recht die (konkur­samtliche) Liq­ui­da­tion der ganzen Gruppe ange­ord­net hatte.

Ver­bot der Ent­ge­gen­nahme von Pub­likum­sein­la­gen / Gruppenbetrachtungsweise

Per­so­n­en, die nicht dem Bankenge­setz unter­ste­hen, dür­fen nicht gewerb­smäs­sig Pub­likum­sein­la­gen entgegennehmen.

Eine Pub­likum­sein­lage liegt vor, wenn gewerb­smäs­sig Verpflich­tun­gen Drit­ten gegenüber einge­gan­gen wer­den, wobei der Betrof­fene zum Rück­zahlungss­chuld­ner wird. Von gewis­sen Aus­nah­men abge­se­hen gel­ten grund­sät­zlich alle Verbindlichkeit­en als Ein­la­gen. Gewerb­smäs­sig han­delt, wer dauernd mehr als 20 Pub­likum­sein­la­gen hält (Art. 3a Abs. 2 BankV) oder in Inser­at­en, Prospek­ten, Rund­schreiben oder elek­tro­n­is­chen Medi­en für die gewerb­smäs­sige Ent­ge­gen­nahme von Geldern wirbt (vgl. Art. 3 Abs. 1 BankV).

Gemäss bun­des­gerichtlich­er Prax­is kann eine unzuläs­sige Ent­ge­gen­nahme von Pub­likums­geldern auch durch ein arbeit­steiliges Vorge­hen im Rah­men ein­er Gruppe erfol­gen. Mit der Grup­pen­be­tra­ch­tungsweise wird sichergestellt, dass die Bewil­li­gungspflicht und die finanz­mark­trechtliche Auf­sicht nicht dadurch umgan­gen wer­den kön­nen, dass jedes einzelne Unternehmen bzw. die dahin­ter ste­hen­den Per­so­n­en für sich allein nicht alle Voraus­set­zun­gen für die Unter­stel­lungspflicht erfüllen (z.B. je weniger als 20 Ein­la­gen hal­ten), im Resul­tat aber gemein­sam eine bewil­li­gungspflichtige Tätigkeit ausüben. Trotz for­maljuris­tis­ch­er Tren­nung der Struk­turen gilt eine ein­heitliche und wirtschaftliche Betra­ch­tungsweise, wenn zwis­chen den einzel­nen Per­so­n­en und/oder Gesellschaften enge finanzielle oder geschäftliche, organ­isatorische oder per­son­elle Ver­flech­tun­gen beste­hen und vernün­ftiger­weise einzig eine Gesamt­be­tra­ch­tung den fak­tis­chen Gegeben­heit­en und der Zielset­zung der Finanz­mark­tauf­sicht gerecht wird. Solche Ver­flech­tun­gen wer­den namentlich angenom­men bei: Ver­wis­chen der rechtlichen und buch­hal­ter­ischen Gren­zen zwis­chen den Beteiligten, fak­tisch gle­iche Geschäftssitze, wirtschaftlich unbe­grün­dete und ver­schachtelte Beteili­gungsver­hält­nisse, zwis­chengeschal­tete Treuhand­struk­turen usw.

Anord­nun­gen der FINMA (EBK)

Die FINMA trifft die zum Vol­lzug des Geset­zes notwendi­gen Ver­fü­gun­gen (Art. 23bis Abs. 1 BankG). Erhält sie von Ver­let­zun­gen des Bankenge­set­zes oder von son­sti­gen Missstän­den Ken­nt­nis, so ver­fügt sie die zur Her­stel­lung des ord­nungs­gemässen Zus­tandes und zur Besei­t­i­gung der Missstände notwendi­gen Mass­nah­men (Art. 23ter Abs. 1 BankG).

Die FINMA kann hierzu unter anderem die Auflö­sung und Liq­ui­da­tion eines Unternehmens anord­nen, das uner­laubt ein­er zum Vorn­here­in nicht bewil­li­gungs­fähi­gen Tätigkeit nachge­ht bzw. gegen das Ver­bot der gewerb­smäs­si­gen Ent­ge­gen­nahme von Pub­likum­sein­la­gen ver­stossen hat.

Falls eine frei­willige Total- oder Teilau­flö­sung nicht in Frage kommt, wird die Gesellschaft unter behördlich­er Auf­sicht grund­sät­zlich nach den gesellschaft­srechtlichen Regeln liq­ui­diert (vgl. Art. 739 ff. OR). Erweist sich das Unternehmen als über­schuldet oder dauernd zahlung­sun­fähig, ist die FINMA gehal­ten, die Liq­ui­da­tion nach den Son­der­regeln des Bankenkonkurs­es anzuord­nen (Art. 33 ff. BankG); diese gel­ten auch für Betriebe, die uner­laubt ein­er bewil­li­gungspflichti­gen (Banken-)Tätigkeit nachge­hen (E. 2.2).

Wie die Finanz­mark­tauf­sicht ihre Auf­sichts­funk­tion im Einzel­nen wahrn­immt, ist weit­ge­hend ihrem tech­nis­chen Ermessen anheim gestellt. Der Ermessensspiel­raum der FINMA ist namentlich in Bezug auf die zu tre­f­fend­en Mass­nah­men erhe­blich. Er ist ein­er­seits an die all­ge­meinen Ver­fas­sungs- und Ver­wal­tungs­grund­sätze (Willkürver­bot, Rechts­gle­ich­heits- und Ver­hält­nis­mäs­sigkeits­ge­bot, Treu und Glauben) gebun­den und hat ander­er­seits den Hauptzweck­en der finanz­mark­trechtlichen Geset­zge­bung (d.h. dem Schutz der Gläu­biger bzw. Anleger und der Lauterkeit sowie der Sta­bil­ität des Finanzsys­tems) Rech­nung zu tragen.

Die Prax­is hat den zwis­chen den besagten all­ge­meinen Grund­sätzen und den Erfordernissen des Anleger- sowie Funk­tion­ss­chutzes zu erzie­len­den Aus­gle­ich für den Bere­ich der unbe­wil­ligten Ent­ge­gen­nahme von Pub­likums­geldern wie fol­gt konkretisiert: Geht die fehlbare Gesellschaft(sgruppe) sowohl ein­er bewil­li­gungspflichti­gen als auch ein­er finanz­mark­trechtlich unbe­den­klichen Aktiv­ität nach, ist nur der bewil­li­gungspflichtige Teil zu liq­ui­dieren, falls dies tech­nisch möglich und die erlaubte Geschäft­stätigkeit von eigen­ständi­ger Bedeu­tung ist. Es dür­fen aber keine buch­hal­ter­isch nicht abgrenzbare finanzielle Mit­tel, die in Ver­let­zung finanz­mark­trechtlich­er Bes­tim­mungen gener­iert wur­den, in die nicht bewil­li­gungspflichtige Tätigkeit geflossen sein. Zudem muss — etwa auf­grund eines Wech­sels in der Geschäft­sleitung oder dem Ver­wal­tungsrat — davon aus­ge­gan­gen wer­den kön­nen, dass kün­ftig kein rel­e­vantes Risiko mehr beste­ht, dass wiederum geset­zeswidrig bewil­li­gungspflichtige Aktiv­itäten ent­fal­tet wer­den könnten

Das Bun­des­gericht kam zum Schluss (wie schon das Bun­desver­wal­tungs­gericht), dass der geset­zmäs­sige Zus­tand im konkreten Fall nur die (teil­weise konkursmäs­sige) Liq­ui­da­tion der fehlbaren Gesellschaften erre­icht wer­den kon­nte. Die nachträgliche Erteilung ein­er Bewil­li­gung gegenüber den noch zahlungs­fähi­gen Teilen der Gruppe fiel man­gels des banken­rechtlich vorgeschriebe­nen Min­destkap­i­tals, ein­er adäquat­en Organ­i­sa­tion und der Garantie ein­er ein­wand­freien Geschäfts­führung zum Vorn­here­in auss­er Betracht.

Es spielte sodann keine Rolle, dass möglicher­weise im Geflecht der ver­schiede­nen Gesellschaften auch andere, nicht bewil­li­gungspflichtige Tätigkeit­en aus­geübt wor­den sind, da diesen auf jeden Fall eine (genü­gende) eigen­ständi­ge Bedeu­tung zukam.

Aus diesen Grün­den war es nicht möglich, nur das ille­gale Finanzgeschäft zu liq­ui­dieren oder den Betrof­fe­nen Gele­gen­heit zu geben, ihre Aktiv­itäten den geset­zlichen Vor­gaben anzupassen.