2C_136/2019: Unerlaubte Entgegennahme von Publikumseinlagen als Gruppe und Liquidation nach Art. 33 ff. BankG (Bankenkonkurs)

Im Urteil vom 14. Jan­u­ar 2020 (2C_136/2019) hat­te sich das Bun­des­gericht mit der bewil­li­gungslosen Ent­ge­gen­nahme von Pub­likum­sein­la­gen durch zwei Gesellschaften (A. AG und B. AG), welche im Wesentlichen von C. als Geschäfts­führer bzw. Ver­wal­tungsrat geführt wur­den, zu befassen. Das Bun­des­gericht hiess die Beschw­erde einzig hin­sichtlich der unzuläs­si­gen Anord­nung des Bankenkonkurs­es gut und wies die Sache zur Neubeurteilung der Art der Liq­ui­da­tion der A. AG und der B. AG an die FINMA zurück.

Dem Urteil lag vere­in­facht der fol­gende Sachver­halt zugrunde: Die von ihrem Alleinak­tionär C. geführte A. AG hat­te im Rah­men von drei unter­schiedlich aus­gestal­teten Verträ­gen zwis­chen 2006 und 2016 Gelder von Anlegern ent­ge­gengenom­men. In den AGB der Ver­wal­tungs- und Treuhand­verträge wurde den Anlegern die Rück­zahlung der Gelder inklu­sive Ren­diten auf einen bes­timmten Zeit­punkt in Aus­sicht gestellt. Mit einem Teil dieser Gelder kaufte die A. AG für die Anleger Par­tizipa­tion­ss­cheine der eben­falls von C. geführten B. AG, welche das auf diese Weise aufgenommene Fremd­kap­i­tal wiederum mehrheitlich in zwei von C. geführte Fonds investierte.

Das Bun­des­gericht stützte die Auf­fas­sung der Vorin­stanz, dass die Tätigkeit der bei­den Gesellschaften eine gewerb­smäs­sige Ent­ge­gen­nahme von Pub­likum­sein­la­gen i.S.v. Art. 1 Abs. 2 BankG als Gruppe darstellte (E. 2.5):

  • Es wieder­holte seine beste­hende Recht­sprechung im Finanz­mark­trecht in Bezug auf arbeit­steiliges Vorge­hen als Gruppe und hielt fest, dass trotz for­maljuris­tis­ch­er Tren­nung der Struk­turen unter gewis­sen Voraus­set­zun­gen einzig eine ein­heitliche (wirtschaftliche) Betra­ch­tungsweise den fak­tis­chen Gegeben­heit­en und der Zielset­zung der Finanz­mark­tauf­sicht gerecht werde (vgl. BGE 136 II 43 E. 4.3.1 S. 49 f.).
  • Grup­pen­weis­es Han­deln kann ins­beson­dere dann gegeben sein, wenn die Beteiligten gegen aussen als Ein­heit auftreten bzw. auf­grund der Umstände davon auszuge­hen ist, dass koor­diniert – aus­drück­lich oder stillschweigend arbeit­steilig und ziel­gerichtet – eine gemein­same Aktiv­ität im auf­sicht­srechtlichen Sinn wahrgenom­men werde. Als Beispiele für solche Umstände nen­nt das Bun­des­gericht (i) die Ver­wis­chung rechtlich­er und buch­hal­ter­isch­er Gren­zen, (ii) einen fak­tisch gle­ichen Geschäftssitz sowie (iii) wirtschaftlich unbe­grün­dete, ver­schachtelte Struk­turen und zwis­chengeschal­tete Treuhandstrukturen.
  • Vor­liegend erachtete es das Bun­des­gericht als unwesentlich, dass nur die A. AG eine eigentliche Rück­zahlungsverpflich­tung gegenüber ihren Kun­den einge­gan­gen war, da C. durch seine Stel­lung als Geschäfts­führer bzw. Ver­wal­tungsrat mit Einzelun­ter­schrift habe sich­er­stellen kön­nen, dass die B. AG im Falle der Kündi­gung der Verträge durch die Kun­den oder bei Ablauf der Ver­trags­dauer die Par­tizipa­tion­ss­cheine zurück­kaufte oder an einen anderen Kun­den übertrug bzw. verkaufte. Somit seien C. und die bei­den Gesellschaften nach aussen als Gruppe aufge­treten und hät­ten arbeit­steilig und gemein­sam gewerb­smäs­sig Pub­likum­sein­la­gen entgegengenommen.

Gut­ge­heis­sen hat das Bun­des­gericht die Beschw­erde jedoch hin­sichtlich der von der FINMA ver­fügten Konkursliq­ui­da­tion der bei­den Gesellschaften:

  • Es ver­wies vor­ab auf seine Recht­sprechung, dass für die auf­sicht­srechtliche Liq­ui­da­tion von als Aktienge­sellschaften organ­isierte Banken grund­sät­zlich die gesellschaft­srechtlichen Bes­tim­mungen über die frei­willige Auflö­sung (Art. 739 ff. OR) zur Anwen­dung kom­men. Im Falle der Über­schul­dung oder dauern­der Zahlung­sun­fähigkeit sei die Liq­ui­da­tion jedoch in Anwen­dung der auf­sicht­srechtlichen Regelung von Art. 33 ff. BankG (Bankenkonkurs) vorzunehmen (E. 3.1).
  • Das Bun­des­gericht hielt fest, dass der FINMA bei der Beurteilung, ob (i) begrün­dete Besorg­nis der Über­schul­dung oder (ii) ern­sthafte Liq­uid­ität­sprob­leme beste­hen ein “nicht uner­he­blich­er (tech­nis­ch­er) Ermessensspiel­raum” zukomme. Dieser gehe jedoch mit erhöht­en Anforderun­gen an die Begrün­dungspflicht ein­her – eine bloss abstrak­te Ver­mu­tung ein­er Über­schul­dung genüge nicht (E. 3.3).
  • Hin­sichtlich der A. AG verneinte das Bun­des­gericht eine begrün­dete Besorg­nis der Über­schul­dung, ins­beson­dere da die Vorin­stanz ein in den Akten befind­lich­es Gläu­bigerzirku­lar unberück­sichtigt gelassen hat­te, gemäss welchem die A. AG, neb­st liq­uiden Mit­teln von ca. CHF 155’000, über zumin­d­est eine werthaltige Forderung von ca. CHF 2.15 Mio. gegenüber der B. AG ver­fügte. Auch für ern­sthafte Liq­uid­ität­sprob­leme der A. AG sah das Bun­des­gericht keine Anhalt­spunk­te. Die vorin­stan­zliche Annahme, dass es sich bei den offe­nen Forderun­gen von Anlegern in der Höhe von rund CHF 350’000 durch­wegs um kurzfristige Verbindlichkeit­en han­deln solle, erachtete es als willkür­lich. Aus der ver­traglich vorge­se­henen Auszahlung innert 30 Tagen nach Fäl­ligkeit gehe wed­er her­vor, dass sämtliche bilanzierten Rück­forderun­gen von Kun­denguthaben dieser “Auszahlungs­frist” unter­ste­hen wür­den, noch dass diese ver­trags­gemäss gel­tend gemacht wur­den und fäl­lig wären (E. 3.5.3).
  • Auch von ern­sthaften Liq­uid­ität­sprob­le­men der B. AG könne bei flüs­si­gen Mit­teln von rund CHF 269’000 und kurzfristi­gen Verbindlichkeit­en von ca. CHF 81’000 keine Rede sein, wobei das Bun­des­gericht fes­thielt, dass auf­grund der Akten­lage nicht darauf geschlossen wer­den kon­nte, dass die B. AG die gemäss Gläu­bigerzirku­lar im Konkurs der A. AG gegen sie gel­tend gemachte Forderung von CHF 2.15 Mio. kurzfristig zu erfüllen hätte (E. 3.5.4).

Die übri­gen Rügen von C. gegen die ange­ord­nete Pub­lika­tion der Unter­las­sungsan­weisung wies das Bun­des­gericht als unbe­grün­det zurück.

(Blog­beitrag zusam­men mit MLaw Ser­afin Ritsch­er verfasst.)