Im Urteil vom 14. Januar 2020 (2C_136/2019) hatte sich das Bundesgericht mit der bewilligungslosen Entgegennahme von Publikumseinlagen durch zwei Gesellschaften (A. AG und B. AG), welche im Wesentlichen von C. als Geschäftsführer bzw. Verwaltungsrat geführt wurden, zu befassen. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde einzig hinsichtlich der unzulässigen Anordnung des Bankenkonkurses gut und wies die Sache zur Neubeurteilung der Art der Liquidation der A. AG und der B. AG an die FINMA zurück.
Dem Urteil lag vereinfacht der folgende Sachverhalt zugrunde: Die von ihrem Alleinaktionär C. geführte A. AG hatte im Rahmen von drei unterschiedlich ausgestalteten Verträgen zwischen 2006 und 2016 Gelder von Anlegern entgegengenommen. In den AGB der Verwaltungs- und Treuhandverträge wurde den Anlegern die Rückzahlung der Gelder inklusive Renditen auf einen bestimmten Zeitpunkt in Aussicht gestellt. Mit einem Teil dieser Gelder kaufte die A. AG für die Anleger Partizipationsscheine der ebenfalls von C. geführten B. AG, welche das auf diese Weise aufgenommene Fremdkapital wiederum mehrheitlich in zwei von C. geführte Fonds investierte.
Das Bundesgericht stützte die Auffassung der Vorinstanz, dass die Tätigkeit der beiden Gesellschaften eine gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen i.S.v. Art. 1 Abs. 2 BankG als Gruppe darstellte (E. 2.5):
- Es wiederholte seine bestehende Rechtsprechung im Finanzmarktrecht in Bezug auf arbeitsteiliges Vorgehen als Gruppe und hielt fest, dass trotz formaljuristischer Trennung der Strukturen unter gewissen Voraussetzungen einzig eine einheitliche (wirtschaftliche) Betrachtungsweise den faktischen Gegebenheiten und der Zielsetzung der Finanzmarktaufsicht gerecht werde (vgl. BGE 136 II 43 E. 4.3.1 S. 49 f.).
- Gruppenweises Handeln kann insbesondere dann gegeben sein, wenn die Beteiligten gegen aussen als Einheit auftreten bzw. aufgrund der Umstände davon auszugehen ist, dass koordiniert – ausdrücklich oder stillschweigend arbeitsteilig und zielgerichtet – eine gemeinsame Aktivität im aufsichtsrechtlichen Sinn wahrgenommen werde. Als Beispiele für solche Umstände nennt das Bundesgericht (i) die Verwischung rechtlicher und buchhalterischer Grenzen, (ii) einen faktisch gleichen Geschäftssitz sowie (iii) wirtschaftlich unbegründete, verschachtelte Strukturen und zwischengeschaltete Treuhandstrukturen.
- Vorliegend erachtete es das Bundesgericht als unwesentlich, dass nur die A. AG eine eigentliche Rückzahlungsverpflichtung gegenüber ihren Kunden eingegangen war, da C. durch seine Stellung als Geschäftsführer bzw. Verwaltungsrat mit Einzelunterschrift habe sicherstellen können, dass die B. AG im Falle der Kündigung der Verträge durch die Kunden oder bei Ablauf der Vertragsdauer die Partizipationsscheine zurückkaufte oder an einen anderen Kunden übertrug bzw. verkaufte. Somit seien C. und die beiden Gesellschaften nach aussen als Gruppe aufgetreten und hätten arbeitsteilig und gemeinsam gewerbsmässig Publikumseinlagen entgegengenommen.
Gutgeheissen hat das Bundesgericht die Beschwerde jedoch hinsichtlich der von der FINMA verfügten Konkursliquidation der beiden Gesellschaften:
- Es verwies vorab auf seine Rechtsprechung, dass für die aufsichtsrechtliche Liquidation von als Aktiengesellschaften organisierte Banken grundsätzlich die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen über die freiwillige Auflösung (Art. 739 ff. OR) zur Anwendung kommen. Im Falle der Überschuldung oder dauernder Zahlungsunfähigkeit sei die Liquidation jedoch in Anwendung der aufsichtsrechtlichen Regelung von Art. 33 ff. BankG (Bankenkonkurs) vorzunehmen (E. 3.1).
- Das Bundesgericht hielt fest, dass der FINMA bei der Beurteilung, ob (i) begründete Besorgnis der Überschuldung oder (ii) ernsthafte Liquiditätsprobleme bestehen ein “nicht unerheblicher (technischer) Ermessensspielraum” zukomme. Dieser gehe jedoch mit erhöhten Anforderungen an die Begründungspflicht einher – eine bloss abstrakte Vermutung einer Überschuldung genüge nicht (E. 3.3).
- Hinsichtlich der A. AG verneinte das Bundesgericht eine begründete Besorgnis der Überschuldung, insbesondere da die Vorinstanz ein in den Akten befindliches Gläubigerzirkular unberücksichtigt gelassen hatte, gemäss welchem die A. AG, nebst liquiden Mitteln von ca. CHF 155’000, über zumindest eine werthaltige Forderung von ca. CHF 2.15 Mio. gegenüber der B. AG verfügte. Auch für ernsthafte Liquiditätsprobleme der A. AG sah das Bundesgericht keine Anhaltspunkte. Die vorinstanzliche Annahme, dass es sich bei den offenen Forderungen von Anlegern in der Höhe von rund CHF 350’000 durchwegs um kurzfristige Verbindlichkeiten handeln solle, erachtete es als willkürlich. Aus der vertraglich vorgesehenen Auszahlung innert 30 Tagen nach Fälligkeit gehe weder hervor, dass sämtliche bilanzierten Rückforderungen von Kundenguthaben dieser “Auszahlungsfrist” unterstehen würden, noch dass diese vertragsgemäss geltend gemacht wurden und fällig wären (E. 3.5.3).
- Auch von ernsthaften Liquiditätsproblemen der B. AG könne bei flüssigen Mitteln von rund CHF 269’000 und kurzfristigen Verbindlichkeiten von ca. CHF 81’000 keine Rede sein, wobei das Bundesgericht festhielt, dass aufgrund der Aktenlage nicht darauf geschlossen werden konnte, dass die B. AG die gemäss Gläubigerzirkular im Konkurs der A. AG gegen sie geltend gemachte Forderung von CHF 2.15 Mio. kurzfristig zu erfüllen hätte (E. 3.5.4).
Die übrigen Rügen von C. gegen die angeordnete Publikation der Unterlassungsanweisung wies das Bundesgericht als unbegründet zurück.
(Blogbeitrag zusammen mit MLaw Serafin Ritscher verfasst.)