2C_710/2010: Pharmalobby-Bericht in 10 vor 10 verletzte Sachgerechtigkeitsgebot nicht (amtl. Publ.)

In einem Bericht des Schweiz­er Fernse­hens im For­mat “10 vor 10” wurde die FDP als mit der Phar­malob­by ver­ban­delt dargestellt. Die Unab­hängige Beschw­erdekom­mis­sion für Radio und Fernse­hen (UBI) hat­te auf Beschw­erde der FDP fest­gestellt, das Sachgerechtigkeits­ge­bot sei ver­let­zt worden.

Vor BGer war zunächst strit­tig, ob das Ver­fahren vor der UBI rechtsstaatlichen Anforderun­gen genügt. Nach der Prax­is der UBI gilt, dass

die UBI beschlussfähig ist, wenn min­destens sechs Mit­glieder anwe­send sind; entsch­ieden wird mit dem ein­fachen Mehr der anwe­senden Mit­glieder (Abs. 1), wobei Stim­mzwang herrscht (Abs. 2). Bei Stim­men­gle­ich­heit ste­ht dem Präsi­den­ten der Stichentscheid zu (Abs. 1 in fine)”. Falls ein Mit­glied im Aus­stand sei, wür­den die Parteien im Vor­feld des Entschei­ds hierüber informiert; andere Abwe­sen­heits­gründe seien sel­ten, da die Dat­en der Sitzun­gen jew­eils im Ein­ver­ständ­nis mit allen Mit­gliedern fest­gelegt wür­den. Da somit grund­sät­zlich immer alle UBI-Mit­glieder an den Beratun­gen teil­näh­men, habe der Präsi­dent prak­tisch keine Möglichkeit, die Zusam­menset­zung des Spruchkör­pers zu beeinflussen.”

Die SRG hat­te einge­wandt, das Ver­fahren vor der UBI genüge den Anforderun­gen von BV 30 und BV 29 nicht. Das BGer hält dage­gen fest, dass diese Regelung “[…] ver­fas­sungskon­form aus­gelegt wer­den [kann] und die von der UBI gehand­habte Prax­is zu Art. 12 ihres Geschäft­sre­gle­ments […] wed­er Art. 30 noch Art. 29 BV [ver­let­zt]”.

In der Sache fasst das BGer seine Recht­sprechung zum  Sachgerechtigkeits­ge­bot von RTVG 4 II zusam­men und legt dieses kon­ven­tion­skon­form — näm­lich mit Blick auf EMRK 10 — aus: 

Beson­ders strenge Anforderun­gen an eine allfäl­lige Beschränkung der Medi­en­frei­heit gel­ten im Bere­ich des poli­tis­chen Diskurs­es und bei Fra­gen von all­ge­meinem Inter­esse […]. Das Bedürf­nis, die Medi­en­frei­heit zu beschränken, muss in diesem Zusam­men­hang bei pri­vat­en Ver­anstal­tern jew­eils beson­ders begrün­det erscheinen  […]. Zwar recht­fer­ti­gen sich bei öffentlich-rechtlich konzes­sion­ierten Ver­anstal­tern wegen deren beson­deren Rolle und Auf­gabe im öffentlichen Mei­n­ungs­bil­dung­sprozess dies­bezüglich andere Massstäbe  […]; diese dür­fen im Einzelfall zur Wahrung der Pro­gram­mau­tonomie aber nicht über das zum Schutz der Infor­ma­tions- und Mei­n­ungsäusserungs­frei­heit und des Mei­n­ungsplu­ral­is­mus in einem frei­heitlichen demokratis­chen Rechtsstaat Erforder­liche hinausgehen.” 

In Bezug auf den strit­ti­gen TV-Beitrag kam das BGer zum Ergeb­nis, dass der Beitrag zwar in einzel­nen Punk­ten allen­falls  bess­er hätte gestal­tet wer­den kön­nen. Dies genüge jedoch nicht für ein auf­sicht­srechtlich­es Ein­schre­it­en durch die UBI. Die Beschw­erde der SRG SSR idée suisse war daher gutzuheissen.