4A_227/2011: Geltendmachung und Nachschieben von Kündigungsgründen bei der Miete (amtl. Publ.)

Das BGer hält fest, dass im Mietrecht Gründe für eine ordentliche Kündi­gung bis erstin­stan­zlichen Gerichtsver­fahren vorge­bracht wer­den können.

Anders als beispiel­sweise bei der Miet­zin­ser­höhung (Art. 269d OR, Art. 19 Abs. 1 Bst. a VMWG) schreibt das Gesetz bei der ordentlichen Kündi­gung nicht vor, bis wann Gründe für die Kündi­gung vorge­bracht wer­den kön­nen (vgl. Art. 9 VMWG); es schreibt ins­beson­dere nicht vor, dass dies innert ein­er bes­timmten Frist nach dem Ersuchen der Gegen­partei um Angabe der Gründe oder spätestens im Schlich­tungsver­fahren zu geschehen habe. Nichts anderes ergibt sich aus den prozess­rechtlichen Vorschriften. […] Daran ändert sich unter dem neuen Recht nichts. Dieses sieht vor, dass in Fällen des Kündi­gungss­chutzes in Miet­sachen das erstin­stan­zliche Gericht neue Tat­sachen und Beweis­mit­tel bis zum Zeit­punkt der Urteils­fäl­lung berück­sichtigt (Art. 229 Abs. 3, Art. 247 Abs. 2 Bst. a i.V.m. Art. 243 Abs. 2 Bst. c ZPO); überdies ist das vor­ange­hende Schlich­tungsver­fahren ver­traulich und dür­fen Aus­sagen der Parteien wed­er pro­tokol­liert noch später im Entschei­d­ver­fahren ver­wen­det wer­den, so dass im Gerichtsver­fahren ohne­hin kaum ein­deutig fest­ste­hen dürfte, was anlässlich des Schlich­tungsver­fahrens vorge­bracht wurde (Art. 273 Abs. 4 OR; Art. 205 ZPO).

Zuläs­sig ist fern­er ein Nach­schieben zusät­zlich­er Kündi­gungs­gründe, solange dies nicht rechtsmiss­bräuch­lich ist: 

Das Gesetz schliesst sodann, unter Vor­be­halt des Ver­bots rechtsmiss­bräuch­lichen Ver­hal­tens, auch ein späteres Nach­schieben zusät­zlich­er Kündi­gungs­gründe nicht aus; das Nach­schieben kann allen­falls ein Indiz zu Ungun­sten der kündi­gen­den Partei sein oder Kosten­fol­gen nach sich ziehen, schliesst aber die Berück­sich­ti­gung der neuen Gründe nicht von vorn­here­in aus. Die Ergänzung oder Präzisierung schon vorge­brachter Kündi­gungs­gründe schliesslich ist an sich ohne weit­eres zuläs­sig […]. Der Umstand allein, dass Gründe für die Kündi­gung erst in der Klageschrift an das Bezirks­gericht vorge­bracht wur­den, recht­fer­tigte es somit nicht, sie nicht zu prüfen.