4A_109/2016: Nachschieben von Kündigungsgründen bei fristloser Entlassung (amtl. Publ.)

B. war bei der A. AG als Chief Oper­at­ing Offi­cer (COO) angestellt. Nach rund 17 Monat­en kündigte B. den Arbeitsver­trag ordentlich. Einen Monat später kündigte die B. AG fristlos.

B. hat­te in ein­er E‑Mail an eine wichtige Ver­tragspart­ner­in der A. AG in Brasilien einen Link auf einen Artikel geschickt, in dem es um den Vater des Präsi­den­ten des Ver­wal­tungsrates der A. AG ging. Der Vater habe gemäss Artikel über Jahre hin­weg Kunst­werke mit frag­würdi­gen Zuschrei­bun­gen ver­mit­telt. Nach dem Tod des Vaters habe sich her­aus­gestellt, dass die Kunst­werke keine Orig­i­nale, son­dern lediglich Kopi­en, Schüler- und Werk­stat­tar­beit­en waren. Die E‑Mail enthielt den Schlusssatz “for all your work, please ensure all is on paper/contracted” (Urteil 4A_109/2016 vom 11. August 2016, E. 3.1).

Mit der Klageant­wort schob die A. AG den Kündi­gungs­grund nach, B. habe eine Fest­plat­te mit zahlre­ichen wichti­gen Geschäfts­dat­en vom Pult eines Mitar­beit­ers entwen­det und kopiert (E. 3.2).

Das Bezirks­gericht Kreu­zlin­gen hiess die Klage von B. teil­weise gut. Das Oberg­ericht des Kan­tons Thur­gau wies die Beru­fung der A. AG ab. Die gegen diesen Entscheid erhobene Beschw­erde wies das Bun­des­gericht ab, soweit darauf einzutreten war.

Das Bun­des­gericht bestätigte die vorin­stan­zliche Auf­fas­sung, wonach das Versenden der E‑Mail allein nicht genügte, um die frist­lose Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen (E. 3.1 und 5.2). Der Kündi­gungs­grund der entwen­de­ten Fest­plat­te kon­nte nicht mehr nachgeschoben wer­den, da dieser Umstand bei der Kündi­gung zwar bekan­nt war, aber in der Kündi­gungs­be­grün­dung nicht genan­nt wurde (E. 5.1).

Das Bun­des­gericht hielt überdies fest, dass nur Umstände als Kündi­gungs­gründe nachgeschoben wer­den kön­nen, die sich vor der frist­losen Kündi­gung abge­spielt haben und die im Zeit­punkt der frist­losen Kündi­gung wed­er bekan­nt waren noch bekan­nt sein kon­nten. Zu fra­gen sei in solchen Fällen, ob der Umstand zu einem Ver­trauens­bruch hätte führen kön­nen, wenn er der kündi­gen­den Partei bekan­nt gewe­sen wäre. Entschei­dend sei, ob auf­grund des nachgeschobe­nen Grun­des davon auszuge­hen ist, dass die gel­tend gemacht­en Gründe ins­ge­samt einen hin­re­ichen­den Ver­trauensver­lust hät­ten bewirken kön­nen (zum Ganzen E. 4.3).