4A_619/2015: Novenschranke im kantonalen Berufungsverfahren (amtl. Publ.)

In einem Prozess über Forderun­gen aus Werkver­trag war zwis­chen den Parteien ins­beson­dere umstrit­ten, bis zu welchem Zeit­punkt im kan­tonalen Beru­fungsver­fahren Noven vorge­bracht wer­den kön­nen. Das Oberg­ericht Appen­zell A.Rh. wies eine Noveneingabe vom 7. April 2015 aus dem Recht, nach­dem es mit prozesslei­t­en­der Ver­fü­gung vom 9. Feb­ru­ar 2015 den Parteien mit­geteilt hat­te, auf die Durch­führung eines zweit­en Schriften­wech­sels und ein­er Beru­fungsver­hand­lung zu verzicht­en (Urteil 4A_619/2015 vom 25. Mai 2016, E. 2.2.7).

Das Bun­des­gericht hat­te zu beurteilen, ob die Vorin­stanz Art. 317 Abs. 1 ZPO ver­let­zt hat­te. Gemäss dieser Bes­tim­mung kön­nen neue Tat­sachen und Beweis­mit­tel im Beru­fungsver­fahren nur noch berück­sichtigt wer­den, wenn sie ohne Verzug vorge­bracht und trotz zumut­bar­er Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorge­bracht wer­den kon­nten.  

Das Bun­des­gericht entsch­ied, dass im Beru­fungsver­fahren neue Tat­sachen und Beweis­mit­tel unter den Voraus­set­zun­gen von Art. 317 Abs. 1 ZPO bis zum Beginn der Beratungsphase vorge­bracht wer­den kön­nen. Tat­sachen und Beweis­mit­tel, die erst nach Beginn der Beratungsphase entste­hen, kön­nen nur mit­tels neuer Klage gerichtlich gel­tend gemacht wer­den (zum Ganzen E. 2.2.6).

Gemäss Bun­des­gericht ist es den Parteien ver­wehrt, sowohl echte wie unechte Noven vorzubrin­gen, wenn der Beru­fung­sprozess auf­grund der Spruchreife der Stre­it­sache in die Phase der Urteils­ber­atung überge­ht. Die Phase der Urteils­ber­atung begin­nt mit dem Abschluss der Beru­fungsver­hand­lung oder mit der förm­lichen Mit­teilung durch das Gericht, dass die Beru­fungssache spruchreif ist und deshalb zur Urteils­ber­atung überge­gan­gen wird (zum Ganzen E. 2.2.5).

Indem die Vorin­stanz im konkreten Fall den Parteien mit­teilte, auf einen zweit­en Schriften­wech­sel und eine Beru­fungsver­hand­lung zu verzicht­en, gab die Beru­fungsin­stanz den Parteien nach Auf­fas­sung des Bun­des­gerichts klar zu erken­nen, dass es die Sache für spruchreif halte und deshalb zur Urteils­ber­atung schre­ite. Die Vorin­stanz hat­te deshalb kein Bun­desrecht ver­let­zt (E. 2.2.7).