2C_399/2011: Teilweiser Verkauf einer privaten Bildersammlung durch Galeristen als “nachhaltige” bzw. “unternehmerische” Tätigkeit” im Sinne des aMWSTG (amtl. Publ.)

Im Zusam­men­hang mit einem renom­mierten Galeris­ten, der auch pri­vat Bilder sam­melte und im Jahr 2000 einen Teil sein­er Kun­st­samm­lung auf dem Auk­tion­sweg verkaufte, set­zt sich das BGer im Entscheid u.a. mit der Frage der mehrw­ert­s­teuer­lichen Abgren­zung zwis­chen pri­vater und unternehmerisch­er Tätigkeit auseinan­der (aMW­STG).

Das BGer hat­te die Frage zu entschei­den, “in welchem Masse ein Leis­tungser­bringer tätig zu wer­den hat, ehe sein Ver­hal­ten als der­art man­i­fest gilt, dass er selb­st unter Prak­tik­a­bil­ität­saspek­ten zur Abrech­nung der Mehrw­ert­s­teuer her­anzuziehen ist.” Die Frage stellt sich bei den direk­ten Steuern in ähn­lich­er Weise bei der Abgren­zung von selb­ständi­ger Erwerb­stätigkeit und Lieb­haberei.

(E.2.4.2) Wen­ngle­ich es dur­chaus begrüssenswert ist, den Begriff der selb­ständi­gen Tätigkeit direkt- und mehrw­ert­s­teuer­lich in ähn­lich­er Weise aufz­u­fassen, darf nicht aus den Augen ver­loren wer­den, dass Einkom­men- und Gewinns­teuer ein­er­seits und Mehrw­ert­s­teuer ander­seits unter­schiedlichen Konzepten fol­gen. Geht es direk­t­s­teuer­lich um die Besteuerung des Einkom­mens bzw. Gewinns des Leis­tungser­bringers, soll mehrw­ert­s­teuer­lich der Kon­sum des Leis­tungsempfängers erfasst wer­den. Insofern find­et die begrif­fliche Har­mon­isierung ihre Gren­zen an der unter­schiedlichen Zweck­ge­bung der Steuer­art.

(E.2.4.3) Für das Vor­liegen ein­er nach­halti­gen Leis­tungser­bringung kön­nen nach bun­des­gerichtlich­er Recht­sprechung fol­gende Indizien sprechen: Ein mehrjähriges Engage­ment, plan­mäs­siges Vorge­hen, eine auf Wieder­hol­ung angelegte Tätigkeit, die Aus­führung von mehreren Umsätzen, die Vor­nahme mehrerer gle­ichar­tiger Hand­lun­gen unter Aus­nutzung der­sel­ben Gele­gen­heit, die Inten­sität des Tätig­w­er­dens, die Beteili­gung am Markt, der Unter­halt eines Geschäfts­be­triebs und die Art und Weise des Auftretens gegenüber Behör­den [Zitate]. Wie bei Abklärung des Kri­teri­ums der Selb­ständigkeit (vorne E. 2.4.2 a.E.) ist auch hier eine Würdi­gung der gesamten Umstände des Einzelfalls geboten.

Das BGer hat auch das MWST-Recht der EU als Ausle­gung­shil­fe herange­zo­gen (E.2.5), namentlich die sog. “Well­come-Prax­is”, die weit­ge­hend der schweiz­erischen Sichtweise entspreche:

(E. 2.5.3) Nach der weit­erge­führten Well­come-Prax­is kommt es bei der Abgren­zung von Liefer­un­gen, welche die natür­liche Per­son entwed­er “unternehmerisch” oder dann “pri­vat” — also “nicht-unternehmerisch” — vorn­immt, nicht auf Zahl und Umfang der Verkaufs­fälle an. Eben­so unmass­ge­blich ist die Höhe des Umsatzes. Entschei­dend ist vielmehr, ob der Leis­tungser­bringer “aktive Schritte zum Ver­trieb” durch Ein­satz “ähn­lich­er Mit­tel wie ein Erzeuger, Händler oder Dien­stleis­ten­der” ergreift.

Der Begriff der sub­jek­tiv­en Mehrw­ert­s­teuerpflicht muss grund­sät­zlich weit aus­gelegt werden:

(E. 4.2) Zur Erre­ichung des über­ge­ord­neten Ziels der All­ge­mein­heit der Mehrw­ertbesteuerung und der Wet­tbe­werb­sneu­tral­ität ist nach dem Gesagten eine weite Ausle­gung des Tatbe­standes der sub­jek­tiv­en Mehrw­ert­s­teuerpflicht am Platz (E. 2.3.4 hievor). Soweit ein Leis­tungser­bringer von ihr ausgenom­men ist, bleibt nicht nur der Kon­sum unbesteuert, son­dern geniesst er Wet­tbe­werb­svorteile gegenüber den Mitan­bi­etern, die der Steuerpflicht unter­liegen und ihre Leis­tun­gen entsprechend teur­er anbi­eten müssen, wollen sie die Mehrw­ert­s­teuer nicht zulas­ten ihrer Marge übernehmen. 

Die Aus­nahme von aMW­STV 14 Ziff. 20 war nicht anwend­bar (Liefer­ung gebrauchter Gegen­stände, die auss­chliesslich für eine nach Art. 14 aMW­STV [Aus­nah­mekat­a­log] von der Steuer ausgenommene Tätigkeit ver­wen­det wur­den, sofern diese Gegen­stände mit der Warenum­satzs­teuer belastet sind oder deren Bezug nicht zum Vors­teuer­abzug berechtigte; vgl. E. 5).

Der teil­weise Verkauf der Kun­st­samm­lung durch den Galeris­ten, (dessen “Ken­nt­nisse und Fer­tigkeit­en als Kun­st­sachver­ständi­ger auch auf wis­senschaftlich­er Ebene zu gebühren­der Anerken­nung geführt” haben) wurde vom BGer als mehrw­er­s­teuerpflichtiges Geschäft beurteilt.