5A_234/2012: Hinzurechnung von Zahlungen an die Mutter des ausserehelichen Kindes zur Errungenschaft (amtl. Publ.)

Geldzahlun­gen, die ein Ehe­gat­te an die Mut­ter seines aussere­he­lichen Kindes leis­tet, unter­liegen im Rah­men der güter­rechtlichen Auseinan­der­set­zung als unent­geltliche Zuwen­dun­gen der Hinzurech­nung gemäss Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB, wenn dessen Ehe im ordentlichen Güter­stand der Errun­gen­schafts­beteili­gung geschieden wird.

Das Bun­des­gericht weist mit diesem für die amtliche Samm­lung vorge­se­henen Urteil vom 28. Sep­tem­ber 2012 (5A_234/2012) einen Beschw­erde­führer ab, der vorge­bracht hat­te, dass er nicht verpflichtet gewe­sen sei, Errun­gen­schaft zu bilden, zumal er seine Pflicht, Unter­halt an die Ehe­frau und das gemein­same Kind zu leis­ten, nicht ver­let­zt habe und daher in guten Treuen auf das Ein­ver­ständ­nis der Beschw­erdegeg­ner­in zu den Geldzahlun­gen habe schliessen dürfen.

Um die Anwartschaft des Ehe­gat­ten auf Beteili­gung am Vorschlag des anderen zu schützen, wer­den die unent­geltlichen Zuwen­dun­gen, die ein Ehe­gat­te während der let­zten fünf Jahre vor Auflö­sung des Güter­standes ohne Zus­tim­mung des anderen Ehe­gat­ten gemacht hat, ausgenom­men die üblichen Gele­gen­heits­geschenke, nach Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB zur Errun­gen­schaft hinzugerechnet.

3.3 Unter ein­er unent­geltlichen Zuwen­dung (libéral­ité, lib­er­al­ità) im Sinne von Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB sind alle Arten von Ver­mö­gensen­täusserun­gen ohne Gegen­leis­tung zu ver­ste­hen, welche die Errun­gen­schaft ver­min­dert oder deren Zunahme ver­hin­dert haben […].
3.3.1 Laut der Botschaft [Botschaft über die Änderung des ZGB [Wirkun­gen der Ehe im all­ge­meinen, Ehegüter­recht und Erbrecht] vom 11. Juli 1979, BBl. 1979 II 1191 Ziff. 222.532, S. 1317] fall­en unter die unent­geltlichen Zuwen­dun­gen auch “Leis­tun­gen auf­grund ein­er moralis­chen Verpflich­tung”. Nach der Lehre soll der Begriff “unent­geltliche Zuwen­dun­gen” möglichst gle­ich wie in Art. 527 Ziff. 1 ZGB aus­gelegt werden […].

Die Frage, inwieweit all­ge­mein die Erfül­lung ein­er sit­tlichen Pflicht von Art. 208 ZGB erfasst ist, kon­nte hier angesichts der konkreten Zahlun­gen des Beschw­erde­führers offen gelassen werden.

3.3.2 Das Gesetz gewährt der Mut­ter eines nichte­he­lichen Kindes lediglich einen Anspruch für die “Kosten des Unter­halts” für eine beschränk­te Zeit vor und nach der Geburt (Art. 295 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB), welch­er als eine Art Entschädi­gung ver­standen wird […]. Der Anspruch gemäss Art. 295 ZGB bedeutet jedoch keinen Anspruch auf Unter­halt für die Betreu­ung, welch­er de lege lata nicht beste­ht (im Gegen­satz zum deutschen Recht, vgl. § 1651l Abs. 2 BGB[…]). Der Bun­desrat hat auch kür­zlich keinen hin­re­ichen­den Grund gese­hen, um einen sta­tusun­ab­hängi­gen Betreu­ung­sun­ter­halt vorzuschla­gen (Botschaft zur Änderung des ZGB [Elter­liche Sorge] vom 16. Novem­ber 2011, BBl. 2011 9077, Ziff. 1.5.5.2, S. 9096). Der Anspruch auf Betreu­ung­sun­ter­halt kann sich jedoch auf einen Ver­trag mit dem Vater stützen […]. Vere­in­barun­gen ausser­halb der geset­zlichen Unter­halt­spflicht erscheinen grund­sät­zlich als Schenkungsver­sprechen (Art. 239 OR) oder als Ver­sprechen der Erfül­lung ein­er sit­tlichen Pflicht […].

Der Beschw­erde­führer und die Mut­ter seines aussere­he­lichen Sohnes hat­ten eine schriftliche Vere­in­barung über den Unter­halt getrof­fen. Darin kann, so das Bun­des­gericht, jedoch nicht das Ver­sprechen der Erfül­lung ein­er sit­tlichen Pflicht erblickt wer­den. Dem Beschw­erde­führer wäre kein unsit­tlich­es Ver­hal­ten vorzuw­er­fen gewe­sen, wenn er keine Zahlun­gen an die Frau für die Betreu­ung des über 5‑jährigen Kindes geleis­tet hätte, während er gle­ichzeit­ig mit der Beschw­erdegeg­ner­in im ordentlichen Güter­stand lebte.

Die Geldzahlun­gen des Beschw­erde­führers fall­en sodann unbe­strit­ten­er­massen nicht unter “übliche Gele­gen­heits­geschenke”, und sie wur­den inner­halb der let­zten fünf Jahre vor der Ein­re­ichung des Schei­dungs­begehrens, d.h. dem für die Auflö­sung der Güter­standes mass­geben­den Zeit­punk­tes (Art. 204 Abs. 2 ZGB), vorgenom­men.