In einem steuerrechtlichen Urteil vom 22. Oktober 2012 hat sich das BGer auch zur Zustellung von elektronischen Nachrichten geäussert. Konkret ging es um den Versand einer Email durch einen Treuhänder an einen Kunden, mit welcher der Kunde über die Frist zur Zahlung eines Kostenvorschusses informiert wurde. Die Email ging nach Darstellung des Treuhänders aufgrund technischer Probleme mit dem Server, der von einem Dritten betrieben werde, verloren. Es sei weder zur Weiterleitung der elektronischen Nachricht an die steuerpflichtige Person noch zu einer Fehlermeldung an den Treuhänder gekommen. Deswegen ersuchte der Treuhänder um “Fristerstreckung”.
Das BGer weist dies zurück. Der Treuhänder habe zivilrechtlich unsorgfältig und daher nicht wie für eine Fristwiederherstellung erforderlich “(klar) schuldlos” gehandelt. Im Wesentlichen hält es fest, dass der Beauftragte auftragsrechtlich verpflichtet ist, die Zustellung zumindest entscheidrelevanter elektronischer Nachrichten per Telefon oder Post zu verifizieren, wenn der Empfänger den Erhalt nicht bestätigt:
4.2 Es kann heute als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass der Verkehr mit E‑Mails gefahrenbehaftet und im Allgemeinen nur beschränkt verlässlich ist. Insbesondere gilt, dass der Nachweis des Zugangs elektronischer Nachrichten in den Machtbereich der empfangenden Person aufgrund der technischen Gegebenheiten anerkanntermassen Schwierigkeiten bereitet (Roger Rohner, Rechtsprobleme der elektronischen Steuerveranlagung, 2008, S. 85). In der Praxis bleibt die Möglichkeit, von der empfangenden Person eine Eingangsbestätigung zu verlangen und bei deren Ausbleiben zu reagieren. Eine entscheidrelevante Mitteilung per E‑Mail zu versenden, ohne weitere (Kontroll-)Massnahmen zu ergreifen, entspricht nicht sorgfältiger Erfüllung des Auftragsverhältnisses (Art. 398 OR).
Auftragnehmer sind deshalb gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet, die Zustellung ihrer Emails durch die beteiligten Emailprovider als ihre Unterbeauftragten zu kontrollieren:
Wenn oben ausgeführt wurde, die steuerpflichtige Person sei verpflichtet, die vertragliche Vertretung sorgfältig auszuwählen, zu instruieren und das Arbeitsergebnis zu überprüfen (E. 3.4 hiervor), trifft dies gleichermassen auf die Rechtsbeziehung zwischen Ober- und Unter-Hilfsperson zu. Hier heisst dies, dass der Treuhänder verpflichtet ist, das Verhalten des Providers zu kontrollieren. Es wäre an ihm gelegen, das “Arbeitsergebnis” dahingehend zu überprüfen, ob die elektronische Nachricht den Weg zur steuerpflichtigen Person tatsächlich gefunden hat. Schwierigkeiten im Umgang mit Informatiksystemen wurden denn auch in der bisherigen Rechtsprechung nicht als Fristwiederherstellungsgründe anerkannt, auch dann nicht, wenn geltend gemacht wurde, sie seien auf das Verhalten von Hilfspersonen zurückzuführen (Urteile 8C_910/2008 vom 30. Januar 2009 E. 3.4, in: SVR 2009 UV 26 Nr. 95; 4P.171/1996 vom 14. Oktober 1996 E. 4b).
Der Beauftragte darf auch nicht darauf vertrauen, dass er bei Zustellungsproblemen eine Fehlermeldung erhält:
4.3 Der Treuhänder der steuerpflichtigen Person bringt vor, ihm sei keine Fehlermeldung (über die nicht erfolgte Zustellung der elektronischen Nachricht an den Empfänger) zugegangen. Ist es unter den heute gängigen Standards unerlässlich, die Übermittlung auf andere, primär wohl herkömmliche Weise (telefonisch, postalisch etc.) zu verifizieren, erscheint es als wenig sinnvoll, auf das Eintreffen einer Fehlermeldung oder einer Zustellungsbestätigung zu vertrauen. Anders, als die steuerpflichtige Person und mit ihr der Treuhänder annimmt, genügt es zur Überwälzung der Verantwortung auf eine Sub-Hilfsperson (“Provider”) angesichts der technischen Unzulänglichkeiten der elektronischen Übermittlung, wie sie heute besteht, jedenfalls nicht, wenn der Unter-Hilfsperson (Provider) eine E‑Mail-Nachricht zuhanden der steuerpflichtigen Person übergeben wird. Der (Ober-)Hilfsperson ist im Sinne der geschilderten Zurechnungslehre schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen. Der Treuhänder und mit ihr die steuerpflichtige Person vermögen keine objektiven oder subjektiven Gründe vorzubringen, welche das vom Vertreter gewählte Vorgehen als angemessen erscheinen liessen. Weder war es “sorgfältig” im Sinne des Auftragsrechts, noch damit “(klar) schuldlos” gemäss den Regeln über die Wiedereinsetzung in den früheren Stand.