4A_520/2012: Rechtsprechung zur Qualifizierung von Bonuszahlungen präzisiert (amtl. Publ.)

In einem Leit­entscheid (BGer. 4A_520/2012 vom 26. Feb­ru­ar 2013) hat das Bun­des­gericht seine in BGE 129 III 276 entwick­elte Recht­sprechung präzisiert, wonach der akzes­sorische Charak­ter ein­er Grat­i­fika­tion dann kaum mehr gewahrt ist, wenn die Son­dervergü­tung regelmäs­sig einen höheren Betrag erre­icht als der Lohn.

Die Vorin­stanz hat­te erwogen, der aufgeschobene Aktien­bonus im Betrag von CHF 1’292’256 sei zur höheren Barvergü­tung (Fixlohn plus Cash-Anteil aus einem Bonus­plan) in der Höhe von CHF 2’015’294 akzes­sorisch. Das ändere sich auch nicht, wenn der Longevi­ty Pre­mi­um Award von CHF 323’064 hinzugerech­net werde (E. 5.2). Der Beschw­erde­führer brachte demge­genüber vor, dass eine Grat­i­fika­tion, die 80 % des anspruchs­berechtigten Lohnes aus­mache, nicht mehr als akzes­sorisch ange­se­hen wer­den könne, weshalb ein Lohnbe­standteil vor­liege, der im Aus­tritts­jahr pro rata tem­po­ris geschuldet sei (E. 5.1).

Das Bun­des­gericht entsch­ied, sobald der eigentliche Lohn ein Mass erre­iche, das die wirtschaftliche Exis­tenz des Arbeit­nehmers bei Weit­em gewährleiste bzw. seine Leben­shal­tungskosten erhe­blich über­steige, könne die Höhe der Grat­i­fika­tion im Ver­hält­nis zum Lohn kein Kri­teri­um mehr sein, um über den Lohn­charak­ter der Son­dervergü­tung zu entscheiden:

5.3 Die zitierte bun­des­gerichtliche Rechtsprechung
(vgl. E. 3.2), wonach eine Grat­i­fika­tion — um den Charak­ter einer
Son­dervergü­tung zu wahren — im Ver­hält­nis zum Lohn akzes­sorisch sein
muss, basiert auf dem Gedanken, dass es dem Arbeit­ge­ber ver­wehrt sein
soll, die eigentliche Vergü­tung des Arbeit­nehmers in Form einer
(frei­willi­gen) Grat­i­fika­tion auszuricht­en. Der Lohn stellt einen
notwendi­gen und wesentlichen Ver­trags­be­standteil eines
arbeitsver­traglichen Ver­hält­niss­es dar, wom­it der Arbeit­ge­ber zur
Zahlung eines Lohnes verpflichtet ist. Es ist dem­nach nicht zuläs­sig und
wider­spricht dem Sinn der Norm (Art. 322d OR),
wenn die Grat­i­fika­tion — als frei­willige, vom Wohlwollen und Ermessen
des Arbeit­ge­bers abhängige Son­dervergü­tung — das auss­chliessliche oder
haupt­säch­liche Ent­gelt des Arbeit­nehmers darstellt (vgl. Urteil
4C.364/2004 vom 1. Juli 2005 E. 2.2).
Sobald der eigentliche Lohn jedoch ein Mass erreicht,
das die wirtschaftliche Exis­tenz des Arbeit­nehmers bei Weitem
gewährleis­tet bzw. seine Leben­shal­tungskosten erhe­blich über­steigt, kann
die Höhe der Grat­i­fika­tion im Ver­hält­nis zum Lohn kein tragbares
Kri­teri­um mehr sein, um über den Lohn­charak­ter der Son­dervergü­tung zu
entschei­den (sin­ngemäss WOLFGANG PORTMANN, in: Basler Kommentar,
Oblig­a­tio­nen­recht, 5. Aufl. 2011, N. 19 zu Art. 322d OR; so auch REHBINDER/STÖCKLI, in: Bern­er Kom­men­tar, Oblig­a­tio­nen­recht, 2010, N. 1 zu Art. 322d OR;
RÉMY WYLER, Droit du tra­vail, 2. Aufl. 2008, S. 169; CONRADIN CRAMER,
Der Bonus im Arbeitsver­trag, 2007, S. 110 ff.). Bei derartigen
Einkom­mensver­hält­nis­sen, die nicht nur bei Weit­em die Kosten für einen
angemesse­nen Leben­sun­ter­halt des Arbeit­nehmers, son­dern auch den
Durch­schnittslohn um ein Vielfach­es über­steigen, lässt sich ein Eingriff
in die Pri­vatau­tonomie der Parteien durch ein entsprechendes
Schutzbedürf­nis des Arbeit­nehmers nicht legit­imieren. Es beste­ht kein
Anlass mehr, mit Mit­teln des Arbeit­srechts kor­rigierend zugun­sten des
Arbeit­nehmers in das Ver­hält­nis zwis­chen geschulde­tem Salär und der im
Ermessen des Arbeit­ge­bers ste­hen­den zusät­zlichen (frei­willi­gen)
Entschädi­gung einzuschre­it­en. Unter dieser Voraus­set­zung ist, in
Präzisierung der Recht­sprechung, das Ver­hält­nis der Höhe dieser
Son­dervergü­tung zum Fixlohn ohne Bedeutung.