4A_575/2012: Ausbildungskredite sind keine Konsumentenverträge i.S.v. KKG 3 (amtl. Publ.)

Das BGer hat­te im vor­liegen­den Fall zu beurteilen, ob das KKG auf einen Aus­bil­dungskred­it der Thur­gauer Kan­ton­al­bank zugun­sten eines Stu­den­ten der Rechtswis­senschaften anwend­bar war. Es war unbe­strit­ten, dass eine Kred­it­fähigkeit­sprü­fung i.S.v. KKG 28 nicht erfol­gt war, was nach KKG 32 für die Kred­it­ge­bern den Ver­lust des von ihr gewährten Dar­lehens führen kann.

Fraglich war konkret, ob der Stu­dent als Kon­sument i.S.v. KKG 3 zu betra­cht­en war. Nach dieser Bes­tim­mung ist ein Kon­sumenten­ver­trag ein Ver­trag mit ein­er natür­lichen Per­son, dessen Zweck nicht ihrer beru­flichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerech­net wer­den kann. Die Vorin­stanz, das OGer BE, hat­te den in Frage ste­hen­den Ver­trag aus drei Grün­den nicht unter KKG 3 subsumiert:

  • Kred­ite im Zusam­men­hang mit der beru­flichen Tätigkeit seien dann nicht dem KKG zu unter­stellen, wenn diese auf die Erzielung eines Einkom­mens gerichtet seien, aus welchem der Kred­it zurück­bezahlt wer­den könne. 
  • Ein Aus­bil­dungskred­it sei nicht ein klas­sis­ch­er Kon­sumkred­it nach dem Mot­to “heute kaufen, mor­gen bezahlen”. 
  • Eine Unter­stel­lung unter das KKG würde Aus­bil­dungskred­ite prak­tisch verun­möglichen, denn die von KKG 28 IV geforderte Amor­ti­sa­tion in 36 Monat­en sei bei solchen Kred­iten in den sel­tensten Fällen möglich.

Das BGer schützt diese Ausle­gung auch wegen der Gemein­samkeit­en von Aus­bil­dungs- mit Existenzgründungsdarlehen:

2.5.2 Nach Art. 3 KKG gilt als Kon­sument wie bere­its aus­ge­führt (E. 2.1) jede natür­liche Per­son, die einen Kon­sumkred­itver­trag zu einem Zweck abschliesst, der nicht ihrer beru­flichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerech­net wer­den kann […]. Diesem Wort­laut lässt sich nicht klar ent­nehmen, ob als Kon­sument auch gilt, wer einen Kred­it zur Finanzierung seines Studi­ums aufn­immt. […] Ent­ge­gen der Ansicht des Beschw­erde­führers schliesst der Wort­laut dies jeden­falls nicht dadurch aus, dass er eine bere­its beste­hende solche Tätigkeit voraus­set­zen würde […]. Die herrschende Lehre rech­net denn auch Exis­ten­z­grün­dungs­dar­lehen (bere­its) der beru­flichen bzw. gewerblichen Tätigkeit zu […].

2.5.3 Der Geset­zge­ber wollte im Bere­ich des Kon­sumkred­its namentlich jene Kon­sumenten schützen, die nicht in der Lage sind, ihre wirtschaftliche Sit­u­a­tion richtig einzuschätzen, bzw. die nicht der Ver­suchung wider­ste­hen kön­nen, einen für sie ruinösen Kon­sumkred­it zu beanspruchen […] 

2.5.4 Der Abschluss eines Kred­itver­trags zur Finanzierung des Studi­ums unter­schei­det sich in ver­schieden­er Hin­sicht von der umschriebe­nen Kon­stel­la­tion. […] Die Entschei­dung für ein (kred­it­fi­nanziertes) Studi­um wird kaum je über­stürzt erfol­gen, […] Zudem zeigt sich ger­ade beim von der Beschw­erdegeg­ner­in ange­bote­nen “Bil­dung plus-Kred­itver­trag”, dass es für Aus­bil­dungskred­ite spez­i­fis­che Ange­bote mit vorteil­haften Kon­di­tio­nen wie tiefem Zins und Kap­i­tal­isierung der Zin­sen bis zum Ende des Studi­ums gibt. Mit der Unter­stel­lung solch­er Kred­ite unter das KKG wer­den diese fak­tisch beina­he verun­möglicht […]. Denn ein Kon­sument muss nach Art. 28 Abs. 4 KKG in der Lage sein, den Kon­sumkred­it inner­halb von 36 Monat­en zu amor­tisieren, anson­sten die Kred­it­fähigkeit zu verneinen ist und der Kred­it fol­glich nicht gewährt wer­den darf. […].

2.5.5 Auf der anderen Seite beste­hen Gemein­samkeit­en zu den Exis­ten­z­grün­dungs­dar­lehen. In bei­den Fällen dient der Kred­it ein­er Investi­tion mit dem Zweck der Ermöglichung der (späteren) beru­flichen oder gewerblichen Tätigkeit. Die Investi­tion schlägt sich nach absolviertem Studi­um denn auch in einem (höheren) Einkom­men nieder. Anders etwa als der Besuch eines Sprachkurs­es im Hin­blick auf einen Ferien­aufen­thalt ist der in der Lehre teil­weise geforderte enge Zusam­men­hang des Kred­its mit der geplanten Beruf­skar­riere (vgl. oben E. 2.4) bei einem Studi­um in der Regel zu bejahen. […].