4A_620/2012: Ablehnungsgründe gegen einen Schiedsrichter müssen bereits im Zeitpunkt der Ernennung durch eine Partei unverzüglich vorgebracht werden

Im Entscheid 4A_620/2012 vom 29. Mai 2013 befasste sich das Bun­des­gericht mit der Frage, ob eine Partei trotz Kentn­nis eines Ablehnungs­grun­des mit ihrem Ablehnungs­begehren gegen eine von der Gegen­partei ernan­nte Schied­srich­terin zuwarten könne, bis diese bestätigt wor­den ist.

Im vor­liegen­den Fall ging es um ein Schiedsver­fahren vor dem Tri­bunal Arbi­tral du Sport (“TAS”). Gemäss R34 Abs. 2 des TAS-Code des  sind Ablehnungs­begehren dem Board des Inter­na­tion­al Coun­cil of Arbi­tra­tion for Sport (“ICAS”) vorzule­gen. Dieses bzw. der Coun­cil selb­st entschei­det darüber, nach­dem alle Ver­fahrens­beteiligten ange­hört wor­den sind. Gemäss R34 Abs. 1 muss das Ablehnungs­begehren innert sieben Tagen nach Ken­nt­nis des Ablehnungs­grun­des gestellt werden.

Im vor­liegen­den Fall kam das Board des ICAS zum Schluss, dass die Beschw­erde­führerin den Ablehnungs­grund in Bezug auf Frau Echev­er­ria erst 21 Tage nach Ken­nt­niser­lan­gung und damit zu spät vorge­bracht hat.

Dage­gen wandte die Beschw­erde­führerin vor Bun­des­gericht ein, sie habe das Ablehnungs­begehren rechtzeit­ig gestellt. Die Frist von sieben Tagen gemäss R34 Abs. 1 des TAS-Code beginne näm­lich nicht schon mit der Benen­nung eines Schied­srichters durch eine Partei, son­dern erst mit der Bestä­ti­gung durch das TAS zu laufen. Frau Echev­er­ria sei vor­liegend am 22. Mai 2012 vom TAS als Schied­srich­terin bestätigt wor­den. Da die Beschw­erde­führerin darauf habe ver­trauen dür­fen, dass das TAS Frau Echev­er­ria auf­grund ihrer Beratungstätigkeit für die Beschw­erdegeg­ner­in von sich aus für befan­gen erk­lären und ihr die Bestä­ti­gung als Schied­srich­terin ver­weigern würde, habe die Beschw­erde­führerin auf die Mit­teilung vom 7. Mai 2012 nicht reagieren
müssen. Eine “präven­tive Ablehnung” sei nicht notwendig. Die Ablehnung sei vielmehr erst dann im Sinne der bun­des­gerichtlichen Rechtsprechung
unverzüglich gel­tend zu machen, wenn die benan­nte Per­son vom TAS als Schied­srichter bestätigt wor­den ist.

Das Bun­des­gericht liess sich von dieser Argu­men­ta­tion nicht überzeu­gen. Es erk­lärte, dass es in BGE 130 III 66 E. 4.2 f. S. 74 ff. klar gestellt habe, dass Ablehnungs­gründe, von denen eine Partei Ken­nt­nis erlangte, nicht nur gegen defin­i­tiv bestellte Schied­srichter unverzüglich vorge­bracht wer­den müssen, son­dern auch gegen Schied­srichterkan­di­dat­en, welche von den Parteien bzw. ein­er entsprechen­den Ernen­nungs­be­hörde vorgeschla­gen wur­den. Wenn näm­lich die Parteien aus­drück­lich und unter Fris­tanset­zung aufge­fordert wer­den, sich zur vorge­se­henen Zusam­menset­zung des Schieds­gerichts zu äussern und wenn nötig dage­gen zu opponieren, sind gemäss dem Bun­des­gericht entsprechende Ein­wen­dun­gen nach Treu und Glauben innert Frist vorzubrin­gen. Andern­falls kann aus dem Stillschweigen der Parteien auf deren Ein­ver­ständ­nis geschlossen oder dür­fen entsprechende Ein­wen­dun­gen zufolge wider­sprüch­lichen Ver­hal­tens als ver­wirkt erachtet wer­den (BGE 130 III 66 E. 4.3 S. 75 f.).

Genau diese Kon­stel­la­tion war vor­liegend aber gegeben, führte das TAS in dem an die bei­den Parteien adressierten Schreiben vom 7. Mai 2012 wörtlich das Fol­gende aus:

Fur­ther­more, please find enclosed the ‘Arbitrator’s Accep­tance and State­ment of Inde­pen­dence’ filed by the arbi­tra­tor Mrs Mar­gari­ta Echev­er­ria, arbi­tra­tor nom­i­nat­ed by the Respondent.
You will note that Mrs Echev­er­ria has accept­ed her nom­i­na­tion in the Pan­el but wish­es to dis­close the fol­low­ing infor­ma­tion: ‘I am an exter­nal con­sul­tant of FIFA in Amer­i­ca regard­ing statutes gov­er­nance and man­age­ment of the federations’.

In the event the par­ties have an objec­tion to the appoint­ment of Mrs Echev­er­ria, they may request her chal­lenge with­in a dead­line of sev­en days after the grounds for the chal­lenge has become known, in accor­dance with the require­ments set at Arti­cle R34 of the Code of Sports-relat­ed Arbitration.

Da sich die Beschw­erde­führerin innert sieben Tagen nach Ken­nt­nis des allfäl­li­gen Ablehnungs­grun­des bezüglich Frau Echev­er­ria nicht vernehmen liess, durfte das TAS gemäss bun­des­gerichtlich­er Auf­fas­sung davon aus­ge­hen, dass keine Ein­wände gegen die von der Beschw­erdegeg­ner­in benan­nte Schied­srich­terin beste­hen, und die Bestä­ti­gung gemäss R40.3 Abs. 1 Satz 2 des TAS-Code vornehmen. Aus dem Stillschweigen der Beschw­erde­führerin durfte das TAS auf deren Ein­ver­ständ­nis schliessen oder entsprechende Ein­wen­dun­gen zufolge wider­sprüch­lichen Ver­hal­tens als ver­wirkt eracht­en. Der
Beschw­erde­führerin war es damit ver­wehrt, sich vor Bun­des­gericht auf die Rüge der vorschriftswidri­gen Zusam­menset­zung des Schieds­gerichts (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG) zu berufen.