4A_707/2016: Noven müssen im Berufungsverfahren unverzüglich vorgebracht werden

Während eines haftpflichtrechtlichen Prozess­es, der über mehrere Instanzen ging, ver­starb der Verun­fallte. Es stellte sich die Frage, zu welchem Zeit­punkt neue Vor­brin­gen mit Bezug auf das Ver­ster­ben im Beru­fungsver­fahren vorzubrin­gen sind.

Das Bun­des­gericht erwog zu dieser Frage das Fol­gende (Urteil 4A_707/2016 vom 29. Mai 2017, E. 3.3.2):

Wie dargelegt, kön­nen echte Noven nach Art. 317 Abs. 1 lit. a ZPO nur berück­sichtigt wer­den, wenn sie ohne Verzug vorge­bracht wer­den. In der Lehre wird als Grun­dregel eine Frist von 10 Tagen […] beziehungsweise ein­er bis zwei Wochen […] angenom­men. Eine Partei, der bere­its eine offene Frist für eine Eingabe läuft, soll dabei den Fristablauf abwarten kön­nen, da dadurch das Ver­fahren nicht verzögert werde […]. Wie es sich damit im Einzel­nen ver­hält, braucht nicht gek­lärt zu wer­den. Das Ver­ster­ben ein­er Partei bildet zwar insoweit einen Son­der­fall, als diese Tat­sache während laufen­d­em Prozess mit Bezug auf den durch die geset­zliche Recht­snach­folge (Art. 560 ZGB) bed­ingten Partei­wech­sel (Art. 83 Abs. 4 2. Satz ZPO) sowie in Bezug auf die Prozessvo­raus­set­zun­gen (Art. 59 f. ZPO) nicht von der Noven­regelung (Art. 317 Abs. 1 ZPO) erfasst wird. Soweit die Tat­sache aber weit­ere Aus­führun­gen ein­er Partei notwendig macht, weil diese nicht bezüglich des Partei­wech­sels oder der Prozessvo­raus­set­zun­gen etwas daraus ableit­en will, son­dern gel­tend macht, gewisse Bemes­sungskri­te­rien (wie die Inten­sität und Dauer der Auswirkun­gen der Ver­let­zun­gen auf die Per­sön­lichkeit des Betrof­fe­nen […]) für die Fest­set­zung der Genug­tu­ung hät­ten sich in tat­säch­lich­er Hin­sicht durch den Tod verän­dert, wer­den dies­bezügliche Aus­führun­gen von Art. 317 Abs. 1 ZPO erfasst. Hätte die Beschw­erde­führerin für die tat­säch­lichen Bemes­sungskri­te­rien etwas aus dem Ver­ster­ben des Verun­fall­ten ableit­en wollen, hätte sie dies ohne Verzug tun müssen. Ihr lief (im Gegen­satz zur Gegen­partei) im Zeit­punkt der Ken­nt­nis­nahme keine offene Frist. Die Beschw­erde­führerin durfte daher grund­sät­zlich nicht bis zur Ein­re­ichung der Beru­fungsrep­lik zuwarten, denn dadurch wurde das Ver­fahren verzögert, indem den Beschw­erdegeg­ner­in­nen die Möglichkeit genom­men wurde, bere­its in der Beru­fungsant­wort auf allfäl­lige neue Aus­führun­gen der Beschw­erde­führerin einzuge­hen. Nur soweit erst die Beru­fungsant­wort zu den Aus­führun­gen Anlass gegeben hätte, wären die Vor­brin­gen rechtzeit­ig. Dass dies der Fall ist, zeigt die Beschw­erde­führerin nicht auf.