5A_323/2013 : Auslegung von letztw. Verfügungen (Zusammenf. der Rsp.)

Das BGer fasst im vor­liegen­den Urteil die Recht­sprechung zur Ausle­gung let­ztwilliger Ver­fü­gun­gen zusam­men:

2.1. […] die eigen­händi­ge Form vor allem den Zweck hat, den Willen des Erblassers, seinen ani­mus tes­tan­di, sicht­bar zu machen, also seine Absicht, über sein Ver­mö­gen für die Zeit nach seinem Tod zu ver­fü­gen. Die Erk­lärung dieses Testier­wil­lens ist eine uner­lässliche Voraus­set­zung für die Exis­tenz des Tes­ta­ments. Der Wille muss aus dem Tes­ta­ment selb­st, das heisst aus dem her­vorge­hen, was der Erblass­er geschrieben hat. Sind die schriftlich fest­ge­hal­te­nen Anord­nun­gen so for­muliert, dass sie eben­so gut im einen wie im andern Sinn ver­standen wer­den kön­nen, darf der Richter die For­mulierun­gen, der­er sich der Erblass­er bedi­ent hat, unter Berück­sich­ti­gung des Tes­ta­ments als Ganzes ausle­gen […]. Er kann auch ausser­halb der Tes­ta­mentsurkunde liegende Ele­mente zur Ausle­gung her­anziehen, soweit sie den im Text unklar oder unvoll­ständig aus­ge­drück­ten Willen erhellen. In gle­ich­er Weise kann er sich auf die all­ge­meine Lebenser­fahrung abstützen oder die Ver­fü­gung “in favorem tes­ta­men­ti” ausle­gen, das heisst von mehreren Ausle­gungsmöglichkeit­en diejenige wählen, welche die Aufrechter­hal­tung der Ver­fü­gung ermöglicht […]. Die Ausle­gung ein­er Wil­lenserk­lärung set­zt aber — wie erwäh­nt — voraus, dass ein ani­mus tes­tan­di aus der Ver­fü­gung her­vorge­ht. Daher darf durch die Ausle­gung “nichts in die Ver­fü­gung hinein­gelegt wer­den, was nicht darin enthal­ten ist” (so Peter Weimar, in: […]). In diesem Sinne ist die erwäh­nte Recht­sprechung zu ver­ste­hen, wonach der Richter so genan­nte Exter­na nur insoweit zur Ausle­gung her­anziehen darf, als sie ihm erlauben, eine im Text enthal­tene Angabe zu klären oder zu erhärten und den Willen zu erhellen, der in der geset­zlich vorgeschriebe­nen Form zum Aus­druck kommt […]. Dabei ist gemäss Art. 18 Abs. 1 OR, der bei der Ausle­gung let­ztwilliger Ver­fü­gun­gen Anwen­dung find­et (Art. 7 ZGB), der wirk­liche Wille beachtlich, nicht die unrichtige Beze­ich­nung oder Aus­druck­sweise. Wer sich auf einen vom objek­tiv ver­stande­nen Sinn und Wort­laut abwe­ichen­den Willen des Erblassers beruft, ist beweispflichtig und hat entsprechende Anhalt­spunk­te konkret nachzuweisen […]. 

Dabei hält das BGer im vor­liegen­den Fall — in Bestä­ti­gung der Lehre — fest, dass jed­er Wort­laut immer ausle­gungs­bedürftig ist:

[…] bedeutet nichts anderes, als dass es eine “an sich” klare Erk­lärung nicht geben und der Wort­laut als solch­er keinen selb­ständi­gen Bestand haben kann. […]. Macht die Ausle­gung jedoch nicht Halt vor dem (ver­meintlich) “ein­deuti­gen” Wort­laut, so bedeutet dies, die Tat­sachen und Beweis­mit­tel zu berück­sichti­gen, die nicht zum Erk­lärungsvor­gang als solchem gehören, aber doch Schlussfol­gerun­gen auf den Willen des Erk­lären­den erlauben […].