4A_359/2013; 4A_421/2013: Haftung von Schwimmbadbetreibern (Bestätigung der Rechtsprechung)

Der Beschw­erde­führer logierte in einem Hotel mit Hal­len­bad. Er sprang vom Start­sock­el an der Bre­it­seite des Schwimm­beck­ens kopfüber ins Wass­er und schlug mit dem Kopf am Boden des Beck­ens auf. Dabei brach er sich den 4. Hal­swirbel und ist sei­ther vom Nack­en an abwärts gelähmt (Tetraplegie).

Ein Augen­schein im Rah­men ein­er vor­sor­glichen Bewe­is­führung ergab, dass der Start­sock­el am Rand des Schwimm­beck­ens fest­geschraubt war und eine Höhe von 62.5–70 Zen­time­tern aufwies. Im Sock­el­bere­ich wurde eine Wasser­tiefe von 150–151.5 Zen­time­tern gemessen. In der Nähe des Start­sock­els waren Hin­weiss­childer ange­bracht: “Vor­sicht beim Ein­sprin­gen — Tiefe 1.50”.

Das Bun­des­gericht hat­te zu entschei­den, ob eine Ver­tragsver­let­zung beziehungsweise ein Werk­man­gel im Sinne von Art. 58 OR vor­lag (BGer. 4A_359/3013 vom 13. Jan­u­ar 2014, E. 3 und 3.3). Es verneinte eine Haf­tung in Bestä­ti­gung sein­er bish­eri­gen Rechtsprechung:

3.4. Für die Bes­tim­mung der Anforderun­gen an die Sicher­heit eines
Schwimm­bads kann sowohl auf die Sicher­heit­sempfehlun­gen der
Beratungsstelle für Unfal­lver­hü­tung (bfu) für Pla­nung, Bau und Betrieb
von Hallen- und Freibädern (nach­fol­gend: bfu-Empfehlun­gen) als auch auf
das Regle­ment des Schweiz­erischen Schwim­mver­bands über die Anforderungen
an Wet­tkamp­fan­la­gen (nach­fol­gend: SSCHV-Regle­ment) abgestellt werden,
je in der im Zeit­punkt des Unfall­es gülti­gen Ver­sion. Das
SSCHV-Regle­ment entspricht dabei den Vorschriften der Fédération
Inter­na­tionale de Nata­tion (FINA; nach­fol­gend: FINA-Vorschriften).
Sowohl das SSCHV-Regle­ment als auch die FINA-Vorschriften sind jedermann
zugänglich, müssen als notorische Tat­sachen wed­er behauptet noch
bewiesen wer­den (BGE 135 III 88
E. 4.1 S. 89 mit Hin­weisen) und sind im Ver­fahren vor Bun­des­gericht von
Amtes wegen zu berück­sichti­gen (vgl. Urteil 4A_412/2011 vom 4. Mai 2012
E. 2.2 mit Hin­weisen, nicht publ. in: BGE 138 III 294).
Obwohl die erwäh­n­ten Empfehlun­gen und Vorschriften kein objektives
Recht darstellen, erfüllen sie eine wichtige Konkretisierungs­funk­tion im
Hin­blick auf die inhaltliche Aus­gestal­tung der Pflicht­en von
Schwimm­bad­be­treibern (vgl. zur Verkehrssicherungspflicht BGE 130 III 193 E. 2.3 S. 196 f.; 126 III 113 E. 2b S. 116, je mit Hinweisen).

[…]

3.4.2. Die Vorin­stanz ging zutr­e­f­fend davon aus, dass die
bfu-Empfehlun­gen für eine Wasser­tiefe von 1.40 m bis 1.80 m keine
Regelung enthal­ten. Daraus fol­gerte sie, die Beklagten hät­ten nicht in
guten Treuen auf die ent­las­tende Wirkung der für sie gün­stigeren Norm
ver­trauen dür­fen. Für die Ausle­gung der unklaren bfu-Empfehlun­gen darf
aber auch das SSCHV-Regle­ment berück­sichtigt wer­den. Dieses enthält
keine Regel, wonach fest mon­tierte Sock­el eine Min­dest­tiefe von 1.80 m
voraus­set­zen wür­den. Auch nach dem SSCHV-Regle­ment müssen aber
demon­tier­bare Start­blöcke lediglich bei ein­er Wasser­tiefe von unter 1.40
m ent­fer­nt wer­den. Wie die Beklagten aus­führen, hat­te das Bundesgericht
kür­zlich einen ähn­lichen Sachver­halt zu beurteilen (Urteil 4A_458/2008
vom 21. Jan­u­ar 2009). In diesem Fall verun­fallte ein Gast eines
Strand­bads im Juli 1998 nach einem Kopf­sprung von einem Steg in den See.
Zu beurteilen war zwar nicht die Ver­tragsver­let­zung, son­dern der
natür­liche Kausalzusam­men­hang, da umstrit­ten war, ob sich der
Verun­fallte seine Ver­let­zun­gen bei einem Kop­fauf­schlag auf dem Seegrund
zuge­zo­gen hat­te oder durch auf ihn gesprun­gene Kinder. Das Bundesgericht
hat­te aber Gele­gen­heit, sich zur Ausle­gung des SSCHV-Regle­ments zu
äussern. Es führte Fol­gen­des aus: “Die von der Vorin­stanz herangezogenen
Sicher­heitsvorschriften sehen vor, dass “bei nor­malem Publikumsbetrieb”
die Start­blöcke demon­tiert wer­den müssen, wenn die Wasser­tiefe 1.20 m
bis 1.40 m beträgt (Zif­fer 2.3.1 und Zif­fer 2.7.6 SSCHV-Reglement).
Daraus ergibt sich, dass nach den zitierten Sicher­heitsvorschriften eine
Wasser­tiefe von 1.40 m auch bei nor­malem Pub­likums­be­trieb, also der
Benutzung der Start­blöcke durch Nicht-Wet­tkampf­schwim­mer, die nicht nur
ganz flache Kopf­sprünge ausüben, genügt, um die Sicher­heit zu
gewährleis­ten.” Es beste­ht vor­liegend kein Grund, um von dieser
Ausle­gung abzuwe­ichen. Dem­nach durften die Beklagten als
Schwimm­bad­be­treiber davon aus­ge­hen, dass ein Schwimm­bad mit einer
Wasser­tiefe von vor­liegend über 1.50 m bei bes­tim­mungs­gemässem Gebrauch
der Start­blöcke mit ein­er Höhe von 62.5–70 cm genü­gende Sicherheit
bietet. Wie das tragis­che Einzelschick­sal des Klägers zeigt, verbleibt
auch bei Ein­hal­tung der Sicher­heitsvorschriften ein Restrisiko. Dieses
kann aber nicht den Beklagten über­bun­den wer­den. Die Vorin­stanz hat
somit Art. 97 OR ver­let­zt, indem sie eine Ver­tragsver­let­zung der Beklagten bejaht hat.