4A_390/2014: Verträge zwischen denselben Parteien mit unterschiedlichen Schiedsklauseln

Im Entscheid 4A_390/2014 vom 20. Feb­ru­ar 2015 befasste sich das Bun­des­gericht mit der Frage, welch­es Schieds­gericht zuständig ist, wenn ein Stre­it mehrere Verträge bet­rifft, die unter­schiedliche Schied­sklauseln enthalten. 

Die Beschw­erde­führerin schloss mit der Beschw­erdegeg­ner­in am gle­ichen Datum drei Verträge ab, näm­lich den “A. Con­tract”, das “Debt Trans­fer Agree­ment” und das “Mem­o­ran­dum of  Understanding”.

Der “A. Con­tract” enthielt eine Schied­sklausel, die ein Schieds­gericht der Inter­na­tionalen Han­del­skam­mer (ICC) mit Sitz in Zürich vor­sah. Das “Debt Trans­fer Agree­ment ” enthielt eine Schied­sklausel, die ein Schiedsver­fahren unter der Auf­sicht der Zürcher Han­del­skam­mer vor­sah. Das “Mem­o­ran­dum of Under­stand­ing ” enthielt keine Schiedsklausel.

 
Die Beschw­erde­führerin erhob beim Schieds­gericht­shof der Inter­na­tionalen Han­del­skam­mer (ICC) eine Schied­sklage gegen die Beschw­erdegeg­ner­in, mit der sie Schaden­er­satz gestützt auf den ” A. Con­tract”, das “Debt Trans­fer Agree­ment” sowie das “Mem­o­ran­dum of Under­stand­ing” ver­langte. Die Zuständigkeit des Schieds­gericht­shofs der Inter­na­tionalen Han­del­skam­mer (ICC) leit­ete die Beschw­erde­führerin dabei aus den im “A. Con­tract” und “Debt Trans­fer Agree­ment” enthal­te­nen Schied­sklauseln ab.
 
Mit Zwis­chen­schiedsspruch erk­lärte sich das Schieds­gericht für unzuständig zur Beurteilung der Ansprüche aus dem “Debt Trans­fer Agreement “.
 
Die Beschw­erde­führerin machte vor Bun­des­gericht gel­tend, das Schieds­gericht habe sich bezüglich des “Debt Trans­fer Agree­ments ” zu Unrecht für unzuständig erk­lärt (Art. 393 lit. b ZPO). 
 
Die Beschw­erde­führerin argu­men­tierte, dass sich aus dem von den Parteien ver­fol­gten Zweck und aus weit­eren Umstän­den ein­deutig ergebe, dass der vorder­gründig klare Wort­laut der Schied­sklausel im “Debt Trans­fer Agree­ment” nicht den wahren Sinn der Vere­in­barung wiedergebe. Die Parteien hät­ten wed­er den “A. Con­tract” ohne das “Debt Trans­fer Agree­ment” abschliessen wollen, noch das “Debt Trans­fer Agree­ment” ohne den “A. Con­tract.” Die Verträge wür­den ein wirtschaftlich­es und rechtlich­es Ganzes bilden. Auf­grund der engen Verzah­nung der Verträge wäre es nach Auf­fas­sung der Beschw­erde­führerin unangemessen, Stre­it­igkeit­en, welche gle­icher­massen den “A. Con­tract” wie auch das “Debt Trans­fer Agree­ment” betr­e­f­fen, durch ver­schiedene Schieds­gerichte beurteilen zu lassen.
 
Das Bun­des­gericht führte zuerst all­ge­mein aus, dass es die Zuständigkeit­srüge in rechtlich­er Hin­sicht frei prüft. Demge­genüber über­prüft es tat­säch­liche Fest­stel­lun­gen des ange­focht­e­nen Schied­sentschei­ds auch im Rah­men der Zuständigkeit­srüge nicht, da es an den vom Schieds­gericht fest­gestell­ten Sachver­halt gebun­den ist und diesen wed­er ergänzen noch berichti­gen kann. Nur wenn gegenüber den Sachver­halts­fest­stel­lun­gen zuläs­sige Rügen im Sinne von Art. 393 ZPO vorge­bracht oder aus­nahm­sweise Noven berück­sichtigt wer­den (Art. 99 BGG), kann das Bun­des­gericht die tat­säch­lichen Fest­stel­lun­gen des ange­focht­e­nen Schied­sentschei­ds überprüfen.
 
Auf den konkreten Fall bezo­gen argu­men­tierte das Bun­des­gericht, dass aus den vorin­stan­zlichen Erwä­gun­gen deut­lich her­vor geht, dass das Schieds­gericht auf­grund ein­er  sub­jek­tiv­en (und nicht ein­er nor­ma­tiv­en) Ver­tragsausle­gung zum Schluss gelangt ist, dass die Parteien Stre­it­igkeit­en aus dem “Debt Trans­fer Agree­ment” einem anderen als dem für den “A. Con­tract” zuständi­gen Schieds­gericht unter­stellen woll­ten. Daraus fol­gt, dass das Schieds­gericht in Würdi­gung der Beweise den wirk­lichen Willen der Parteien erforscht und damit eine Sachver­halts­fest­stel­lung getrof­fen hat, welche für das Bun­des­gericht verbindlich ist (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dass das Schieds­gericht in ein­er Randz­if­fer das Ver­trauen­sprinzip anspricht, ste­ht diesem Befund gemäss Bun­des­gericht nicht ent­ge­gen, hat doch das Schieds­gericht damit lediglich zum Aus­druck gebracht, dass auch eine nor­ma­tive Ausle­gung nicht zu einem anderen Schluss führen würde. 
 
Da die vorin­stan­zliche Ermit­tlung des Inhalts der Schied­sklauseln auf sub­jek­tiv­er Ausle­gung bzw. Beweiswürdi­gung beruht­en, erwiesen sich gemäss Bun­des­gericht die Vor­brin­gen der Beschw­erde­führerin als unzuläs­sige Kri­tik an der vorin­stan­zlichen Beweiswürdi­gung. Offen­sichtlich akten­widrige tat­säch­liche Fest­stel­lun­gen im Sinne von Art. 393 lit. e ZPO machte die Beschw­erde­führerin nach Auf­fas­sung des Bun­des­gerichts nicht oder jeden­falls nicht in gehörig begrün­de­ter Form gel­tend. Das Bun­des­gericht trat in der Folge auf die Beschw­erde nicht ein.