5A_748/2014: Annerkennung eines mittels Leihmutterschaft im Ausland begründeten Kindsverhältnisses ist mit dem schweizerischen Ordre public unvereinbar (amtl. Publ.)

Im Urteil vom 21. Mai 2015 äusserte sich das Bun­des­gericht zur Anerken­nung eines mit­tels Leih­mut­ter­schaft im Aus­land begrün­de­ten Kindsverhältnisses. 

Der Sachver­halt des vor­liegen­den Entschei­ds präsen­tierte sich zusam­menge­fasst wie fol­gt: A.B. und C.E. haben Wohn­sitz in der Schweiz und leben in einge­tra­gen­er Part­ner­schaft. Sie vere­in­barten einen Leih­mut­ter­schaftsver­trag mit einem in Kali­fornien wohnen­den Ehep­aar. Es wurde mit Hil­fe ein­er Eizelle ein­er anony­men Spenderin und Sper­mien von A.B. ein Kind gezeugt und der Embryo in die Gebär­mut­ter der Leih­mut­ter einge­bracht. Es erg­ing ein Vater­schaft­surteil des Supe­ri­or Court of the State of Cal­i­for­nia for the Coun­ty of Kern. Danach  wurde A.B. zum genetis­chen und leib­lichen Vater des unge­bore­nen Kindes erk­lärt. C.E. wurde zum ver­muteten leib­lichen zweit­en Vater des unge­bore­nen Kindes erk­lärt. Es wurde weit­er fest­ge­hal­ten, dass die Leih­mut­ter nicht die genetis­che Mut­ter sei und dass sie und ihr Ehe­mann auf alle elter­lichen Rechte und Pflicht­en verzicht­en wür­den. Das Sorg­erecht sollte gemäss Urteil nach der Ent­bindung auf A.B. und C.E. über­tra­gen wer­den (E. A.).

Die Ein­tra­gung ein­er aus­ländis­chen Entschei­dung oder Urkunde über den Zivil­stand wird von der kan­tonalen Auf­sichts­be­hörde bewil­ligt, wenn die Voraus­set­zun­gen gemäss Art. 25 ff. IPRG erfüllt sind. Es ging im vor­liegen­den Entscheid im Wesentlichen um die Frage, ob der Anerken­nung ein Ver­weigerungs­grund im Sinne von Art. 27 IPRG, namentlich der Ordre pub­lic, ent­ge­gen­ste­ht (E. 3.4).

Das Bun­des­gericht hielt fest, dass die Leih­mut­ter­schaft, wonach eine Frau durch ein Fortpflanzungsver­fahren ein Kind empfängt, es aus­trägt und nach der Geburt Drit­ten auf Dauer über­lässt, in der Schweiz ver­boten ist (E. 4.2.1.). Das auf Ver­fas­sungsstufe ver­ankerte Ver­bot der Leih­mut­ter­schaft gelte auch heute noch als Grundüberzeu­gung der hiesi­gen Recht­san­schau­ung (E. 4.2.3). Das kali­for­nische Urteil sei nicht deshalb Ordre pub­lic-widrig, weil es ein Kindsver­hält­nis zu zwei miteinan­der rechtlich ver­bun­de­nen Män­nern her­stelle. So sei eine im Aus­land aus­ge­sproch­ene Stiefkin­dadop­tion einge­tra­gen­er Part­ner grund­sät­zlich anerkennbar und ver­stosse nicht per se gegen den schweiz­erischen Ordre pub­lic (E. 5.2.). Es könne jedoch die Art und Weise der Entste­hung des Kindsver­hält­niss­es im konkreten Einzelfall nicht auss­er Acht gelassen wer­den (E. 5.3). Das Bun­des­gericht qual­i­fizierte sodann das Vorge­hen von A.B. und C.E. als Ordre pub­lic-widrige Recht­sumge­hung. Es hielt fest:

“Wenn indes die Beschw­erdegeg­n­er — als schweiz­erische Staat­sange­hörige mit Wohn­sitz in der Schweiz, ohne weit­eren Bezug zu Kali­fornien — die Leih­mut­ter­schaft ger­ade zur Ver­mei­dung des schweiz­erischen Ver­botes in Kali­fornien durchge­führt haben, stellt ihr Vorge­hen eine rechtlich rel­e­vante Recht­sumge­hung dar. Grund dafür ist, dass die Recht­sor­d­nung offen­sichtlich um die von ihr beab­sichtigte Wirkung ihrer Vorschriften gebracht wer­den soll […], wobei diese Vorschriften vor der Ver­let­zung der Moral, das öffentliche Inter­esse und die Men­schen­würde schützen sollen […]. Die engen Beziehun­gen der Beteiligten zur Schweiz (Wohn­sitz und Staat­sange­hörigkeit), die losen Beziehun­gen zu den USA (neben der Staat­sange­hörigkeit des Kindes die Leih­mut­ter, die das Kind dort wed­er rechtlich hat noch haben will, und die anonyme Eizel­len­spenderin) und der noch nicht lange Zeitraum zwis­chen der Entschei­dung und Geburt­surkunde (im Jahre 2011) und der Anerken­nung­sprü­fung ste­hen dem Ein­satz des Ordre pub­lic-Vor­be­haltes nicht ent­ge­gen.” (E. 5.3.2.)

Weit­er führte das Bun­des­gericht aus:

“Sich­er ist jeden­falls, dass der Schutz des Kindes davor, zur Ware degradiert zu wer­den, die man bei Drit­ten bestellen kann, aber auch der Schutz der Leih­mut­ter vor der Kom­merzial­isierung ihres Kör­pers, bedeu­tungs­los wäre, wenn die Recht­sumge­hung der Wun­schel­tern nachträglich gültig erk­lärt würde. Die Vernei­n­ung der Ordre pub­lic-Widrigkeit würde die recht­san­wen­den­den Behör­den zwin­gen, ein durch Recht­sumge­hung erre­icht­es Kindesver­hält­nis als  fait accom­pli zu akzep­tieren, wom­it der Fortpflanzungs­touris­mus gefördert würde und das inländis­che Leih­mut­ter­schaftsver­bot weit­ge­hend wirkungs­los wäre.” (E. 5.3.3.).

Das Bun­des­gericht entsch­ied, dass das kali­for­nische Vater­schaft­surteil mit dem schweiz­erischen Ordre pub­lic nicht vere­in­bar ist (E. 5.3.4). Es prüfte sodann, ob und inwieweit die aus der EMRK und UN-KRK fliessenden Recht­spo­si­tio­nen eines Kindes den aus der Recht­sumge­hung abgeleit­eten Ordre pub­lic-Ver­stoss zurück­zu­drän­gen ver­mö­gen bzw. die Anerken­nung des Kindsver­hält­niss­es gebi­eten (E. 6).

Das Bun­des­gericht kam zum Schluss, dass die Ver­weigerung der Anerken­nung der vom kali­for­nischen Gericht aus­ge­sproch­enen Fest­stel­lung der Vater­schaft des nicht­genetis­chen Vaters zum Kind D. aus Ordre pub­lic-Grün­den EMRK-kon­form sei (E. 6.2 und 6.3). Da das Kind zudem das Schweiz­er Bürg­er­recht erwor­ben habe und als Kind des leib­lichen Vaters im Per­so­n­en­stand­sreg­is­ter erfasst werde und auch dessen Namen trage und im Falle der Ver­hin­derung des leib­lichen Vaters der einge­tra­gene Part­ner zwar keine Eltern­rechte, jedoch gewisse Betreu­ungsrechte und ‑pflicht­en habe, sei das Kindswohl (Art. 11 BV, Art. 3 UN-KRK) sowie die Rechte aus Art. 7 UN-KRK gewährleis­tet (E. 6.4.3.). Das Urteil des Supe­ri­or Court of the State of Cal­i­for­nia wurde sodann nur teil­weise anerkan­nt, soweit das Kindsver­hält­nis zwis­chen dem leib­lichen Vater und D. fest­gestellt bzw. beurkun­det wurde (E. 9).