4A_81/2016: Faustpfand zur Sicherung einer künftigen Forderung (amtl. Publ.)

Dem Bun­des­gericht bot sich in diesem Urteil die Gele­gen­heit, die Gültigkeit ein­er im Rah­men eines Kon­toko­r­rentver­hält­niss­es abgeschlosse­nen Faustp­fand­vere­in­barung zu beurteilen. Der Sachver­halt präsen­tierte sich vere­in­fachend zusam­menge­fasst wie fol­gt: Eine Bankkundin unterze­ich­nete im Zusam­men­hang mit einem Konkoko­r­rentver­hält­nis eine “gen­er­al deed of pledge and assign­ment”, mit welch­er die Kundin der Bank ein Pfan­drecht an all ihren Wert­pa­pieren, Kon­ten und Depots gewährte. Dieses Faustp­fand­srecht sollte alle gegen­wär­ti­gen und zukün­fti­gen Forderun­gen der Bank im Zusam­men­hang mit dem Ver­tragsver­hält­nis sichern.

Die Bank tätigte in der Folge in eigen­em Namen, aber auf Rech­nung der Bankkundin, zwei Investi­tio­nen in Anlage­fonds bei ein­er US-Gesellschaft, ohne dass die Bankkundin an dem Investi­tion­sentscheid beteiligt wor­den war. Nach­dem über die US-Gesellschaft der Konkurs eröffnet wor­den war, machte der Konkurs­beamte ver­schiedene Rück­zahlungsansprüche im Zusam­men­hang mit diesen bei­den Fonds gel­tend. Gegen die Bank sel­ber war noch kein gerichtlich­es Ver­fahren ein­geleit­et wor­den, allerd­ings wurde sie darüber informiert, dass eine Klageein­leitung zu einem späteren Zeit­punkt nicht aus­geschlossen sei.

Die Bankkundin ver­langte zwis­chen­zeitlich ihre Ver­mö­genswerte von der Bank zurück, woraufhin die Bank das Kon­toko­r­rentver­hält­nis mit sofor­tiger Wirkung kündigte. Sie informierte die Bankkundin, dass sie einen Teil der Ver­mö­genswerte zurück­be­halte, ins­beson­dere zwecks Absicherung allfäl­liger Rück­forderun­gen (“claw­back”) betr­e­f­fend die Fonds-Investi­tio­nen. Nach­dem die Bankkundin Klage auf Rück­zahlung ein­geleit­et hat­te, wurde das Ver­fahren auf die Frage beschränkt, ob ein Faustp­fan­drecht der Bank beste­ht oder nicht. Die kan­tonalen Gerichte bejaht­en diese Frage.

Das Bun­des­gericht nahm die ihm unter­bre­it­ete Beschw­erde zum Anlass, die Voraus­set­zun­gen für die Errich­tung sowie die Grund­sätze eines Faustp­fan­drechts in Erin­nerung zu rufen. Zusam­menge­fasst wies das Bun­des­gericht auf Fol­gen­des hin:

  • Ein Faustp­fan­drecht könne nur in den geset­zlich vorge­se­henen For­men errichtet wer­den. Zu dessen Entste­hung bedürfe es eines Erwerb­s­grunds, eines Verpflich­tungs­geschäfts (Erwerb­sakt) und eines dazu kausalen Ver­fü­gungs­geschäfts (E. 2.1 m.w.H.).
  • Das Verpflich­tungs­geschäft zur Errich­tung eines Faustp­fan­drechts umfasse notwendi­ger­weise (essen­tialia negotii) eine Eini­gung der Parteien über die Verpflich­tung zur Errich­tung eines Faustp­fands, die Beze­ich­nung der belehn­ten Objek­te sowie die Beze­ich­nung der sichergestell­ten Forderun­gen (E. 2.2 m.w.H.).
  • Faustp­fan­drechte kön­nen zur Sich­er­stel­lung aktueller (fäl­liger oder nicht fäl­liger), zukün­ftiger, bed­ingter oder ungewiss­er Forderun­gen errichtet wer­den (E. 2.2.1 m.w.H.).
  • Auf­grund des Akzes­sori­etät­sprinzips hänge die Gültigkeit des Faustp­fan­drechts vom Bestand ein­er gülti­gen sicherzustel­len­den Forderung ab (E. 2.2.1 m.w.H.).
  • Damit über ungewisse kün­ftige Forderun­gen ein Faustp­fan­drecht errichtet wer­den kann, müssen diese im Zeit­punkt des Verpflich­tungs­geschäfts für die Errich­tung des Faustp­fands hin­re­ichend bes­timm­bar sein. Solche Forderung müssen klar in den Bere­ich der geschäftlichen Beziehung zwis­chen (hier) der Bank und ihrem Kun­den fall­en, und die Parteien müssen und kön­nen vernün­ftiger­weise mit der Begrün­dung dieser Forderun­gen rech­nen (E. 2.2.2 m.w.H.).
  • Das Faustp­fan­drecht an den kün­fti­gen (bed­ingten oder noch ungewis­sen) Forderun­gen entste­he bere­its mit dem Abschluss des Verpflich­tungs­geschäfts, auch wenn die kün­fti­gen Forderun­gen noch nicht enstanden seien (E. 2.2.3 m.w.H.);
  • Auf­grund des Akzes­sori­etät­sprinzips erlösche das Faustp­fan­drecht infolge Tilgung der sichergestell­ten Forderung oder aus anderem Grund. Sofern ein Faustp­fan­drecht der Sicherung mehrerer Forderung diene, gehe es erst mit der Tilgung der let­zten sichergestell­ten Forderung unter (E. 2.2.4 m.w.H.).
  • Die Gültigkeit eines Ver­trags zur Errich­tung eines Faustp­fand­srechts für sämtliche aktuellen und kün­fti­gen Forderun­gen sei im Lichte von Art. 27 Abs. 2 ZGB und Art. 19 Abs. 2 OR zu prüfen. Die Bes­timm­barkeit der sichergestell­ten Forderun­gen, ins­beson­dere die Bes­timm­barkeit kün­ftiger Forderun­gen, diene deren Indi­vid­u­al­isierung. Die Verpflich­tung, ein Faustp­fan­drecht zwecks Sicherung sämtlich­er kün­ftiger Forderun­gen, welche eine Per­son gegenüber ein­er anderen haben könne, einzuricht­en, ohne dass diese Forderun­gen zeitlich, nach der Art der Geschäfte, aus denen sie entste­hen, oder nach Art des Erwerbs durch den Gläu­biger begren­zt wären, sei gestützt auf diese Bes­tim­mungen nichtig (E. 2.3 m.w.H.).

Vor­liegend liess das Bun­des­gericht ins­beson­dere die Qual­i­fika­tion der von der Bank behaupteten kün­fti­gen Forderun­gen offen. Eben­so liess es offen, ob die — hin­sichtlich der Höhe noch unbekan­nten — Forderun­gen bere­its auf­grund der Tat­sache ent­standen seien, dass die Bank über eine mögliche Klageein­leitung im späteren Zeit­punkt informiert wurde.

Es verneinte das Vor­liegen eines gülti­gen Faustp­fand­srechts vielmehr deshalb, weil die Rück­forderun­gen (Befreiungsansprüche), auf welche sich die Bank im Zusam­men­hang mit den Investi­tio­nen aus dem Anlage­fonds berief, im Zeit­punkt des Abschlusses des Verpflich­tungs­gechäfts zur Errich­tung des Faustp­fand­srechts nicht hin­re­ichend bes­timm­bar gewe­sen seien. Zwar wür­den die Ansprüche (teil­weise) klar in den Bere­ich der geschäftlichen Beziehung zwis­chen der Bank und ihrem Kun­den fall­en. Allerd­ings seien diese im Zeit­punkt des Abschlusses des Kon­toko­r­rentver­hält­niss­es und der Unterze­ich­nung der “gen­er­al deed of pledge and assign­ment” nicht vorherse­hbar gewe­sen. Die Parteien hät­ten vernün­ftiger­weise nicht vorherse­hen kön­nen oder müssen, dass der­ar­tige kün­ftige Forderun­gen durch das Faustp­fan­drecht sichergestellt wer­den wür­den. Eben­so wenig könne ein irgend­wie geart­eter Wille der Parteien fest­gestellt wer­den, welch­er eine Aus­dehnung des Faustp­fan­drechts auf diese Befreiungsansprüche recht­fer­ti­gen würde (E. 2.4.2). Gestützt auf diese Erwä­gun­gen hob das Bun­des­gericht das vorin­stan­zliche Urteil auf und hielt fest, dass die Bank hin­sichtlich der von ihr gel­tend gemacht­en Rück­forderun­gen über kein Faustp­fan­drecht verfügt.