4A_504/2018: Sorgfaltspflicht von Banken bei Vollmachtverhältnissen (amtl. Publ.)

In diesem Urteil hat­te sich das Bun­des­gericht ein­mal mehr mit der Sorgfalt­spflicht von Banken bei der Aus­führung von Transak­tion­saufträ­gen zu beschäfti­gen. Dem Urteil lag (zusam­menge­fasst) fol­gen­der Sachver­halt zugrunde: Eine Bankkundin hat­te einem langjähri­gen Ver­traut­en eine all­ge­meine und unbeschränk­te Voll­macht (Gen­er­alvoll­macht gemäss Bank­for­mu­lar) für mehrere Bankkon­ten gegeben. Diese Voll­macht umfasste aus­drück­lich auch die Befug­nis für den Voll­macht­nehmer, Hand­lun­gen zu seinen eige­nen Gun­sten vorzunehmen. Der Voll­macht­nehmer verun­treute in der Folge in ins­ge­samt 14 Zahlungsaufträ­gen rund 13 Mil­lio­nen in ver­schiede­nen Währun­gen, indem er diese Gelder auf seine Kon­ten bei der­sel­ben Bank wie die Bankkundin oder ein­er Drit­tbank, oder auf das Kon­to sein­er Ehe­frau bei der­sel­ben Bank wie die Bankkundin trans­ferierte. Später über­wies der Voll­macht­nehmer den grössten Teil dieser Gelder auf das Kon­to sein­er Gesellschaft und erwarb dafür eine Immo­bilie für CHF 12’000’000, zusam­men mit Hypotheken, welche ihm von der­sel­ben Bank, wo auch die Bankkundin ihre Kon­ten hat, gewährt wur­den. Im Zusam­men­hang mit den Transak­tio­nen nah­men die Mitar­beit­er der Bank Rück­sprache mit dem Voll­macht­nehmer, nicht aber mit der Bankkundin. Nach­dem die Bankkundin von den Transak­tio­nen erfahren hat­te, reichte sie eine Strafanzeige gegen den Voll­macht­nehmer ein. Dieser gab im Ver­lauf der Stra­fun­ter­suchung zu, das Ver­trauen der Bankkundin und deren Fam­i­lie getäuscht und zu deren Nachteil Gelder verun­treut zu haben, um den Erwerb und die Arbeit­en an seinen Liegen­schaften in der Schweiz zu finanzieren. Die Bankkundin verk­lagte daraufhin die Bank auf Zahlung von EUR 6’450’000, CHF 6’050’010 und USD 150’000. Nach­dem die bei­den kan­tonalen Instanzen die Klage abwiesen, hiess das Bun­des­gericht die Klage nach ein­er öffentlichen Urteils­ber­atung gross­mehrheitlich gut.

Vor Bun­des­gericht strit­tig war ins­beson­dere, ob die kan­tonalen Gerichtsin­stanzen die Regeln über die Stel­lvertre­tung (Art. 32 ff. OR) ver­let­zt hat­ten. Das Bun­des­gericht erin­nerte zunächst an die Grund­sätze des Ver­tragsver­hält­niss­es zwis­chen der Bank und ihren Kun­den (E. 3.1) sowie an die Grund­sätze der Stel­lvertre­tung, ins­beson­dere bei der Voll­macht­süber­schre­itung sowie des Voll­machtsmiss­brauchs (E. 3.2). Dabei wies es ins­beson­dere darauf hin, dass sich ein Drit­ter, der sich gut­gläu­big auf die ihm mit­geteilte Voll­macht ver­lässt, gemäss Art. 3 Abs. 2 ZGB dann nicht auf diesen guten Glauben berufen könne, wenn er nicht diejenige Aufmerk­samkeit an den Tag lege, welche unter den gegebe­nen Umstän­den von ihm ver­langt wer­den dürfe (E. 3.2.3). Anschliessend wies das Bun­des­gericht darauf hin, dass diese Grund­sätze auch im Ver­hält­nis zwis­chen Bankkunde bzw. dessen Vertreter und der Bank gel­ten. Dem von der Bank in diesem Zusam­men­hang vorge­brachte Ein­wand, dass sie angesichts der Bankvoll­macht nur dann ein­greifen müsse, wenn sie sich sich­er sei, dass der Vertreter zum Nachteil des Auf­tragge­bers han­dle, könne deshalb nicht gefol­gt wer­den (E. 3.2.4).

Die Bankkundin machte gel­tend, die von ihr an den Voll­macht­nehmer erteilte Bevollmäch­ti­gung sei ungültig, da die Voll­macht darauf hin­aus­laufe, einen Ver­trag mit sich selb­st zu genehmi­gen, und dass die Mit­teilung dieser (ungülti­gen) Voll­macht an die Bank als Dritte dem Voll­macht­nehmer keine Vertre­tungs­befug­nis ver­lei­he. Die Frage nach der (Un-)Gültigkeit eines Ver­trags mit sich sel­ber könne indessen, so das Bun­des­gericht, vor­liegend offen bleiben, da die Bank nicht in ihrem guten Glauben geschützt wer­den könne (E. 3.3).

Das Bun­des­gericht erwog, dass von den 14 stre­it­ge­gen­ständlichen Transak­tio­nen für die Bank erkennbar 13 durch den Voll­macht­nehmer in Auf­trag gegeben wur­den. Eine Transak­tion wurde durch den Voll­macht­nehmer unter Ver­wen­dung des e‑bank­ing-Zugriffs der Bankkundin vorgenom­men, welche ihm die Zugangs­dat­en bekan­nt gegeben hat­te. Mit Bezug auf diese eine Transak­tion hätte die Bank nicht erken­nen kön­nen, dass der Voll­macht­nehmer diese Transak­tion vorgenom­men habe. Der Bank könne daher mit Bezug auf diese Transak­tion nicht der Vor­wurf  gemacht wer­den, die Bankkundin nicht kon­tak­tiert zu haben, um Infor­ma­tio­nen über den Umfang der Befug­nisse des Voll­macht­nehmers zu erhal­ten (E. 3.4.1).

Anders indessen mit Bezug auf die übri­gen 13 Transak­tio­nen. Hier erkan­nte das Bun­des­gericht einen Inter­essenkon­flikt der Bank. Die vom Voll­macht­nehmer trans­ferierten Beträge dien­ten als Garantie für die ihm von der Bank gewährten Hypotheken. In dieser Sit­u­a­tion hätte die Bank, so das Bun­des­gericht, beson­ders aufmerk­sam sein müssen. Dies um so mehr, als die Transak­tio­nen jedes Mal einen bedeu­ten­den Betrag betrof­fen hät­ten. Dabei wies das Bun­des­gericht auf die Fest­stel­lun­gen der Vorin­stanz hin, wonach mehrere Hil­f­sper­so­n­en der Bank Zweifel an der Legit­im­ität des Voll­macht­nehmers hat­ten. Eben­so müsse berück­sichtigt wer­den, dass der Voll­macht­nehmer die Transak­tio­nen stets nach dem­sel­ben Muster und mit ähn­lichen Begrün­dun­gen (s. hierzu E. 3.4.1) ange­ord­net habe. Schliesslich hätte der Voll­macht­nehmer mit seinen fort­laufend­en Transak­tio­nen das Kon­to der Bankkundin voll­ständig geleert (E. 3.4.2 und 3.4.3).

Unter diesen Umstän­den hätte die Bank hin­sichtlich der vor­ge­nan­nten 13 Transak­tio­nen von der Bankkundin jew­eils eine Bestä­ti­gung der Transak­tion ein­holen müssen. Die Bank habe damit nicht den Grad an Aufmerk­samkeit wal­ten lassen, den die Umstände von ihr ver­langt hät­ten. Entsprechend könne sie sich gestützt auf Art. 3 Abs. 2 ZGB nicht auf ihren guten Glauben berufen, wonach die stre­it­i­gen Transak­tio­nen (objek­tiv) von der fraglichen Voll­macht erfasst seien (E. 3.4.4).