National- und Ständerat haben eine viel diskutierte Anpassung am Verrechnungssteuergesetz (VStG) in Bezug auf das Meldeverfahren verabschiedet. Damit können schweizerische Gesellschaften Dividendenausschüttungen an in- oder ausländische Muttergesellschaften neu auch nach Ablauf der massgebenden Frist von 30 Tagen der EStV melden (oder sogar nach Fristablauf das Meldeverfahren beantragen), ohne eine nachträgliche Ablieferung der Verrechnungssteuer im ordentlichen Verfahren samt 5% Verzugszinsen fürchten zu müssen. Auf Fristverletzungen kann die EStV inskünftig nur noch mittels Ordnungsbussen (bis max. CHF 5‘000) reagieren.
Auf parlamentarische Initiative hin (13.479, NR Urs Gasche, BDP) hat der Gesetzgeber die vom Bundesgericht im Januar 2011 bestätigte scharfe Praxis der EStV gegen den Willen von Bundesrat und Kantonen korrigiert. Kern des Politikums war die Rechtsnatur der 30-tägigen Meldefrist für Dividenden im Konzernverhältnis: Verwirkungsfrist (BGer, EStV) oder Ordnungsfrist (Initiativtext)?
Bei Dividendenausschüttungen kann die EStV der ausschüttenden Unternehmung (Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft) gestatten, ihre Verrechnungssteuerpflicht durch Meldung zu erfüllen (sog. Meldeverfahren), anstatt durch effektive Ablieferung der Verrechnungssteuer von 35% der Bruttodividende. Die parlamentarische Initiative thematisierte das Meldeverfahren im Konzernverhältnis, also jene Dividendenausschüttungen welche an in- oder ausländische Gesellschaften mit einer bestimmten Mindestbeteiligungsquote ausgerichtet werden. Die massgebenden Verordnungsbestimmungen sehen vor, dass die Meldung einer solchen konzerninternen Dividende innert 30 Tagen ab Fälligkeit der Dividende an die EStV zu erfolgen hat (Art. 26a Abs. 2 Verordnung zum VStG [SR 642.211] im rein innerschweizerischen Verhältnis; resp. Art. 5 Abs. 1 VO über die Steuerentlastung schweizerischer Dividenden aus wesentlichen Beteiligungen ausländischer Gesellschaften [SR 672.203]).
Stein des Anstosses war die vom Bundesgericht festgeschriebene Praxis (BGE 2C_756/2010), diese 30-Tage-Frist als Verwirkungsfrist zu betrachten. So hatte die ausschüttende Gesellschaft im Säumnisfall selbst bei Vorliegen einer EStV-Genehmigung des Meldeverfahrens spätestens seit Januar 2011 keine Möglichkeit mehr, die verpasste Meldung einfach nachzuholen. Sie musste sowohl die Verrechnungssteuer (zwar letztlich rückforderbar, aber in der Regel bereits an den Aktionär überwiesen) als auch 5% Verzugszins (in keinem Fall rückforderbar) entrichten. Von dieser scharfen Praxis hatte die EStV vor 2011 allerdings nicht immer Gebrauch gemacht (s. Votum BR Widmer-Schlumpf).
Die neuen Gesetzesbestimmungen definieren die 30-Tage-Frist nun eindeutig als Ordnungsfrist (neuer Art. 20 Abs. 3 VStG). Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für das Meldeverfahren muss die EStV deshalb eine verspätet eingereichte Meldung (sowie auch verspätet eingereichte Gesuche um Bewilligung des Meldeverfahrens) akzeptieren. Sie kann jedoch eine Ordnungsbusse bis max. CHF 5‘000 verfügen, dies als einziges verbleibendes Druckmittel zur Durchsetzung des gesetzlichen Sicherungszweckes.
Inkrafttreten und Rückwirkung
Die neuen Bestimmungen unterliegen dem fakultativen Referendum und dürften vom Bundesrat noch im Jahr 2017 in Kraft gesetzt werden. Das neue Recht soll auch auf jene Fälle angewendet werden, die vor dem 30. September 2016 eingetreten sind,
„es sei denn, die Steuerforderung oder die Verzugszinsforderung sei verjährt oder bereits vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig festgesetzt worden.“ (Art. 70c VStG)
Die Summe dieser nicht mehr einforderbaren oder sogar zurückzuerstattenden Verzugszinsen beläuft sich gem. Informationen aus den Debatten auf rund CHF 600 Mio.