2C_689/2011: Bewilligung des VSt-Meldeverfahren nur, wenn Rückerstattungsberechtigung des Leistungsempfängers zweifelsfrei erstellt ist

Im Entscheid war u.a. die Zuläs­sigkeit des VSt-Melde­v­er­fahrens mit Bezug auf eine Div­i­dende von CHF 386’000’000 zu entschei­den. Die Div­i­dende war von ein­er Schweiz­er Gesellschaft an ihre Lux­em­burg­er Mut­ter bezahlt wor­den (vgl. Entscheid für aus­führlichen Sachverhalt).

Zur Bewil­li­gung des Melde­v­er­fahrens hielt das BGer fest, was folgt.

“(E. 2.4.1) […] die vor­frageweise Über­prü­fung der EStV, ob ein Rück­er­stat­tungsanspruch eines inländis­chen Leis­tungsempfängers beste­ht, [kann] nur sum­marisch und ohne Verbindlichkeit für das eigentliche Rück­er­stat­tungsver­fahren erfol­gen. Lässt sich der Rück­er­stat­tungsanspruch nicht ohne Weit­eres fest­stellen oder beste­hen ern­sthafte Zweifel, so kommt die Bewil­li­gung des Melde­v­er­fahrens nicht in Betra­cht (BGE 115 lb 274 E. 20c S. 293; 110 lb 319 E. 6b S. 324 f.; vgl. auch Urteil 2C_756/2010 vom 16. Jan­u­ar 2011 E. 2.2 ASA 79, 855 S. 859; Urteil 2C_438/2010 vom 16. Dezem­ber 2010 E. 2.3; Urteil 2C_551/ 2009 vom 13. Mai 2009 E. 3.2 und 3.4 StR 65, 876 S. 881 ff.). 

2.4.2 Diese für das lan­desin­terne Melde­v­er­fahren aufgestell­ten Grund­sätze müssen — wie die Vorin­stanz richtig erkan­nt hat — auch für das­jenige auf­grund des ZBs­tA gel­ten. Während sich die formellen Gesicht­spunk­te rel­a­tiv ein­fach abklären lassen, kann es sich in materieller Hin­sicht zwangsläu­fig nur um ein Glaub­haft­machen han­deln, zumal die direkt betrof­fene Per­son (d.h. die Div­i­den­den­empfän­gerin) im Aus­land ansäs­sig ist und im Gesuchsver­fahren gar nicht Partei ist. Sobald daher berechtigte Zweifel an der Abkom­mens­berech­ti­gung der Div­i­den­den­empfän­gerin beste­hen, ist das Melde­v­er­fahren zu ver­weigern. Denn wenn eine Div­i­dende gestützt auf ein bewil­ligtes Melde­v­er­fahren ein­mal ungekürzt an einen im Aus­land ansäs­si­gen Empfänger abge­flossen ist, kann eine ungerecht­fer­tigte Ent­las­tung prak­tisch nicht mehr rück­gängig gemacht wer­den, ist doch für diesen Fall keine Mithaf­tung des inländis­chen Div­i­den­den­schuld­ners vorge­se­hen (vgl. Art. 15 VStG). 

2.4.3 Der Beschw­erde­führerin ist daher nicht zuzus­tim­men, wenn sie behauptet (Ziff. 37), die Beweis­last für das Vor­liegen eines Miss­brauchs als steuer­be­grün­dende Tat­sache liege beim Fiskus, und die Vorin­stanz habe die Miss­brauchs­frage “nicht einge­hend geprüft” (Ziff. 45) bzw. ob ein Miss­brauch vor­liege, sei bere­its im Bewil­li­gungsver­fahren (sc. bezüglich des Melde­v­er­fahrens) “zu prüfen” und nicht erst im Rah­men des Rück­er­stat­tungsver­fahrens (Ziff. 21 der Rep­lik). Die Frage der im Rück­er­stat­tungsver­fahren gel­tenden Beweis­lastverteilung spielt bei der hier einzig strit­ti­gen Bewil­li­gung des Melde­v­er­fahrens (noch) keine Rolle. Durch eine Ver­weigerung des Melde­v­er­fahrens wird die eigentliche Rück­er­stat­tung der Quel­len­s­teuer bzw. deren Ver­weigerung nicht präjudiziert. Vielmehr sind diese Fra­gen im eigens dafür vorge­se­henen Rück­er­stat­tungsver­fahren unter Beizug der davon direkt betrof­fe­nen Empfän­gerin der steuer­baren Leis­tung zu klären. Mit der Ver­weigerung des Melde­v­er­fahrens kann gegebe­nen­falls ein Zinsver­lust ver­bun­den sein, weil zurück­zuer­stat­tende Beträge nicht verzinst wer­den (VStG 31 IV).

Im vor­liegen­den Fall waren die formellen Voraus­set­zun­gen für ein Melde­v­er­fahren grund­sät­zlich erfüllt (insb. Quote und Haltedauer). Es kon­nte aber nicht aus­geschlossen wer­den, dass der Div­i­den­den­empfän­gerin das Nutzungsrecht fehlte:

(E. 3.2) Entschei­dend ist nur, dass die Rück­er­stat­tungs­berech­ti­gung der [Div­i­den­den­empfän­gerin] nicht zweifels­frei und damit nicht rechts­genü­gend erstellt ist, was aber ein Melde­v­er­fahren ver­hin­dert. Die Ver­rechungss­teuer ist daher auf dem Weg der Entrich­tung der Steuer und nicht durch Mel­dung zu erheben.

Das Vor­liegen des Rück­er­stat­tungsanspruchs musste bzw. muss im Rück­er­stat­tungsver­fahren geprüft werden.